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Blau angestrichene Backsteinwand mit EU-Sternen © iStockphoto.com/sigurcamp

Starke soziale Rechte überall, für alle!

Positionspapier,

Wir fordern einen neuen politischem Rahmen, der die Abkehr vom zerstörerischen Kurs des Neoliberalismus erlaubt und jene Maßnahmen ermöglicht, die zur Überwindung der Krise gebraucht werden: Eine strenge Finanzmarktregulierung, eine europaweit koordinierte Vermögenssteuer, breit angelegte öffentliche Investitionen in zukunftsfähige und ökologische Wirtschaftszweige und ein Rettungsprogramm für Menschen und kleine und mittlere Unternehmen, statt für Großbanken! 


Positionspapier zur „europäischen Säule sozialer Rechte“

der AG Europa der Bundestagsfraktion, 
AK VI - Arbeitskreis Außenpolitik und Internationale Beziehungen
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Bereits im September 2015 hat Kommissions-Präsident Jean-Claude Juncker eine „europäischen Säule sozialer Rechte“ angekündigt. Angesichts massiv gestiegener Armutsquoten, einer eklatanten Jugendarbeitslosigkeit in vielen Mitgliedsstaaten, immer mehr Menschen, die über einen unzureichenden Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen klagen und einem zunehmenden Obdachlosigkeitsproblem, gibt es an sozialen Rechten in Europa einen großen Bedarf.

Seit Junckers Ankündigung wird viel diskutiert und konsultiert. Die anti-sozialen Kürzungsprogramme der Troika gehen derweil ungebremst weiter, ebenso die über Europäisches Semester, Defizit- und Ungleichgewichte-Verfahren, etc. erzwungenen Privatisierungs- und Liberalisierungsprogramme. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) vergibt weiterhin großzügig billige Kredite an Privatbanken und Großkonzerne, wodurch die Vermögen der Reichen weiter aufgebläht, Rentenansprüche entwertet und kleinere Unternehmen verdrängt werden. Investiert wird nicht in Armutsbekämpfung, Arbeit und wirtschaftlichen Aufschwung, sondern vor allem in Bankenrettungsprogramme und militärische Aufrüstung.

All das passiert vor dem Hintergrund der neoliberalen EU-Vertragsgrundlagen, die sämtliche deutschen Bundesregierungen seit der Wiedervereinigung maßgeblich mitgeprägt haben: Der Binnenmarkt-Ansatz bedeutet Angleichung nach unten durch den Abbau der bestehenden Regeln in Bereichen wie Verbraucher- oder Arbeitnehmerschutz, die Verschuldungsregeln des Maastricht-Vertrages bedeuten ständigen Kürzungsdruck und das Beihilfeverbot verhindert gestaltende Eingriffe in die Markt zur Durchsetzung gesellschaftlicher Interessen. Die Statuten der EZB und die fehlende demokratische Kontrolle verhindern, dass die Geldpolitik zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit genutzt wird. In diesem Rahmen sind die Spielräume für eine Politik sozialer Gerechtigkeit sehr klein.

Mit zahlreichen Pakten und Paketen vom Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) über das so genannte Economic Governance Package (6-Pack, 2-Pack) bis zum Fiskalpakt wurde dieser Rahmen im Windschatten der großen Wirtschafts- und Finanzkrise in erster Linie auf deutschen Druck hin weiter gestrafft.

 

Die Vorschläge der Kommission: Lippenbekenntnisse und neoliberales "Weiter So"

Ohnehin ist die EU-Kommission als Vorreiterin zur Verteidigung des Sozialen nicht sonderlich glaubwürdig. Vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) unterstützt sie die juristische Attacke gegen die deutsche Arbeitnehmer-Mitbestimmung und als Teil der Troika die Kahlschlagprogramme in Südeuropa. Gegen den breiten Widerstand aus der Bevölkerung versucht sie Handels- und Investitionsabkommen wie TTIP und CETA durchzusetzen. All das ohne demokratisches Mandat und bei weit geöffneten Türen für Lobbyisten der großen Konzerne und Banken.

