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Aktuelle Stunde zur Mindestlohndebatte in der CDU

Rede von Jutta Krellmann,

Herbtnebel bei der CDU


Vielen Dank, Herr Präsident. Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte da anknüpfen, wo mein Kollege Klaus Ernst aufgehört hat,

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Oh weh!)

nämlich bei Art. 1 Grundgesetz ich zitiere daraus, damit auch Sie es verstehen : „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Zur Würde gehört auch, dass die Menschen von ihrer Arbeit leben können.

(Beifall bei der LINKEN - Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP): Und dass sie Arbeit haben, Frau Kollegin!)

Das ist seit zehn Jahren zunehmend nicht mehr der Fall: 23 Prozent der Beschäftigten arbeiten im Niedriglohnbereich. In der Exportnation Deutschland gibt es Löhne unter 5 Euro. Das kann doch gar nicht wahr sein; das ist ein echter Skandal.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Dann lesen Sie Art. 9!)

Herr Kolb sagte, dass es 11 000 Aufstocker gibt. Damit kann er doch nur seinen Landkreis in der Nähe von Frankfurt meinen.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Nein! Vollzeitbeschäftigte Alleinstehende bei 22 Millionen Beschäftigten!)

Für Deutschland gilt das nicht. Das gilt vielleicht für Babenhausen. Mein Kollege Klaus Ernst hat die Antwort der Bundesregierung auf die Frage, wie viele vollzeitbeschäftigte Aufstocker es in Deutschland gibt: 326 000, nicht 11 000.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Da sind Verheiratete mit Kindern dabei! Sie sollten nicht Äpfel mit Birnen vergleichen!)

Insofern ist es gut, dass die CDU auf ihrem Parteitag das Fenster für den Mindestlohn aufmachen will. Links wirkt!

(Beifall bei der LINKEN)

Aber was wollen Sie jetzt machen? Die Informationen werden immer diffuser und wir haben Herbst immer vernebelter. Die Informationen, die ich habe, sind aus dem Text des Antrages für den CDU-Parteitag ich zitiere :

Die CDU Deutschlands hält es für notwendig, eine allgemeine verbindliche Lohnuntergrenze in den Bereichen einzuführen, in denen ein tarifvertraglich festgelegter Lohn nicht existiert.

(Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU): Ja, genau so! - Klaus Ernst (DIE LINKE): Dann bleibt ihr doch bei 4 Euro! Das ist doch die Konsequenz!)

Jetzt geht das Geschacher los:

(Frank Heinrich (CDU/CSU): Das ist nicht „Geschacher“! Das ist Diskussion!)

Frau Merkel spricht sich für eine Lohnuntergrenze aus. Ja, toll. Das verbindet sie aber mit dem Ziel: keine Anbindung an die Löhne in der Leiharbeit. Abweichungen nach unten sollen möglich sein.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz, Frau Kollegin Krellmann! Sie müssen es ganz lesen, nicht nur Art. 1!)

Auch ich will keine Anbindung an die Löhne in der Leiharbeit das sage ich ganz deutlich , nicht weil mir das zu viel ist, sondern weil mir das eindeutig zu wenig ist.

(Beifall bei der LINKEN)

7,89 Euro im Westen und 7,01 Euro im Osten sind mir einfach zu wenig. Unsere Forderung ist: 10 Euro für alle.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU): Erklären Sie das den Tarifpartnern, den Gewerkschaften!)

Frau Merkel macht einen Knicks vor der Arbeitgeberlobby.

(Klaus Ernst (DIE LINKE): Genau!)

Ich kann nicht verstehen, wieso sich die Ostfrau Merkel nicht für gleiche Lebensverhältnisse in Ost und West einsetzt, obwohl sie selbst aus dem Osten kommt.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU):
Weil es die Tarifpartner so beschlossen haben! Max Straubinger (CDU/CSU): Sie setzt sich mehr ein für Ost und West!)

