„Mitgliedschaft in der Internationalen Organisation of Social Tourism“, Antrag der LINKEN, Drucksache 17/4844
„Kinder- und Jugendtourismus unterstützen und weiter fördern“, Antrag der CDU/CSU und FDP, Drucksache 17/8451
„Reisen für Kinder und Jugendliche ermöglichen – Förderung sicherstellen und ,Aktionsplan Kinder- und Jugendtourismus in Deutschland‘ weiterentwickeln“, Antrag der SPD, Drucksache 17/9913
Die CDU/CSU – Fraktion lehnt den Antrag der LINKEN, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, Mitglied in der Internationalen Organisation für Sozialtourismus zu werden ab. In der Begründung heißt es: „Schon jetzt engagiere sich die Bundesregierung stark im so genannten Sozialtourismus.“ und sie verwies auch auf „die Gefahr eines Subventionswettlaufs zu Lasten sich selbst tragender Angebotsstrukturen.“ (Drucksache 17/9308).
Was damit gemeint sein könnte, erfuhren die Zuschauerrinnen und Zuschauer der Sendung Panorama am 7. Juni 2012 in der ARD: „Allgäu, Haus am See, Doppelzimmer ab 9 Euro die Nacht. Oder Häuschen für 6 Personen in Italien, 20 Euro die Nacht für alle. Und hier: Eine Nacht im bayerischen Schloss Hohenaschau ab 7 Euro 80. Nicht schlecht, was. Buchen kann man diese sagenhaft günstigen Urlaube allerdings nur, wenn man etwa Beamter oder Angestellter der Bundesverwaltung ist. Zum Beispiel Diplomaten, Zöllner oder Finanz oder Ministerialbeamte. … Kampen auf Sylt. Traumhafte Landschaft, nur leider für Normalverdiener fast unbezahlbar. Oft kosten Ferienwohnungen in Strandnähe mehr als 100 Euro am Tag. Es sei denn – man ist Beamter oder Angestellter der Bundesverwaltung. Wie hier in Kampen finden sich auf der Insel so einige preiswerte Domizile für Staatsdiener. Diese Ferienwohnung zum Beispiel ist schon für ganze 6,60 Euro pro Nacht und Person zu haben. Da ist die Erholung nur ein Grund nach Sylt zu fahren.“
Seit 52 Jahren organisiert das Sozialwerk.Bund mit millionenschweren direkten und indirekten Zuschüssen preiswerte Reisen für Bundesbeamte, unabhängig von deren Einkommen und sozialer Bedürftigkeit.
Natürlich fehlt dann das Geld an anderer Stelle, zum Beispiel für dringend notwenige Investitionen in den Kinder- und Jugenderholungszentren, in Jugendherbergen oder für den Jugendaustausch in Richtung Osteuropa. Auch die wenigen sozial wirklich bedürftigen Familien, die mal Urlaub in den vom Bund bzw. einigen Ländern geförderten Familienheimstätten machen dürfen, würden sich über solche Konditionen sehr freuen. Es würde sich also schon lohnen, wenn die Bundesregierung gemäß eigenen Worten zielgerichtet fördert und nicht mit der Gießkanne die Steuermittel verteilt. Und es würden sich dann auch die 4.000 Euro für den jährlichen Mitgliedsbeitrag in der Internationalen Organisation für Sozialtourismus finden. Ich meine, es wäre gut angelegtes Geld, denn der Erfahrungsaustausch mit den rund 140 Mitgliedern, darunter die Staaten Griechenland, Italien, Polen, Belgien, Frankreich, Schweiz, Türkei, Portugal, Spanien und Mexiko in dieser 1963 gegründeten Organisation käme auch der Entwicklung des Tourismus für Kinder und Jugendliche, für Menschen mit Behinderungen und finanzschwachen Familien in Deutschland zu Gute.
Ein Drittel der Kinder in Deutschland – dem „Reiseweltmeister“ – kann nicht in den Urlaub fahren. Tendenz steigend! Es sind vor allem finanzielle, aber auch bauliche und kulturelle Barrieren. Das ist kein Problem, welches sich durch die Selbstheilungskräfte des Marktes lösen läßt. Hier ist die Politik gefragt. Auch und gerade für diese Kinder und Jugendlichen sind Reisen zur Förderung von Bildung, Erholung, Gesundheit und Weltanschauung wichtig.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition,
welche Kenntnisse die Bundesregierung zur realen Situation in diesem Bereich hat, zeigt sich in der Antwort der Bundesregierung vom 7. Februar 2012 auf meine wiederholten Fragen zu Kinder- und Jugendreisen für alle (Drucksache 17/8637, Seite 46/47). Hier teilt die Bundesregierung, vertreten durch ihren Staatssekretär Dr. Bernhard Heitzer, acht mal in ähnlichen Formulierungen mit: „Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor. Entsprechende Daten werden nicht erhoben.“ Und zur Bewertung der Tatsache, dass ein Drittel aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland aus finanziellen Gründen keine Urlaubsreise mehr machen können, antwortet dieser Staatssekretär (Drs. 17/8637, Seite 48): „Auch Menschen mit gesundheitlichen, sozialen oder finanziellen Einschränkungen sollen reisen können. Über die Nichtteilnahme von Kindern und Jugendlichen an Urlaubsreisen aus finanziellen Gründen liegen der Bundesregierung keine Primärerhebungen vor.“
Ich möchte Ihnen an einem Beispiel zeigen, wie das wirkliche Leben ist und dazu aus dem Schreiben des Bezirksamtes Pankow von Berlin an das BDP-Integrationsprojekt e.V. (BDP –Bund Deutscher PfadfinderInnen) vom 6. Februar 2012 zitieren: „Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass der Bezirk Pankow in den Haushaltsjahren 2012 und 2013 keine Leistungen der Kinder- und Jugenderholung im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 5 SGB VIII mehr erbringen kann. Unter dieses Leistungsangebot fallen auch die behindertenbedingten Mehrkosten bei den Erholungsreisen, die in Ihrer Trägerschaft durchgeführt werden.“ Und das ist kein Einzelfall, sondern die Regel in den Kommunen in Folge ihrer Haushalts- und Finanzpolitik.
Deswegen fordert DIE LINKE u.a. eine Fortschreibung des Aktionsplanes Kinder- und Jugendtourismus in Deutschland durch Bund, Länder sowie die Betroffenen und ihre Interessenverbände; deswegen fordert DIE LINKE, dass eine Klassenfahrt pro Jahr in allen Altersstufen Pflichtteil der schulischen Bildung wird und deswegen fordert DIE LINKE eine stärkere Förderung von Familienurlauben und –freizeiten. Auch deswegen wird DIE LINKE als Zeichen des guten Willens zur Zusammenarbeit auf diesem Gebiet nicht gegen den Koalitionsantrag stimmen und dem SPD-Antrag zustimmen.