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Position zum von der Bundesregierung geplanten Prostitutionsschutzgesetz

Positionspapier,

Beschluss der Fraktion DIE LINKE vom 14. Oktober 2014

Beschluss der Fraktion DIE LINKE vom 14. Oktober 2014

 

1. Sexkaufverbot oder Legalisierung reformieren? Ein verkürzter Ansatz

2002 wurde Prostitution durch Zuordnung zum Art. 12 GG legalisiert. Die von Prostituiertenverbänden geforderte Aufhebung der Sittenwidrigkeit sollte ein einklagbares Einkommen und den Zugang zu Sozialsystemen  eröffnen, die Stellung von Prostituierten gegenüber Bordellbetreiber/innen, Gewerbeaufsicht, Freiern und Polizei verbessern. 2013 wurde mit einem Appell von Alice Schwarzers die, auch im Koalitionsvertrag vorgeschlagene Freierbestrafung, in die öffentliche Debatte gerückt. Schwarzer skandalisierte zurecht die Herrschaftsstrukturen, in denen Prostitution weltweit stattfindet: die ökonomische Ungleichheit zwischen Männer und Frauen, Regionen und Klasse. All dies wird auch in der Prostitution exemplarisch widergespiegelt. Die Frage, in wieweit unser individueller Umgang mit Prostitution diese Herrschaftsverhältnisse reproduziert, ist berechtigt und wird in der LINKE diskutiert. Eine öffentliche Aufklärung über sexuelle Vielfalt, Selbstbestimmung und bestehende Machtverhältnisse ist aber nur im Sinne von entsprechenden Bildungsressourcen ein Fall fürs Gesetz. Wir stehen im Bundestag vor der konkreten Situation, auf Eckpunkte/Gesetzentwürfe der Bundesregierung zu reagieren und benötigen jetzt eine Positionierung. 

Für uns ist dabei wichtig:

Dass wir nicht an den Betroffenen vorbei, sondern mit  ihnen agieren; ihr Schutz und ihre Rechte gestärkt werden; Stigmatisierung zurückgewiesen und das Thema Menschenhandel und Opferschutz nicht über den Reformbedarf des Prostitutionsgesetzes geregelt werden. Außerdem ist die Strafbarkeit von schweren Menschenhandel und Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung sowie die Ausbeutung einer Zwangslage bereits im StGB geregelt (§181 und §232 StGB).

2. Der politische Reformbedarf des ProstG im einzelnen

Wir orientieren grundsätzlich auf Änderungen in bestehenden Gesetzen und Verordnungen statt Regelungen in einem eigenständigen ProstG/Prostitutiertenschutztgesetz oder Prostitutionsstättengesetz. Darüber hinaus ist zweitens die soziale Absicherung von FreiberuflerInnen generell zu verbessern. Wir müssen drittens die prostitutionsbezogenen Einzelnormen im Strafrecht prüfen.1) Viertens haben wir immer betont, die Bekämpfung des Menschenhandels gehört in kein Prostituiertenschutzgesetz. Bei der Neubestimmung des Bleiberechts sollte die Umsetzung der Istanbuler Konvention geregelt werden und Rechte von Opfern von Menschenhandel durch Entkopplung der Aussagebereitschaft von der Gewährung von Aufenthaltsrechten garantiert werden.

Um mit einer erkennbaren Position in der kommenden Debatte vertreten zu sein, werden wir, wenn der GE vorliegt, einen Entschließungsantrag erarbeiten, der zu folgenden Punkten, Positionen einfordert und begründet.

Erlaubnispflicht/Zuverlässigkeitsprüfung: Das BMFSFJ plant eine Erlaubnispflicht und Zuverlässigkeitsprüfung der Betreiber*innen, Ausnahme ist die Einzelnutzung einer Wohnung. Sperrgebietsverordnungen und Baurechtsnutzungsmaßgaben bleiben wie bisher, das heißt, der Straßenstrich bleibt bußgeldbedroht. Wir lehnen eine Erlaubnispflicht für eine Wohnung, die von drei selbständig arbeitenden Kolleginnen genutzt wird, ab. Die bisherigen Regelungen gehen gerade an selbstverwalteten Modellen und auch an der Vielfalt der Prostitutionsstätten vorbei und schlagen vor:

  1. Erlaubnis ja, kann aber in der GewO geregelt werden, dafür kein Sondergesetz
  2. Einstufung als nichtstörendes Gewerbe – wie Rechtsberatung
  3. Festlegung von Arbeits- und Qualitätsstandards durch berufsständische Vertretungen
  4. Werbeverbot § 119 OwiG sowie § 120 OwiG muss gestrichen werden
  5. Behördliche Nachschau sollte bei Gewerbe- und Ordnungsämter liegen (nicht Polizei)
  6. Anerkennung der Prostitution als freier Beruf statt Zwang in abhängige Beschäftigung (wie es die Bundesregierung vorschlägt ? Stigmatisierung im Beruf und beim Wechsel).
  7. Wegfall der Sperrgebietsverordnungen, Verstoß gegen Artikel  12 GG (freie Berufswahl)

Kontrollrechte: Kontrollen nur durch Gewerbeaufsicht (Eckpunkte des BMFSFJ überlässt die Ausführungen wieder den Ländern, regelt bisher nicht, ob Gewerbeaufsicht oder Polizei kontrolliert).

Registrierung/Meldepflicht: Während das BMFSFJ eine Meldepflicht und eine Meldekarte vorschlägt, die u. a. auch Freier vorzulegen sei, lehnen wir jede Registrierung von Prostituierten als Prostituierte ab. Sexarbeiter*innen sind bereits beim Finanzamt angemeldet. Viele arbeiten anonym und nebenberuflich. Die Registrierung bedeutet für viele Probleme bei der Ausübung des Berufes oder beim Berufsumstieg.

Gesundheitsuntersuchungen: In den Eckpunkten des Ministeriums sind freiwillige Gesundheitsuntersuchungen gefordert. CDU will verpflichtende –  letzteres lehnen wir ab.
Keine Heraufsetzung des Mindestalters.

Wir setzen auf die Verstärkung der Beratungsangebote und Fortführung von Modellprojekten insbesondere für die Straßenprostitution, auf Professionalisierungsangebote seitens der Sexarbeiter*innen.

Freierbestrafung: CDU/CSU will Freierbestrafung einführen, obwohl Ermittlungsbeamte berichten, dass bisher Freier die häufigsten Tippgeber beim Verdacht auf Zwangsprostitution sind. In den Eckpunkten des Ministeriums ist diese prominente Forderung (Schwedisches Modell) entgegen der Ankündigung des Koalitionsvertrags nicht enthalten. Wir lehnen Freierbestrafung ab, da sie auch die Sexarbeiter*innen bestraft, in die Illegalität drängt und zu Abschiebungen führt. . Die Strafbarkeit der Ausnutzung einer Zwangslage ist auch nach heutiger Rechtslage möglich. (StGB).

Aufenthaltsrechte von Opfern von Menschenhandel: Wird im Papier des BMFSFJ nicht ausgeführt, obwohl es im Anspruch auch der Bekämpfung von Menschenhandel dienen soll. Hier haben wir klare Forderungen: Entkopplung der Gewährung des Aufenthaltsrechtes von der Aussagebereitschaft. Zugang zu medizinischer und psychosozialer Hilfe ist zu eröffnen, sowie Sprachangebote und Zugänge zu Ausbildung und Arbeitsmarkt zu ermöglichen.


Weiteres Vorgehen:

  • Gespräch in Beratungsstelle Straßenstrich mit Betroffenen und „Bordelltour“ (wenn Interesse bei wbl. MdB)
  • Internes Fachgespräch mit Sexarbeiter*innen und Beratungsstellen
  • Gemeinsam mit der GUE/NGL intern. Anhörung in Berlin (Ende Januar)

 

1) Der Bundesverband sexueller Dienstleistungen schlägt die Abschaffung folgender prostitutionsbedingter Einzelnormen im Strafgesetzbuch: Streichung §§ 180a, 181a, und 184a StGB, die Zusammenlegung von § 232 und § 233 StGB und die teilweise Streichung. Darüber hinaus fordern sie die ersatzlose Streichung des Art. 2997 des Einführungsgesetzes zum StGB und die teilweise Streichung des §104 Absatz 2 der StPO.