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Bundesweiten Aktionsplan für eine gemeinnützige Wohnungswirtschaft auflegen

Rede von Heidrun Bluhm-Förster,

Rede von Heidrun Bluhm, Sprecherin für den ländlichen Raum der Fraktion DIE LINKE in der Ersten Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE mit dem Titel „Bundesweiten Aktionsplan für eine gemeinnützige Wohnungswirtschaft Auflegen“ (Drs.-Nr. 18/7415) sowie dem Antrag von Bündnis 90/ DIe Grünen mit dem Titel "Die neue Wohnungsgemeinnützigkeit – fair, gut und günstig wohnen" (18/8081)

Heidrun Bluhm (DIE LINKE):

Guten Morgen, sehr geehrter Herr Präsident! Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen uns heute mit dem Antrag, den wir vorgelegt haben, der Wohnungsgemeinnützigkeit zuwenden. Ich denke, dass wir mit diesem Antrag im gesamten Parlament offene Türen einrennen; denn selbst der Kollege Ullrich von der CDU/CSU-Fraktion hat in seiner Rede am 28. Januar angeregt – ich zitiere –, „über Fragen der Gemeinnützigkeit im Wohnungsbau“ nachzudenken.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aus dessen Mund eine Drohung!)

Die Sinnesäußerung des Kollegen Ullrich hat der Kollege Groß dann auch noch untersetzt, indem er zum Ausdruck brachte: „Ja, tun wir das, machen wir das …“

Wir haben das gemacht.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Ergebnis ist der Antrag, der Ihnen heute vorliegt.

Meine Damen und Herren, seit langem schon denkt man bei uns in der Fraktion und in außerparlamentarischen Kreisen, insbesondere auch beim Mieterbund, darüber nach, wie aus einer jahrzehntelangen wohnungspolitischen Agonie der Bundesregierung aktiv sozial gestaltende Wohnungspolitik gemacht werden könnte. Auch die Grünen sind in das Thema eingestiegen und haben dazu – wie wir – ein wissenschaftliches Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben, das nun vorliegt, und ebenfalls heute einen entsprechenden Antrag vorgelegt. All das sollten aus meiner Sicht optimale Voraussetzungen dafür sein, heute hier in dieser Frage den Durchstoß zu machen und endlich dafür Sorge zu tragen, dass im Interesse von Millionen Mieterinnen und Mietern, die verzweifelt nach bezahlbarem Wohnraum suchen, eine neue, sozial orientierte Wohnungspolitik auf den Weg gebracht werden kann –

(Beifall bei der LINKEN)

wohlgemerkt: Wohnungspolitik im Interesse von Millionen Mieterinnen und Mietern, nicht Wohnungsmarktpolitik im Interesse von Millionären oder Immobilienspekulanten, die nach Subventionen schreien und nachher, wenn sie mit Subventionen investiert haben, auch noch die Mieterinnen und Mieter zur Kasse bitten. Das ist es nämlich, was die Bundesregierung seit der Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit 1990 eingeleitet und mit der Föderalismusreform 2006 zementiert hat.

Die Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit war die Abkehr von der Idee einer sozialen Marktwirtschaft und damit die Hinwendung zum blanken Neoliberalismus auch in der Wohnungspolitik. Sie war eben nicht, wie immer kolportiert wird, durch den Skandal um die Neue Heimat gerechtfertigt. Der diente eigentlich nur als Vorwand, um die Abschaffung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes durchzusetzen, und zwar entgegen den Empfehlungen zweier Untersuchungsausschüsse – einer des Bundestages und einer des Landtags NRW –, gegen die Abstimmung im Bundesrat, gegen den Widerstand der gemeinnützigen Wohnungsunternehmen und gegen die öffentliche Bestandsgarantie des damaligen Bauministers Schneider.

Der ehemalige Bauminister Ravens hat die Auswirkungen der beabsichtigten Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit schon 1987 geradezu beschwörend auf den Punkt gebracht – ich zitiere ihn –:

Die Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit wäre m. E. nicht nur wohnungspolitisch falsch, sie wäre auch wirtschaftspolitisch eine schlichte Dummheit. Über das Wohngeld würde der Staat zu einem Vielfachen von dem an Subventionen gezwungen, was die Gemeinnützigkeit an Steuerausfällen kostet.

Er hat ja so Recht behalten. Und dennoch: Schon damals, genau wie heute, hat sich der Finanzminister gegen den Bauminister durchgesetzt. Oder sollte man besser sagen: Die kleine, aber starke Lobby der privaten Wohnungswirtschaft hat die Wohnungspolitik einkassiert und bestimmt von da ab den politischen Kurs, gegen jeden volkswirtschaftlichen und sozialpolitischen Sachverstand, mit desaströsen Folgen, die sich seither aufgebaut haben und mit denen wir uns heute auseinanderzusetzen haben.

Der Wegfall der Wohnungsgemeinnützigkeit hat sprunghafte Mietsteigerungen und einen bis heute anhaltenden Mieterhöhungswettbewerb ausgelöst. Der soziale Wohnungsbau wurde drastisch zurückgefahren und konnte den Verlust an sozial gebundenen Wohnungen nicht mehr ausgleichen. Durch 25 Jahre uneingeschränkte Marktherrschaft hat sich damit eine krisenhafte Situation auf dem Wohnungsmarkt aufgebaut, in der sich 7,1 Millionen Mieterhaushalte darum reißen, in den noch bestehenden 1,4 Millionen verbliebenen Sozialwohnungen wohnen zu dürfen. Das sind alarmierende Missverhältnisse. Das hat die Pestel-Studie bereits im Jahre 2012 aufgezeigt, also schon lange, bevor unser Problem auf dem Wohnungsmarkt durch die Flüchtlinge noch weiter verschärft wurde.