So mag es nicht verwundern, dass im Kommissionskonzept für eine Säule sozialer Rechte (abgesehen von der Überschrift) von sozialen Rechten keine Rede ist. Stattdessen will die Kommission mehr Flexicurity – was erfahrungsgemäß vor allem mehr Flexibility (Flexibilität) durch Abbau von Kündigungsschutz etc. bedeutet, während die Security (Sicherheit) für die Beschäftigten hinten runterfällt. Sie will die „Leistungsfähigkeit nationaler Wohlfahrtssysteme“ prüfen und die „Effizienz öffentlicher Ausgaben“ steigern – die Erfahrung zeigt, dass dies in erster Linie auf Ausgabenkürzungen hinausläuft. Sie will der „zunehmenden Alterung der Bevölkerung“ Rechnung tragen – also Renten kürzen und das Eintrittsalter erhöhen. Mit sozialen Rechten hat all das nichts zu tun. Im Gegenteil. Zurecht äußern daher auch Gewerkschaftsverbände wie DGB und EGB (Europäischer Gewerkschaftsbund) in ihren Stellungnahmen deutliche Kritik.

Letztlich läuft die soziale Säule vor allem auf neue Indikatoren und Lippenbekenntnisse hinaus. Man redet, koordiniert, vergleicht und misst. Man ändert aber wenig. Verbindliche, harte und sanktionsbewährte Regeln bleiben der Wirtschafts- und Finanzpolitik vorbehalten. Die Überordnung ökonomischer über soziale Interessen bleibt somit unangetastet. Ganz offenkundig geht es in erster Linie darum, der neoliberalen EU-Politik einen sozialen Anstrich zu geben.

 

Zur Verteidigung und Etablierung sozialer Rechte braucht es einen Neustart der EU!

Für DIE LINKE stehen echte soziale Rechte für alle im Vordergrund. Wir streiten für die Verankerung sozialer Rechte auf allen Ebene: kommunal, national, europäisch und global. Ein wichtiger Schritt hierzu ist die Ratifizierung und Umsetzung der revidierten Sozialcharta des Europarates inklusive des Zusatzprotokolls über Kollektivbeschwerden. Es geht um ein gutes Leben für alle Menschen, um ein Leben in Würde, ohne Armutsrisiko und Existenzangst, mit allgemeinem Zugang zu guter Bildung und mit umfassender Gesundheitsversorgung und Pflege für jene, die die Hilfe der Gesellschaft brauchen. Wir stehen für eine solidarische Gesellschaft. Auf europäischer Ebene ist das heutige Institutionengefüge der EU diesem Anspruch hinderlich.

Die Debatte um die Zukunft der EU wurde mit dem Weißbuch der Kommission jetzt neu eröffnet. Dass die Kommission gleich fünf Szenarien nebeneinanderstellt, entlarvt ihre Planlosigkeit. Dass kein einziges der fünf Szenarien auf starke europäisch verankerte soziale Rechte hinausläuft, zeigt welch nebensächliche Rolle das Soziale für die Kommission spielt. Das Ergebnis der von den Regierungen der wirtschaftlich starken Mitgliedstaaten dominierte Zukunft-Debatte dürfte bereits jetzt an zwei Punkten unverändert absehbar sein: Nationale Parlamente und das EU-Parlament werden weiter an Einfluss verlieren und soziale Rechte und Sicherungssysteme werden weiter unter Druck gesetzt werden. Die soziale Säule ist vor diesem Hintergrund ein durchschaubarer Versuch, die Realität zu verwischen.

Wir fordern, dass soziale Rechte zur Top-Priorität gemacht werden. Wir wollen einen Neustart der EU: Eine soziale Fortschrittsklausel soll in den Verträgen verankert werden, damit soziale Rechte Vorfahrt bekommen vor Profitinteressen. Die Rettung keiner Bank und keiner Währung darf mehr als Ausrede für weiteren Sozialabbau herhalten. Die gegenwärtige Verarmungs- und Rezessionspolitik der EU rettet die europäische Einigung nicht, sondern zerstört sie. Alle politischen Ebenen müssen grundlegend demokratisiert werden. Das bedeutet für die EU-Ebene u.a. eine deutliche Aufwertung des Parlamentes gegenüber der Kommission und eine Demokratisierung der Geldpolitik.

Kurzum: Wir fordern einen neuen politischem Rahmen, der die Abkehr vom zerstörerischen Kurs des Neoliberalismus erlaubt und jene Maßnahmen ermöglicht, die zur Überwindung der Krise gebraucht werden: Eine strenge Finanzmarktregulierung, eine europaweit koordinierte Vermögenssteuer, breit angelegte öffentliche Investitionen in zukunftsfähige und ökologische Wirtschaftszweige und ein Rettungsprogramm für Menschen und kleine und mittlere Unternehmen, statt für Großbanken!