Zum Jahresabrüstungsbericht 2009
- es gilt das gesprochen Wort ! -
Sehr geehrter Herr Präsident!
Meine Damen und Herren!
Abrüstung muss doch zu Hause anfangen. Nehmen wir die Waffenexporte. Ich finde es grauenhaft, dass kein anderes Land in Europa so viel Waffen exportiert wie Deutschland. Es ist kein totes Metall, das da verkauft wird, sondern diese Waffen töten, jeden Tag. In praktisch jedem Krieg und in jedem Bürgerkrieg auf der Welt werden deutsche Maschinengewehre eingesetzt, manchmal auf beiden Seiten. Es ist verlogen, hier über Abrüstung zu reden und gleichzeitig für viele Milliarden Euro andere Länder aufzurüsten.
Wenn jemand sagt, an den Waffenexporten hingen viele Arbeitsplätze, dann kann ich nur sagen: Wir wollen Arbeit schaffen ohne Waffen.
Wir haben noch eine Vision. Wir haben die Vision einer Welt, die frei ist von Waffen. Wir haben die Vision einer Welt, die frei ist von Atomwaffen und Kriegen.
Helmut Schmidt soll einmal gesagt haben: Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen. - Ich weiß nicht, ob er das wirklich ernst gemeint hat; falsch ist es auf jeden Fall. Ich sage: Wenn jemand Visionen hat, dann soll er nicht zum Arzt gehen, sondern auf die Straße, jetzt zum Ostermarsch und jeden Tag, immer wieder, bis wir endlich eine Welt ohne Atomwaffen und frei von Kriegen haben.
Damit komme ich zu Ihrem Antrag zur atomaren Abrüstung. Erst einmal muss ich sagen: Ich finde ihn wirklich bemerkenswert.
Ich freue mich ganz aufrichtig, dass auch die CDU/CSU jetzt die Forderung nach atomwaffenfreien Zonen unterstützt. Besonders freue ich mich, dass nun alle fünf Fraktionen im Bundestag dafür eintreten, dass endlich die letzten US-amerikanischen Atomwaffen aus Deutschland abgezogen werden.
Aber da Sie selbst regieren, frage ich Sie: Wann? Wenn Sie es wirklich wollen, kann das doch innerhalb kürzester Zeit passieren. Nennen Sie ein konkretes Datum: Abzug aller amerikanischen Atombomben noch in diesem Jahr. Punkt. Denn Abrüstung kann doch nur funktionieren, wenn sie ganz konkret und ganz verbindlich ist.
Einiges in dem Antrag finde ich gut, sogar sehr gut; anderes finde ich aber eher bedenklich. Sie wollen immer noch nicht auf den Ersteinsatz von Atomwaffen verzichten. Wie kann das zusammengehen, wenn Sie einerseits eine atomwaffenfreie Welt fordern und andererseits immer noch daran festhalten, anderen Ländern mit dem Ersteinsatz von Atomwaffen zu drohen? Das passt nicht zusammen.
In einem Punkt hat sich ein richtig kapitaler Fehler in den Antrag eingeschlichen. Da kann ich nur sagen: Hätten Sie mal mit uns geredet! Wir haben vor fünf Monaten den ersten Antrag zur atomaren Abrüstung eingebracht. Dann haben Sie von den anderen vier Fraktionen sich zusammengesetzt, ohne mit uns zu reden. Ich finde das ziemlich kleinkariert, aber das ist Ihr gutes Recht. Wenn ich jetzt diesen peinlichen Fehler in dem Antrag sehe, muss ich sagen: Ein bisschen mehr Expertise hätte Ihnen gutgetan.
Wenn ich den Antrag genau lese, komme ich zu dem Schluss, dass Sie darin den engsten Verbündeten der Bundesrepublik England, Frankreich und den USA mit Sanktionen drohen. Dazu muss man eines wissen Herr Westerwelle hat es vorhin erklärt : Der Atomwaffensperrvertrag kennt zwei Ländergruppen. Die einen haben Atomwaffen; die anderen haben keine Atomwaffen. Die einen haben sich verpflichtet, abzurüsten; die anderen haben sich verpflichtet, überhaupt keine Atomwaffen zu erwerben.
Es gibt fünf Länder, von denen wir ganz sicher wissen, dass sie ihre Verpflichtungen nach dem Atomwaffensperrvertrag nicht erfüllt haben. Das sind die fünf offiziellen Atomwaffenstaaten China, Russland, England, Frankreich und die USA. Seit Jahren tun sie nichts, aber auch gar nichts für die atomare Abrüstung. Alle Experten in der Welt sind sich einig, dass das eine gravierende Verletzung des Atomwaffensperrvertrages ist.
Jetzt fordern Sie in Ihrem Antrag unter der Nr. 10 Sanktionen gegen alle Länder, die den Atomwaffensperrvertrag verletzt haben.
Ich weiß nicht, wie das in London, Paris und Washington aufgenommen wird.
Sie werden natürlich sagen: Die sind gar nicht gemeint. Wir meinen nur die Länder, die noch gar keine Atomwaffen haben, die erst welche erwerben wollen. Dazu muss ich Ihnen sagen: Diesen Unterschied kennt das Völkerrecht nicht. Vor dem Völkerrecht sind alle Verpflichtungen gleich. Danach haben die Atomwaffenstaaten nun einmal die Verpflichtung, abzurüsten, und die haben sie gebrochen.
Das ist auch der Grund dafür, dass wir diesem Antrag ich muss sagen: leider nicht zustimmen können.
Ich hätte es gern gesehen, dass wir als gesamter Bundestag diesem Antrag zustimmen. Aber mit diesem Punkt zu den Sanktionen geht das nicht.
Sie meinen mit den Sanktionen natürlich den Iran. Ich sage Ihnen: Da gehen Sie einen ganz gefährlichen Weg. Wer jetzt immer mehr Sanktionen gegen den Iran fordert, der kommt in eine Eskalation, die er nicht mehr stoppen kann. Das Ganze erinnert mich fatal an das Jahr 2002. Damals wurden die Drohungen gegen den Irak immer mehr verschärft, und am Ende hatten wir einen Krieg, den keiner hier mehr stoppen konnte. Ich sage Ihnen als jemand, der jahrelang auf dem Gebiet der Abrüstung gearbeitet hat, auch bei den Vereinten Nationen: Hören Sie auf, mit Sanktionen zu drohen und kehren Sie an den Verhandlungstisch zurück!
Eine atomwaffenfreie Welt werden Sie nie, aber auch nie mit Sanktionen und Drohungen durchsetzen, sondern nur mit Verhandlungen.
Ich bedanke mich.