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Agro-Gentechnik ist auch vom Bundestag abzulehnen.

Rede von Kirsten Tackmann,

Rede zum FDP-Antrag "Eigentumsrechte und Forschungsfreiheit schützen - Entschiedenes Vorgehen gegen Zerstörung von Wertprüfungs- und Sortenversuchen sowie von Feldern mit gentechnisch veränderten Pflanzen" (16/2835 und 16/4474), zum Grünen-Antrag "Keine Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen auf dem Gelände des Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben" (16/4904) und zum Grünen-Antrag "Einfuhrverbote für Produkte aus dem gentechnisch veränderten Mais MON863 anordnen" (16/4905)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Die Skepsis gegenüber und die Ablehnung der Agro-Gentechnik sind nach wie vor groß nicht hier im Bundestag, aber draußen in der richtigen Welt.
(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Ist der Bundestag nicht in der richtigen Welt?)
Dies wurde durch eine Studie der GfK Marktforschung vom Dezember 2006 erneut belegt. 74,9 Prozent von 1 023 Befragten lehnen die Entwicklung und Einführung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln ab. Nur 6,7 Prozent befürworten sie, und 18,3 Prozent ist das Thema egal. Dieses Votum können wir nicht ignorieren. Möglicherweise ist das ja auch ein Votum gegen Zwangsbeglückung.
(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Zwangsbeglückung?)
Zunächst zu den Anträgen der FDP. Wir halten die sogenannten Feldbefreiungen für keine geeignete Protestform. Sie erreichen damit auch gar nicht das angestrebte Ziel. Es lohnt sich aber, darüber nachzudenken, warum Menschen zu solchen Protestformen greifen. Das sage ich ausdrücklich vor dem Hintergrund meiner ostdeutschen Biografie.
(Hans-Michael Goldmann (FDP): Na, also!)
Ich habe gelernt, nicht nur über Protestformen nachzudenken, sondern auch über Protestgründe. Die FDP setzt mit ihrer Definition von Forschungsfreiheit die Existenzen Dritter aufs Spiel.
Wer fordert, dass Verschleppungen aus Genfeldern bis zu einem Grenzwert von 0,9 Prozent toleriert werden müssen, der steht eben nicht auf der Seite der Verbraucherinnen und Verbraucher
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
und auch nicht an der Seite der Landwirte, die keine Agro-Gentechnik anwenden wollen. Uns ist der Schutz ihrer Rechte deutlich wichtiger als Monsanto, Pioneer und Co.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Auch der angebliche Zusammenhang zwischen der Feldbefreiung und dem öffentlichen Standortregister ist nicht belegbar. Die Linke lehnt Zugangsbeschränkungen zum Standortregister ab, weil der von der FDP völlig zu Recht geforderte öffentliche Dialog zu der Problematik nur dann stattfinden kann, wenn es Transparenz gibt. Aus unserer Sicht geht die FDP mit ihrem Antrag daher in die falsche Richtung. Deshalb wird er abgelehnt.
(Beifall bei der LINKEN)
Zum zweiten Antrag. Über 30 000 Menschen haben gegen die Freisetzung von genverändertem Weizen in Gatersleben Einspruch erhoben. Wer schon einmal Unterschriften gesammelt hat, der weiß, wie gigantisch diese Zahl an Unterschriften ist. Gebracht hat es bis jetzt allerdings nichts. Die nicht auszuschließende Gefährdung der 150 000 alten Kultursorten in der dortigen Genbank wird ignoriert. Der Gipfel der Absurdität ist: Das BVL untersagt nicht den Freisetzungsversuch mit gentechnisch verändertem Weizen und gentechnisch veränderten Erbsen, sondern es empfiehlt die Verlagerung der Genbank.
Ich habe der Gaterslebener Institutsleitung letzte Woche einen Brief geschrieben und eindringlich die Frage gestellt: Was ist, wenn Sie das Verschleppungsrisiko unterschätzen? Die Antwort lautete: Das kann nicht passieren. Es gibt aber kein Null-Risiko. Es gibt keine Null-Irrtumswahrscheinlichkeit. Warum sollten wir also unnötige Sicherheitsrisiken für diese Genbank eingehen? Ich bleibe dabei: Die Vernunft gebietet die sofortige Beendigung und Aussetzung dieser Freisetzungsversuche. Null-Risiko für die Genbank!
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Antrag drei. Die Schlagzeile „Ratengift im Popcorn“ ist sicherlich daneben. Worum geht es aber? Französische Wissenschaftler das wurde schon genannt haben bei einer Neuauswertung der Daten festgestellt den Zugang zu diesen Daten mussten sie sich übrigens gerichtlich erstreiten , dass durch den gentechnisch veränderten Mais MON 863 bei Versuchstieren Schädigungen von Leber und Nieren verursacht wurden. Die Veränderungen blieben zwar innerhalb der biologischen Variabilität, aber vielleicht lag das ja auch daran, dass nur drei Monate lang getestet wurde. Es ist jedoch ein statistisch signifikanter, also nicht zufälliger Unterschied zwischen den Versuchs- und den Kontrollgruppen. Beim Zulassungsverfahren für MON 863 wurde dieser Befund ignoriert. Man kann nun trefflich darüber diskutieren, ob das Ergebnis biologisch relevant ist, aber ignorieren darf man es nicht.
(Beifall bei der LINKEN)
Was auch immer man von dieser Studie hält: Die Bundesregierung muss aus unserer Sicht nach dem Vorsorgegrundsatz handeln und die neuen Hinweise prüfen. Bis zur Neubewertung muss aus unserer Sicht nach Art. 23 der Freisetzungsrichtlinie der sogenannten Schutzklausel die Inverkehrbringung ruhen. MON 863 darf bis zur Klärung der Fragen nicht mehr als Futter- oder Lebensmittel genutzt werden. Das ist das Mindeste, was die Verbraucherinnen und Verbraucher von uns erwarten können.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)