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Queer-Filmtipp: Ich bin Anastasia

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Ein Dokumentarfilm von Thomas Ladenburger.

Als Mark Biefang das erste Mal laut sagte „Ich bin Anastasia“ war er/sie schon 40 Jahre alt. Das war 2014. Der Mann wollte endlich auch äußerlich sichtbar sein als das, was er seit der Pubertät fühlte - als Frau. Kein einfacher Weg. Nicht für sich selbst, nicht für die Eltern und Geschwister, nicht für die Ehefrau, und schon gar nicht für das berufliche Umfeld. Sein Job, damals wie heute -  die Bundeswehr. „Männerdominiert“, wenn auch längst für Frauen offen. Aber für Transgender? Biefangs damaliger Rang: Oberstleutnant, akademische Laufbahn, vorgesehen als Chef/Chefin von 780 Soldatinnen und Soldaten eines Informationstechnikbataillons in Storkow, im Land Brandenburg, in der sogenannten Provinz.

Wie geht das? Wie bekommt man das hin? Wie steckt man Klischees und Skepsis weg? Auch diese Haltung: „Sollen wir uns jetzt von einer Transe kommandieren lassen?“ Dazu die Frage: Wenn ich mich oute, wird es einen Karriereknick geben? Nach über 20 Jahren in der Bundeswehr?  In einem Job, den Anastasia Biefang liebt und bis heute „keinen einzigen Tag darin bereut“. In Potsdam, auf der großen Wiese hinter dem Gebäude des Landeszentrale für politische Bildung, erzählt Anastasia Biefang von alldem. Eigentlich sollte auch der abendfüllende Kinofilm „Ich bin Anastasia“ vorweg gezeigt werden. Die Vorführung fiel aus, denn noch immer verhindert Corona, dass viele Menschen dicht an dicht zukommen dürfen. Aber sie, die Bataillonschefin war da und stellte sich den Fragen des Publikums, das zwischen den Stühlen den gebührenden Abstand ließ. Anastasia Biefang ist raumgreifend und erfrischend. Lange, dunkelblonde Haare, groß, es fehlen nur drei Zentimeter an Ein-Meter-Neunzig, eloquent, witzig, nachdenklich. Sie spricht von den vielen Anträgen, die gestellt werden müssen, um das zu sein, was sie ist. Von den langen Wartezeiten bis zur Genehmigung aller Therapien, Behandlungen und Operationen. Von der „Macht der Gutachter“, von denen abhängt, ob sie am Ende als „staatlich geprüfte Frau“ leben darf. Und sie fragt, „warum sie überhaupt vor dem Staat beweisen muss, eine Frau zu sein“. Anastasia Biefang ist klug, sie ist reflektierend, sie ruht in sich, das strahlt sie auch aus. Sie hat dieses sich „nackt“ machen müssen vor Behörden und Institutionen ausgehalten. Emotional und körperlich. Ohne Stolpersteine ging es trotzdem nicht. Und davon erzählt der Dokumentarfilm über sie. Thomas Ladenburger hat ihn gedreht. Ein Film, der viele private bis intime Momente hat. Ein Film, in dem Frauen und Männer in Uniform von der langsamen Annäherung an die Chefin in sprechen. Von Skepsis ist die Rede, genauso wie von Respekt. Und von viel Unwissen über Transition. Das macht „Ich bin Anastasia“ so sehenswert. Die 95 Minuten erzählen unaufdringlich von einem lange versteckten und seit drei Jahren nun endlich offenen Leben. Der Streifen kommt komplett ohne Kommentar aus, die Bilder sprechen und vor allem Menschen, die sich mit und durch Anastasia verändert haben. Sowohl privat als auch beruflich. Gestützt wurde dieses Filmprojekt durch keine einzige öffentliche Filmförderung. Nur die Antidiskriminierungsstelle des Bundes und die erste linke Gleichstellungsbeauftragte im Land Brandenburg, Monika von Lippe, gaben Finanzspritzen für ein Thema, das unbedingt mehr Öffentlichkeit braucht. Ab September gibt es „Ich bin Anastasia“  übrigens auf DVD.

Mehr dazu unter www.ich-bin-anastasia.de
      
Gisela Zimmer