Der Markt alleine wird es eben nicht richten. Deshalb braucht er ein Korrektiv, einen Sektor in der Wohnungswirtschaft, der nicht nur naturgemäß renditegetrieben, sondern vor allem dem Gemeinwohl verpflichtet ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Wie es sie in vielen anderen europäischen Ländern gibt – ohne dass das von der Europäischen Kommission oder vom Europäischen Gerichtshof als wettbewerbsfeindlich oder beihilferechtlich bedenklich eingestuft wäre –, brauchen wir auch in Deutschland eine neue gemeinnützige Wohnungswirtschaft. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat gerade, wie für den heutigen Tag bestellt, unter dem Titel „Gemeinnütziger Wohnungsbau in EU-Mitgliedstaaten“ eine umfängliche Sachstandsanalyse vorgelegt. Ich empfehle Ihnen, diese zu lesen.

So wie wir das in dem hier vorliegenden Antrag beschrieben und ausführlich erläutert haben, soll die neue gemeinnützige Wohnungswirtschaft Menschen mit geringen und unsicheren Einkommen und Personen, die aus anderen Gründen als Marktteilnehmer diskriminiert werden, mit bedarfsgerechten, bezahlbaren Wohnungen versorgen. Die gemeinnützige Wohnungswirtschaft soll sich dauerhaft gemeinnützigen Wirtschaftsgrundsätzen verpflichten wie der Mietpreisbindung auf Grundlage des Kostendeckungsprinzips, einer Beschränkung des Geschäftskreises auf die Zielgruppe mittlerer und niedriger Einkommen sowie einer strikten Vermögens- und Zweckbindung. Im Gegenzug soll sie dauerhaft – das ist vor allem wichtig – Aufgaben im öffentlichen Interesse übernehmen und dafür mit öffentlichen Privilegien ausgestattet werden.

Wir denken, dass eine Privilegierung der neuen gemeinnützigen Wohnungsunternehmen wie folgt aussehen könnte: eine Körperschaftsteuerbefreiung, eine ganze oder teilweise Befreiung von der Gewerbesteuer, ein reduzierter Umsatzsteuersatz bei der Herstellung und Erhaltung von sozialen Wohnbauten, ein bevorzugter Zugang zu Städtebaufördermitteln und öffentlichen Grundstücken und gegebenenfalls eine Grunderwerbsteuerbefreiung. So wären Bund, Länder und Kommunen bei der Förderung gleichermaßen heranzuziehen. Diese zunächst zusätzlichen Aufwendungen der öffentlichen Hand und die aus Steuerbefreiungen resultierenden Steuermindereinnahmen führen auf der anderen Seite zu erheblichen Einsparungen beim Wohngeld, bei den Kosten der Unterkunft und anderen Transferleistungen, sodass sich unter dem Strich betriebs- und volkswirtschaftlich eine Win-win-Situation für alle Beteiligten ergeben würde. Und nicht nur das: Menschen, die bisher auf eben diese Zuwendungen angewiesen sind, müssen sich nicht mehr als Verlierer, als Bittsteller oder als Almosenempfänger vorkommen. Kommunen hätten wieder die Möglichkeit, aktiv gestaltete Daseinsvorsorge zu betreiben.

Meine Damen und Herren, der Unterschied zur alten Gemeinnützigkeit und zu bisherigen Marktanreizprogrammen besteht darin, dass öffentliche Mittel dauerhaft im öffentlichen Interesse genutzt werden und im gemeinnützigen Zweckbetrieb verbleiben. Die Sozialbindung der gemeinnützigen Wohnungen soll daher nicht wie bisher an befristete Förderungen oder zinsverbilligte Kredite gebunden werden – was heute ohnehin kein besonderer Anreiz ist –, sondern sie soll dauerhaft dinglich, also auch durch Grundbucheintrag, gesichert werden, damit nicht – wie bisher üblich – über kurz oder lang öffentliche Gelder am Ende in privaten Taschen landen.

Natürlich bedarf ein solcher gemeinnütziger Sektor in der Wohnungswirtschaft – auch das ist eine Lehre aus der Geschichte der gemeinnützigen Wohnungsunternehmen – einer starken, transparenten innerbetrieblichen und öffentlichen Kontrolle.

Meine Damen und Herren, in den Eckpunkten zum Haushalt 2017 werden weitere Haushaltsmittel für den Wohnungsbau und die „Soziale Stadt“ in Höhe von 800 Millionen Euro im Jahr veranschlagt. Dieses Geld, kombiniert mit dem Geld, das bereits heute im Haushalt 2016 für den sozialen Wohnungsbau steht, wäre eine Anschubfinanzierung, die zwar noch nicht in der Höhe wäre, wie wir sie gern hätten, aber eine Anschubfinanzierung, um die Gemeinnützigkeit tatsächlich herzustellen.

(Beifall bei der LINKEN)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Frau Kollegin.

Heidrun Bluhm (DIE LINKE):

Meine Damen und Herren, mein letzter Satz. Die Haltung der demokratischen Parteien zur Wohnungsgemeinnützigkeit – das prophezeie ich Ihnen schon heute – wird spätestens im Bundestagswahlkampf im nächsten Jahr ein wesentliches Entscheidungskriterium für die Wählerinnen und Wähler dabei sein, wem sie ihre Stimme schenken.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)