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Ein Taschenrechner liegt neben Euroscheinen und -münzen und zeigt im Display Kohleausstieg an © iStock/Stadtratte

Strukturwandel, Kohleausstieg, Beschäftigungsgarantie und Einkommenssicherung

Positionspapier,

Positionierung der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag zum Kohleausstieg und den dazu notwendigen struktur- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen für die betroffenen Regionen. 


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Ein zügiger und sozial abgesicherter Kohleausstieg ist unausweichlich. Die Bundesrepublik muss einen angemessenen Beitrag zur Erfüllung der international vereinbarten Klimaziele leisten. Der notwendige Kohleausstieg ist mit einer staatlichen Weiter-Beschäftigungsgarantie in einem anderen Bereich für die in der Kohleindustrie Beschäftigten und mit umfassenden struktur- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen für die Regionen zu begleiten.

DIE LINKE unterstützt die Klimabewegung und kümmert sich gleichzeitig um die Sorgen der Beschäftigten. Das ist kein Widerspruch. Ein Kohleausstieg bei gleichzeitiger Garantie guter Arbeit für die Kumpel ist der richtige Weg. Klar ist auch: Zukunftsfähige Beschäftigung in den Revieren gibt es nur mit und nicht gegen den notwendigen Strukturwandel.

Um die Klimaschutzziele zu erreichen, unterstützt DIE LINKE einen Kohleausstieg, bei dem die letzten Meiler spätestens zwischen 2030 und 2035 abgeschaltet werden. DIE LINKE schlägt zudem die Still­legung der 20 ältesten Braunkohlekraftwerke bis 2020 vor. Ein späterer Beginn macht die Klimaschutzziele schmerzhaft und teuer. Zudem brauchen die Menschen in den Regionen schon jetzt Klarheit und die Beschäftigten eine Perspektive. Darum sind in einem Kohleausstiegsgesetz nicht nur der Ausstiegspfad, sondern auch die Rahmendaten für die kohleausstiegsbedingte Strukturwandelförderung gesetzlich zu verankern.  Die finanziellen Verpflichtungen der Betreiber der Braunkohletagebaue und -kraftwerke sind zu definieren und abzusichern, damit nicht die Allgemeinheit, insbesondere die  Länder auf den Kosten für Sanierung und Rekultivierung sitzen bleiben.

Aufgrund ihrer späten Einsetzung, ihres Arbeitsauftrages, ihrer Zusammensetzung sowie ihrer vorgesehenen Arbeitsweise droht die von der Bundesregierung eingesetzte „Kommission Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ (Kohlekommission) zu einem Instrument zu werden, das den Einstieg in den Kohleausstieg weiter verzögert. Es gibt lediglich zehn weibliche Mitglieder, im Vorsitz steht eine Frau drei Männern gegenüber. Nur vier Mitglieder kommen aus den neuen Bundesländern. Zudem ist es inakzeptabel, dass weder Vertreter*innen der Partei DIE LINKE noch des Mitteldeutschen Braunkohlereviers im Gremium vertreten sind.

Insbesondere in Ostdeutschland haben die Menschen Angst, dass sich die Situation der frühen 1990er Jahre wiederholt, in der Betriebe über Nacht geschlossen wurden, Menschen in vielen Regionen zu Tausenden auf der Straße standen, und es keinerlei wirksame Unterstützung seitens der herrschenden Politik gab. Das darf sich nicht wiederholen. Insbesondere die Lausitz benötigt beim Kohleausstieg Unterstützung. Die Braunkohle spielt hier bei Beschäftigung, Wertschöpfung und Steueraufkommen im Vergleich zu den anderen Braunkohlerevieren eine deutlich größere Rolle. Zudem ist die Lausitz nicht von wirtschaftlich starken Ballungsräumen oder einer Großstadt umgeben wie etwa das rheinische oder mitteldeutsche Revier. Auch wenn die demografische Entwicklung in der Lausitz auf einen erheblichen Fachkräftemangel im nächsten Jahrzehnt hindeutet, der wegfallende Beschäftigung in der Braunkohle kompensieren kann: Soll der Strukturwandel wirklich gelingen, benötig er neben einem neuen identitätsstiftenden Leitbild tragfähige Ideen und ausreichende finanzielle Mittel zu ihrer Umsetzung.

Eine ihrer Ausgangslage angemessene Unterstützung steht auch dem rheinischen, dem mitteldeutschen und dem Helmstädter Revier zu. Die Mittel dafür sind vorhanden und vom Bund bereitzustellen, schließlich sind im Zuge des Ausstiegs aus dem Steinkohlebergbau ebenfalls Milliarden ins Ruhrgebiet und ins Saarland geflossen.

DIE LINKE strebt beim Kohleausstieg eine staatliche Weiter-Beschäftigungsgarantie an. Wenn der Staat durch sein Handeln einen Strukturwandel herbeiführt, bei dem Arbeitsplätze wegfallen, muss er den Beschäftigten auch eine verlässliche Perspektive bieten. Diese Beschäftigungsgarantie soll den in der Braunkohleindustrie direkt Beschäftigten eine Weiterbeschäftigung in neuen Jobs zu gleichen Konditionen garantieren,  zum Beispiel in einer staatlichen Gesellschaft. Die Bundesregierung schließt mit den Betreibern der Braunkohletagebaue und -kraftwerke einen Vertrag, der die Arbeitsplatzsicherung für Kumpel gewährleistet, ohne die Betreiber von ihren Pflichten zur Sanierung der Tagebaue sowie von ihren finanziellen Verpflichtungen zu entheben. Dadurch sollen betriebsbedingte Kündigungen verhindert werden. Die Vertragsgestaltung soll in enger Abstimmung mit den zuständigen Gewerkschaften erfolgen. Zusätzliche Instrumente wie Altersteilzeit oder Vorruhestand sind zu nutzen. Zudem sind durch den Bund Mittel zur Verfügung zu stellen, die mit dem Kohleausstieg verbundene Lücken bei Einkommen oder Altersbezügen der Beschäftigten angemessen schließen.  

Neben dem Arbeitsplatzverlust der unmittelbar in der Braunkohle Beschäftigten fürchten viele Menschen in den Regionen, dass sie weiter abgehängt werden, dass Arbeitsplätze bei Zulieferern und Dienstleistern für den Bergbau sowie Wertschöpfung verloren geht. DIE LINKE setzt sich deshalb dafür ein, in den Kohleregionen umgehend und umfassend mit der Unterstützung des Strukturwandels zu beginnen. Hierzu ist es unerlässlich, massive Investitionsprogramme zu starten. Ziel dieser Investitionsprogramme soll es sein, in den Revieren starke Industriestandorte zu erhalten bzw. aufzubauen. Beispielsweise soll die Lausitz Energieregion bleiben und zum Kompetenzstandort für Erneuerbare Energien werden. Ferner sind die bestehenden Industrieparks mit konkreten Beschäftigungszielen so weiter zu entwickeln, dass dort zusätzliche nachhaltige Arbeitsplätze entstehen. Die wertvollen Kompetenzen der Braunkohlewirtschaft bei Bergbausanierung und Hydrogeologie können auch zukünftig gebraucht werden.

Es geht aber nicht nur um Wirtschaftsförderung, auch weiche Standortfaktoren sind entscheidend. So etwa die Qualität der kulturellen, verkehrlichen, digitalen, wissenschaftlichen Infrastruktur. Gerade für ihre Entwicklung in den Umbruch-Revieren hat der Bund eine Verantwortung. Stichworte beispielsweise für die Lausitz wären der Ausbau der Bahnverbindungen von Cottbus bzw. Görlitz und Dresden nach Berlin, Weißwasser, Senftenberg und Hoyerswerda, eine bessere Anbindung der Region an polnische Ballungsräume und Oberzentren. Dafür ist die Verkehrsplanung für die Lausitz zu beschleunigen. Weitere Stichworte sind der Ausbau des Breitbandnetzes oder die Ansiedlung eines Forschungsinstituts. Der Ansiedlung von Bundesbehörden in der Region kommt eine besondere Bedeutung zu. Nur zehn Prozent der Bundesbehörden sind in Ostdeutschland ansässig. Das ist inakzeptabel und muss sich dringend ändern. Die Reviere müssen zudem Mittel haben, um zivilgesellschaftliche, kleinkulturelle, touristische und experimentelle Initiativen unterstützen zu können.

Zur Finanzierung des Strukturwandels fordert DIE LINKE für die Reviere vom Bund insgesamt 500 Mio. Euro jährlich. Die Vergabe soll mit einer relevanten und festgesetzten Reduzierung der Kohleverstromung im jeweiligen Revier einhergehen. Die Aufteilung der Mittel zwischen den Revieren sollte die sonstige Wirtschaftskraft der Regionen angemessen berücksichtigen.

Die Gelder müssen langfristig, über die jetzige Regierungsperiode hinaus, zur Verfügung stehen und dürfen nicht kurzfristig in Prestigeprojekte verpulvert werden. Wir schlagen vor, Stiftungen in jeder Kohleregion zu gründen, die Gelder des Bundes verwalten und mindestens 20 Jahre sichern. Die Stiftungen müssen demokratisch verfasste Beiräte haben, die transparent über die Mittelvergabe entscheiden und in denen auch die Zivilgesellschaft angemessen vertreten ist. Der Zugang zu den Mitteln muss ferner auch für zivilgesellschaftliche nichtkommerzielle Projekte sowie für finanzschwachen Kommunen und für Projekte des Klein- und Mittelstandes reserviert werden.

Die Bergbaufolgekosten dürfen nicht auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. Daher ist von der Bundesregierung und den Landesregierungen durch geeignete Instrumente sicherzustellen, dass die künftigen Ausgaben für Stilllegung, Rückbau, Renaturierung bzw. die Regulierung dauerhafter Schäden, wie dem Absenken des Grundwasserspiegels durch die Braunkohlenutzung oder die Sulfat- und Eisenocker-Problematik, von den derzeitigen Betreibern der Tagebaue voll gedeckt werden, sofern diese dafür nach geltendem Recht verantwortlich sind. Auch im Insolvenzfall müssen die Mittel für Bergbaufolgekosten im vollen Umfang zur Verfügung stehen. Die Sicherung kann in Form einer Zahlung von Sicherheitsleistungen erfolgen oder der Einrichtung öffentlich rechtlicher Fonds, in die die Betreiber angemessen einzuzahlen haben.

DIE LINKE verlangt für die Dauer der Arbeit der Kohlekommission ein Moratorium für alle landesplanerischen, genehmigungsrechtlichen, bergbaulichen oder infrastrukturellen Maßnahmen, die entweder zu einer Ausweitung von aktiven Tagebauen bzw. zu neuen Tagebauen oder zu irreversiblen Schäden am Naturhaushalt in bislang nicht in Anspruch genommenen Flächen führen. Für uns ist klar: Welzow II wird  nicht aufgeschlossen und der Hambacher Forst darf nicht gerodet werden. Kein Dorf darf mehr der Braunkohle zum Opfer fallen.


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