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Absicherung der Beschäftigungsrisiken mit zehnjähriger Verzögerung

Rede von Werner Dreibus,

Rede von Werner Dreibus zum Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Förderung ganzjähriger Beschäftigung.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Fraktionen von CDU/CSU und SPD bestätigen mit dem vorliegenden Gesetzesvorhaben die Notwendigkeit der Förderung ganzjähriger Beschäftigung. In diesem Ziel sind wir uns einig. Insofern begrüßen wir vom Grundsatz her den vorgelegten Gesetzentwurf. Wir müssen allerdings auch feststellen, dass sowohl CDU/CSU als auch SPD an der derzeitigen misslichen Situation der Beschäftigten in saisonabhängigen Branchen, die vom Minister hier völlig zu Recht beklagt worden ist, durch Entscheidungen in der Vergangenheit wesentlich mitverantwortlich sind: (Beifall bei der LINKEN) Unter Führung von CDU/CSU und FDP wurde mit dem Schlechtwettergeld ein gut funktionierendes System mit der Begründung abgeschafft, es sei zu teuer und belaste den Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit zu sehr. Damals hat Ihre Fraktion, Herr Rohde - das kann man wunderbar nachlesen; das würde ich Ihnen empfehlen, (Jörg Rohde (FDP): Das werde ich tun!) übrigens keine Rücksicht auf die Tarifautonomie und auf die Interessen und formulierten Positionen der Tarifvertragsparteien genommen, sondern gegen deren Rat das Schlechtwettergeld abgeschafft. Was war das Ergebnis? Das Ergebnis war und ist ein Anstieg bei der saisonalen Arbeitslosigkeit in den Bauberufen. Unter dem Strich wurden die Beschäftigten und die Bundesanstalt für Arbeit zusätzlich belastet. Vor allem die SPD, aber auch die Grünen haben 1995 die Abschaffung des Schlechtwettergeldes lautstark und völlig zu Recht kritisiert. Während ihrer Regierungsverantwortung in den letzten sieben Jahren hat Rot-Grün den Missstand dann aber lediglich weiter verwaltet. In sieben Jahren hat Rot-Grün es nicht fertig gebracht, eine Absicherung für die Beschäftigten zu schaffen, die im Prinzip dem alten Schlechtwettergeld entsprochen hätte. Im Gegenteil: Mit der Hartz-III-Gesetzgebung haben Sie die Beschäftigten im Baugewerbe deutlich schlechter gestellt. Ab Februar 2006 könnten die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer - es sind überwiegend aber Arbeitnehmer - schrittweise ihre Ansprüche auf Arbeitslosengeld I verlieren und trotz regelmäßiger Wiederbeschäftigung zu Beziehern von Arbeitslosengeld II werden. Die Misere, die mit der Abschaffung des Schlechtwettergeldes unter Schwarz-Gelb eingeleitet wurde, hat Rot-Grün mit Hartz III ohne Not zugespitzt. Das alles muss man wissen, wenn sich CDU/CSU und SPD jetzt mit dem vorliegenden Gesetzentwurf um Abhilfe bemühen. Ich sage es, um kein Missverständnis aufkommen zu lassen, noch einmal: Wir begrüßen die Zielsetzung des Gesetzesvorhabens. Aber die Lernkurve wir haben vorhin etwas über die lernende Gesellschaft gehört , von der Abschaffung des Schlechtwettergeldes bis zu seiner Wiedereinführung durch die Hintertür, ist mit zehn Jahren nach meinem Verständnis deutlich zu lange ausgefallen. (Beifall bei der LINKEN) Es waren zehn Jahre, in denen das Leben vieler am Bau beschäftigter Menschen überflüssigerweise dadurch erheblich verschlechtert wurde, dass ihnen die heutigen Koalitionäre den notwendigen Schutz vor Arbeitslosigkeit im Winter verwehrt haben. Es war und ist falsch, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei saisonalen Auftragsschwankungen betriebsbedingte Kündigungen zustellen zu lassen. Es war und ist falsch, diese gekündigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer immer wieder neu zur Agentur für Arbeit zu schicken und Arbeitslosengeld beantragen zu lassen. Es war und ist falsch, dass die Agenturen für Arbeit gezwungen werden, sich in diesen Fällen mit Arbeitnehmern zu beschäftigen, die weder gefordert noch gefördert werden müssen. Ihre Arbeitsmarktpolitik gibt vor, dem Leitbild des Forderns und des Förderns zu folgen. Das ist ein Missverständnis und geht zulasten der betroffenen Menschen. Weder die Abschaffung des Schlechtwettergeldes noch die Hartz-Reformen insgesamt folgen tatsächlich diesem Motto. Sie folgen der Maxime des Forderns und Hoffens. Im Fall der Beschäftigten am Bau haben Schwarz-Gelb und Rot-Grün in der Vergangenheit die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufgefordert, sich ganzjährig um Arbeit zu bemühen und gleichzeitig gehofft, dass der Winter ausfällt. (Beifall bei der LINKEN) Statt eine solche Fata Morgana zu beschwören und sich zehnjährige Auszeiten in der Wahrnehmung einfachster Zusammenhänge zu leisten, ist eine den Realitäten angemessene Absicherung der Beschäftigungsrisiken von saisonabhängigen Beschäftigten notwendig. Das gilt bei diesem Thema und das gilt für die Arbeitsmarktpolitik als Ganzes. Wir werden uns an dieser Debatte konstruktiv beteiligen. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN)