Zum Hauptinhalt springen

Alexander S. Neu: Abrüsten statt Krieg, Flucht und Klimakatastrophe

Rede von Alexander S. Neu,

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident!

"Sicherheit ist unteilbar, und die Sicherheit jedes Teilnehmerstaates ist untrennbar mit der aller anderen verbunden. Wir verpflichten uns daher, bei der Festigung von Vertrauen und Sicherheit untereinander sowie bei der Förderung der Rüstungskontrolle und Abrüstung zusammenzuarbeiten."

Diese Passage habe ich in der Charta von Paris entdeckt. In wenigen Wochen könnten wir 30 Jahre Charta von Paris feiern – könnten, wenn sie noch Substanz hätte. Aber Begriffe wie „Vertrauen“ oder „gemeinsame Sicherheit“ sind mittlerweile Fremdworte. Sie spielen in der politischen Debatte überhaupt keine Rolle mehr. Stattdessen: Aufkündigung bi- und multilateraler Abkommen in der Abrüstung und Rüstungsbegrenzung, Stellvertreterkriege, Cyberkriege, Wirtschaftskriege, Propagandakriege und Großmanöver. Stattdessen: steigende Militärausgaben und massive Aufrüstungsprogramme.

Sehr geehrte Damen und Herren, das Ergebnis 30 Jahre nach der Charta von Paris ist katastrophal. Der Westen als Sieger des Kalten Krieges hat gänzlich versagt. Das westliche Dominanzstreben stand und steht auf der Tagesordnung,

(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Was für ein Streben?)

anstatt die UNO-Charta mit Leben zu füllen. Das ist ein Skandal.

(Beifall bei der LINKEN)

Das erste Ergebnis sind doch die wachsenden Militärausgaben. Laut SIPRI wurden im Jahr 2019 weltweit 1,9 Billionen US-Dollar, also 1 917 Milliarden US-Dollar, alleine fürs Militär ausgegeben. Die NATO – 29 Staaten – hat davon 1 039 Milliarden US-Dollar ausgegeben. Rund 54 Prozent der weltweiten Militärausgaben entfallen also auf die NATO. Die USA sind hier natürlich Spitzenreiter mit 732 Milliarden US-Dollar; das entspricht 38 Prozent der weltweiten Militärausgaben. 38 Prozent der weltweiten Militärausgaben entfallen also auf ein Land, auf die USA.

(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Von wann sind die Zahlen?)

Deutschland wird mit dem vorgeschlagenen Bundeshaushalt 2021 nach NATO-Kriterien rund 52 Milliarden Euro fürs Militär ausgeben und hat damit erneut den Weltranglistenplatz 8 erklommen.

(Henning Otte [CDU/CSU]: Das ist der Preis für Frieden und Freiheit!)

Russland lag 2019 dagegen bei 65 Milliarden Euro.

Wenn man das vergleicht bzw. ins Verhältnis setzt – 1 039 Milliarden Euro auf der einen Seite durch die NATO, 65 Milliarden Euro auf der anderen Seite durch Russland –, dann kommt man zu dem Ergebnis, dass die NATO 16-mal mehr ausgibt als Russland, also nicht doppelt so viel, nicht viermal so viel, sondern 16-mal so viel. Ich denke, das bedarf keiner Kommentierung.

(Beifall bei der LINKEN – Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Alle Zahlen wieder falsch, Herr Neu!)

– Sie sollten sich die Sachen noch mal genau durchlesen. Sie sind offensichtlich kein Sicherheitspolitiker, sondern Außenpolitiker,

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Sicherheitspolitik ist Teil der Außenpolitik!)

aber es würde auch Ihnen nicht schaden, wenn Sie sich mit den Zahlen vertraut machen würden.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Wir können rechnen!)

Das zweite Ergebnis des globalen Dominanzstrebens sind die von den USA geführten Kriege zur Zerschlagung von Staaten an der Peripherie. Das „New York Times Magazine“ hat am 8. September 2020, also vor rund drei Wochen, über eine Studie der US-amerikanischen Brown University berichtet. Der Titel der Studie lautet „Kosten des Krieges“. Untersucht wurden lediglich acht Staaten, die durch US-Truppen „beglückt“ wurden. Ergebnis: mindestens 37 Millionen Flüchtlinge – Menschen, die auf der Flucht sind – aufgrund der von den USA geführten Kriege in der Region seit 2001.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Steuerzahler in Deutschland zahlen dementsprechend dreimal für das Dominanzstreben der westlichen Politik: erstens für die Aufrüstung an der Seite der USA, zweitens für die Kriege an der Seite der USA und drittens für die daraus resultierenden Kriegsflüchtlinge. – Ich finde, das ist absolut inakzeptabel, und wir werden uns als Linke auch immer wieder dagegen positionieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Linke fordert demgegenüber, die kostbaren Steuergelder in den ernsthaften Kampf gegen die wirklichen Bedrohungen der Menschheit und nicht gegen imaginierte Bedrohungen zu investieren, statt die Steuergelder für hochgefährliche militärische Abenteuer und Sandkastenspielchen zu missbrauchen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die wirklichen Bedrohungen sind Klima- und Umweltkatastrophen und daraus resultierende Armuts- und Hungerkatastrophen. Das und nicht irgendwelche Großmachtrivalitäten sind die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)