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Aktive Arbeitsmarktpolitik statt Rechenspiele auf dem Rücken der Betroffenen

Rede von Kornelia Möller,

Da freut sich die Bundesregierung über die angeblich so gute Arbeitsmarktpolitik der vergangenen Jahre. DIE LINKE kann leider keine Verbesserungen erkennen. Statt aktiver Arbeitsmarktpolitik gibt es immer mehr Armut, Hartz IV und prekäre Beschäftigung.

Kornelia Möller (DIE LINKE):
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Scholz, ich gratuliere Ihnen herzlich zur Berufung in dieses schöne Amt und hoffe, dass den wundervollen Worten, die wir gerade gehört haben, wirklich gute Taten folgen werden; denn die haben wir alle nötig.
(Beifall bei der LINKEN)
Erinnern Sie sich eigentlich noch daran, was Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, den Menschen versprochen haben?
(Otto Fricke (FDP): Fast so viel wie ihr!)
Der von Ihnen im November 2005 geschlossene Koalitionsvertrag hat den schönen Titel „Mit Mut und Menschlichkeit“. Mut und Menschlichkeit das klingt heute für viele wie Hohn.
Ja, es ist wahr, meine Damen und Herren Koalitionäre, Sie brauchen viel Mut, wenn Sie den Bürgerinnen und Bürgern Ihre Mär von einem Aufschwung erzählen. Denn dieser Aufschwung kommt bei den meisten Menschen in diesem Land nicht an. Von Menschlichkeit kann bei Ihrer Politik für Millionen von Menschen gar keine Rede sein: Sei es bei der ungenügenden Höhe des Regelsatzes, sei es bei der Weigerung, einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn einzuführen ich habe jetzt wieder schöne Worte von der SPD gehört; schauen wir, was dabei herauskommt oder beim Festhalten an und Verschärfen von Hartz IV.
Die Folgen Ihrer Politik haben für die Menschen verheerende Auswirkungen. So ist in Neumarkt-Sankt Veit eine Frau verbrannt. Am 20. November dieses Jahres hieß es in der Münchner AZ: Hartz-IV-Empfängerin stirbt bei Großbrand, Kein Geld für Strom, Sie beleuchtete ihr Haus mit Kerzen. - Warum das Ganze? Wegen Stromschulden in Höhe von 600 Euro. Ein Mensch musste sterben, weil Hartz IV nicht zum Leben reicht. Das ist nicht nur ein Skandal, das ist einfach grauenhaft.
Haben Sie schon einmal über die vielfach würdelosen Verhältnisse für die Betroffenen von Erwerbslosigkeit, Niedriglöhnen und prekärer Beschäftigung nachgedacht? Im Alltag bedeutet das: Mehrere Jobs zu Dumpingpreisen, die trotz alledem nicht zum Überleben reichen, oder als Leiharbeiterin oder Leiharbeiter ausgebeutet zu werden und rechtlos zu sein und dann zur Arge gehen und alle persönlichen Verhältnisse offenlegen zu müssen. Hartz IV, prekäre Beschäftigung und Niedriglöhne zerstören gesellschaftliche und familiäre Beziehungen. Sie machen Menschen krank.
Die Linke sagt: Das ist eine Schande für ein reiches Land wie die Bundesrepublik.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir könnten uns wirklich gute Arbeit leisten, wenn Sie, meine Damen und Herren, das auch wollten. Ich empfehle Ihnen in diesem Zusammenhang: Lesen Sie unser Manifest für gute Arbeit. Darin können Sie wichtige Anregungen finden.
(Beifall bei der LINKEN)
Statt endlich aktive Arbeitsmarktpolitik zu betreiben, veranstalten Sie hier Rechenspiele auf dem Rücken erwerbsloser Menschen. Sie wollen die Bezugsdauer des ALG I für ältere Erwerbslose verlängern, was an sich ein guter Ansatz wäre, wenn Sie sich an unsere Vorgaben gehalten hätten. Aber bei Ihnen verkommt dieser gute Ansatz zur Sozialkosmetik. Sie gestalten die Kriterien für ältere Erwerbslose so, dass vermutlich nur sehr wenige Menschen im Westen und kaum Menschen im Osten in den Genuss dieser Verlängerung kommen.
Vor dem, was Sie noch in dieses Paket geschnürt haben, warnen nicht nur der Sachverständigenrat und der DGB, vor Ihrem Paket graust es auch jeden halbwegs vernünftigen Menschen. Sie senken den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung auf 3,3 Prozent, obgleich Fachleute Ihnen versichern, dass Sie die BA damit in die roten Zahlen führen. Dann schließen Sie auch noch einen Zuschuss des Bundes bis 2011 aus. Das bedeutet im Klartext: Steuergeschenke in Höhe von 3,8 Milliarden Euro an die Unternehmen denn so viel bringt die Beitragssatzsenkung den Unternehmen stehen nun einer Arbeitsmarktpolitik nach Kassenlage gegenüber. Die Erwerbslosen müssen die Zeche zahlen, wenn das Geld für sie und ihre arbeitsmarktpolitischen Bedürfnisse nicht mehr reicht.
(Wolfgang Meckelburg (CDU/CSU): Da stimmt kein einziger Satz!)
Haben Sie eigentlich schon einmal etwas vom Fachkräftemangel in diesem Land gehört? Das scheint nicht der Fall zu sein. Denn sonst müssten auch Sie begreifen, dass das Geld für Aus- und Weiterbildung sowie für die Schaffung von öffentlich finanzierter Beschäftigung verwendet werden muss. Meine Fraktion, Die Linke, spricht sich nicht nur gegen die Beitragssatzsenkung aus, sondern sie hat Ihnen auch immer wieder aufzeigt, wo Geld für diese Gesellschaft und für die Bürgerinnen und Bürger in dieser Gesellschaft nutzbringend eingesetzt werden muss.
Ich verweise auf unseren Änderungsantrag zum Haushalt 2008. Die Linke fordert die Erhöhung der Regelsätze auf 435 Euro, die Beibehaltung der Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft mindestens in der Höhe von 2007, die Deckungsfähigkeit von passiven zu aktiven Leistungen, damit Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanziert werden kann, und die Streichung des Eingliederungsbeitrags der BA, damit das Geld für die aktive Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung steht.
(Beifall bei der LINKEN)
Wenn es Ihnen wirklich ernst ist mit Mut und Menschlichkeit und Sie den Haushalt 2008 entlasten wollen, dann schlage ich Ihnen vor, endlich in den von uns geforderten flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von 8,44 Euro einzuwilligen. Vielen Menschen bliebe erspart, zu Hungerlöhnen zu arbeiten und daneben auch noch ergänzend ALG II beantragen zu müssen. Der Bund könnte rund 8,5 Milliarden Euro sparen; denn so viel kostet die Lohndrückerei der Unternehmen die Steuerzahler.
Meine Kollegin Gesine Lötzsch hat Sie am Dienstag zu Recht als Lohndrückerkoalition bezeichnet. Denn Sie unterstützen mit Ihrer Weigerung, angemessene Lohnuntergrenzen festzulegen, die Gier vieler Unternehmer. Mut und Menschlichkeit - meine Damen und Herren der Koalition, handeln Sie endlich entsprechend!
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der LINKEN)