Ich als Ur-Wessi setze mich dafür ein, weil ich die Schnauze voll davon habe, dass alle toll finden, dass die Mauer weg ist, Sie aber nichts tun, damit sich die Lebensverhältnisse in irgendeiner Form angleichen nichts!

(Beifall bei der LINKEN Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU):

Nicht der Frau Merkel sagen, sondern der Gewerkschaftsführung! Die machen die Tarifverträge!)

Meine Damen und Herren aus der CDU, Sie haben mit Ihrer Diskussion Erwartungen bei den Menschen geweckt,

(Zuruf von der CDU/CSU: Sie nicht!)

nämlich die Erwartungen, dass das Zimmermädchen im Hotel, der Kellner im Restaurant, die Beschäftigten im Callcenter, die Eisverkäuferin im Freizeitpark, der Toilettenmann auf der Autobahnraststätte endlich einen allgemeinverbindlichen Mindestlohn erwarten können. 85 Prozent der Menschen haben sich nach einer aktuellen Umfrage dafür ausgesprochen.

Aber die herbstliche Vernebelung geht weiter. Aktuelle Stichpunkte aus der Debatte sind: Die Tarifvertragsparteien sollen sich am besten ohne Staat und ohne Wissenschaft auf eine Lohnuntergrenze einigen aber nur in Branchen, in denen es keine Tarifbindung gibt und regionale Unterschiede zulassen.

Auf gut Deutsch heißt das: Mit der CDU wird es keinen Mindestlohn geben. Mit der CDU wird das Gerangel um Branchenmindestlöhne weitergehen. Im Grunde haben wir bereits Branchenmindestlöhne; das wurde schon mehrfach angesprochen. Gewerkschaften werden in die Situation gebracht, mit Arbeitgebern über Sachen zu verhandeln, die die Arbeitgeber eigentlich gar nicht wollen, und zu Bedingungen, die die Arbeitgeber diktieren. Das, Kolleginnen und Kollegen, ist die Aufforderung zum kollektiven Betteln.

(Beifall bei der LINKEN Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU): Das ist Unfug! Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Eine Unverschämtheit, Tarifverhandlungen so zu diskreditieren! Ich frage Sie, wes Geistes Kind Sie sind! Das ist unglaublich! Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU): Totalitäres Politikverständnis!)

Branchentarifverträge funktionieren dort, wo Gewerkschaften die Verhandlungsmacht haben dank kollektiver Mitgliedschaft sowie der Drohung, im Zweifel das Recht der kollektiven Arbeitsniederlegung, nämlich das Streikrecht nach Art. 9 des Grundgesetzes, wahrzunehmen.

Das Streikrecht steht in Verbindung mit Tarifverträgen. Das eine funktioniert ohne das andere nicht. Zu sagen: „Die Gewerkschaften sollen jetzt endlich einmal verhandeln“, ist doch Blödsinn.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Die Gewerkschaften entscheiden aber selbst, in welchem Umfang sie das einsetzen! Da können Sie nicht kommen und sagen: Macht mal!)

Wenn Gewerkschaften nicht die Möglichkeit haben, zu Arbeitsniederlegungen aufzurufen, wird es keine Tarifverträge geben, sondern dann bleibt es beim kollektiven Betteln.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN Zuruf von der CDU/CSU: Sind Sie schon aus der Gewerkschaft ausgetreten?)

Sie haben Erwartungen bei den Menschen geweckt. Ich möchte Sie auffordern: Erfüllen Sie die Erwartungen!

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU): Generalstreikgouvernante!)

Die Menschen erwarten einen Mindestlohn, der für alle gilt und der nach unserer Position 10 Euro betragen soll. Tun Sie etwas, bewegen Sie sich und machen Sie das Fenster wieder zu, das Sie selbst geöffnet haben!

(Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Hören Sie wenigstens auf Laumann!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)