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Alexander S. Neu: Kontrolle von möglicherweise verfassungswidrigen Bundeswehreinsätzen

Rede von Alexander S. Neu,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Bundeswehr befindet sich derzeit in zehn mandatierten Auslandseinsätzen. Mehr als 150 000 Soldatinnen und Soldaten wurden in den letzten 30 Jahren durch Auslandseinsätze geschleust. Es gab über 100 tote Bundeswehrsoldatinnen und ‑soldaten sowie unzählige getötete Zivilisten. Mindestens 25 Milliarden Euro an Steuergeldern wurden verbraten; für den Afghanistan-Einsatz waren es alleine 12,5 Milliarden Euro. Wie kürzlich bekannt wurde, haben wir den Krieg in Afghanistan verloren. Die Bundeswehr befindet sich im Rückzug. Da muss doch die Frage erlaubt sein, ob der eine oder andere Einsatz wirklich verfassungskonform ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber dieses Instrument gibt es nicht, sehr geehrte Damen und Herren. Dieses Instrument ist offensichtlich seitens der Bundesregierung auch nicht gewollt. Dabei ist doch unstrittig, dass der Bundestag oder irgendein anderes Parlament auch mal Gesetze erlässt, die verfassungswidrig sein könnten. Deshalb gibt es das Normenkontrollverfahren. So besteht aber eben auch die Möglichkeit – real geschehen –, dass der Deutsche Bundestag mit seiner Mehrheit einem Auslandseinsatz zustimmt, der grundgesetzwidrig ist. Ich denke da – das wurde gerade angesprochen – zum Beispiel an den Einsatz in Syrien – Artikel 24 Absatz 2 Grundgesetz –, ich denke da an den NATO-Angriff auf Jugoslawien unter Beteiligung der Bundeswehr, damals unter Rot-Grün, usw. usf. Angesichts dessen brauchen wir ein Instrument in Anlehnung eines Normenkontrollverfahrens, das selbstständig einzelne Auslandseinsätze auf ihre Verfassungskonformität überprüfen kann. Die juristische Überprüfbarkeit von politischen Entscheidungen, auch außen- und sicherheitspolitischen Entscheidungen, sehr geehrte Damen und Herren, nennt man schlicht „Unterordnung der Macht unter das Recht“, also Rechtsstaatlichkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Die CDU/CSU, die SPD sowie Teile der Opposition werden das natürlich ablehnen. Warum? Wir haben es ja gerade gehört: Da werden juristische Nebelkerzen geworfen, man solle die Justiz nicht überfordern oder instrumentalisieren und so einen Blödsinn. Aber tatsächlich geht es natürlich um machtpolitische Interessen; das wurde gerade auch von Frau Strack-Zimmermann angedeutet. Die schwarz-rote Bundesregierung und Teile der Opposition wollen auf der internationalen Ebene militärische Handlungsfreiheit an der Seite der Vereinigten Staaten, und zwar unter Führung der USA und der NATO.

Man kann jetzt festhalten: Die Bundesregierung, die sie tragenden Parteien und Teile der Opposition sind in der internationalen Arena und wollen dort das Recht des Stärkeren praktizieren. Das geht nur, indem erstens keine verfassungsrechtlichen Prüfungen von Auslandseinsätzen auf ihre Verfassungsmäßigkeit stattfinden und zweitens das Völkerrecht geschickt zerlegt und durch eine ominöse regelbasierte Ordnung – das ist übrigens eine neue Wortkreation –, die die westliche Vorherrschaft absichern soll, ersetzt wird.

Sehr geehrte Damen und Herren der Mitte, Ihr Verständnis von internationaler Politik im 21. Jahrhundert, im Nuklearzeitalter, ist das Faustrecht an der Seite der USA statt Rechtsstaatlichkeit zum Vorteil Deutschlands und Europas. Die Linke hingegen fordert innere und internationale Rechtsstaatlichkeit für Frieden und Stabilität. Das macht den Unterschied aus.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)