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Position zum Thema Tarifeinheit

Positionspapier,

Das Bundearbeitsgericht hat jüngst einen seit Jahrzehnten gepflegten Grundsatz aufgegeben: Den der Tarifeinheit. In einem Betrieb sollte nur ein Tarifvertrag Gültigkeit haben, auch wenn zwei Gewerkschaften zwei unterschiedliche Vereinbarungen ausgehandelt hatten. Nach bisheriger Rechtsprechung hatte immer der Tarifvertrag mit der „spezielleren“ Regelung Vorrang, der den Eigenheiten des Betriebes am besten entsprach.

Arbeitskreis IV
Abreit und soziale Sicherung


Zum Hintergrund:

Das Bundearbeitsgericht hat jüngst einen seit Jahrzehnten gepflegten Grundsatz aufgegeben: Den der Tarifeinheit. In einem Betrieb sollte nur ein Tarifvertrag Gültigkeit haben, auch wenn zwei Gewerkschaften zwei unterschiedliche Vereinbarungen ausgehandelt hatten. Nach bisheriger Rechtsprechung hatte immer der Tarifvertrag mit der „spezielleren“ Regelung Vorrang, der den Eigenheiten des Betriebes am besten entsprach.

Bislang gab es immer wieder Fälle, in denen diese Regelung zu massivem Lohndumping genutzt wurde. „Insofern sollten die Gewerkschaften die Änderung der Rechtsprechung begrüßen“, so der langjährige Vorsitzende der IG Medien, Detlef Hensche. Besonders gerne haben Unternehmen, die durch einen Flächentarifvertrag gebunden waren, dem sogenannten christlichen Gewerkschaftsbund einen Haustarifvertrag „geschenkt“. Natürlich hatte dieser deutlich schlechtere Regelungen als der Flächentarifvertrag. Da er aber „spezieller“ war, erhielt der Dumpingvertrag Vorrang vor dem Flächentarifvertrag. So konnten die Arbeitgeber mit christlichen Gewerkschaften Tarifverträge abschließen, die dann für den ganzen Betrieb galten. Das Nachsehen hatten regelmäßig die DGB-Gewerkschaften, selbst wenn sie die deutliche Mehrheit der Beschäftigten in dem jeweiligen Betrieb organisiert hatten. Mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes ist diesem Lohndumping der Boden entzogen worden.

Mit dem Fortfall der Tarifeinheit erhält jedoch die ohnehin bereits zu beobachtende Tendenz zur Auf-splitterung von Interessen und Belegschaften in einzelnen Betrieben oder Branchen Vorschub. Histo-risch war in Deutschland für gewerkschaftliches Handeln immer das industrie- und einheitsgewerkschaftliche Prinzip ein hohes Gut. Ein Betrieb, eine Gewerkschaft. Es ging immer darum, dass sich die Stärkeren mit ihrer Durchsetzungsmacht zugleich für die Schwächeren einsetzten. Und es ging immer darum, dass Forderungen, Aktionen und Ergebnisse auch den Anforderungen sozialer und solidarischer Verallgemeinerungsfähigkeit Rechnung trugen. Dass Fluglotsen, Piloten, Ärzte und Lokführer in den letzten Jahren für ihre Interessen eingetreten sind und gestreikt haben, ist ihr gutes Recht. Aber gleichzeitig auch hochproblematisch, weil sie ihre besondere Kampfkraft nur für sich und nicht gleichzeitig auch für das Bodenpersonal, die Krankenschwester und die Beschäftigten in den Bahn-Werkstätten eingesetzt haben.

Insbesondere vor diesem Hintergrund der Berufs- bzw. Branchengewerkschaften hat der DGB bereits vor dem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes mit dem Bundesverband Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) Verhandlungen über eine gemeinsame Positionierung geführt. Das Ergebnis: Der Gesetzgeber solle per Änderung des Tarifvertragsgesetzes das Prinzip der Tarifeinheit festschreiben. In einem Betrieb solle nur ein Tarifvertrag gültig sein. Im Konfliktfall soll der Tarifvertrag angewandt werden, der von der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern im Betrieb ausgehandelt wurde. Während der Laufzeit eines Tarifvertrages gilt in Deutschland die Friedenspflicht, es darf nicht gestreikt werden. Diese Friedenspflicht soll, so der DGB/BDA-Vorschlag, auch für die Mitglieder der Minderheitsgewerkschaft gelten.

Dieser Vorschlag ist innerhalb der Gewerkschaften und ihnen nahestehenden Arbeitsrechtlern auf zum Teil heftige Kritik gestoßen. Gerade auch wegen des faktischen Streikverbots für einen Teil der Beschäftigten. So lehnt die ver.di-Fachgruppe Verlage, Druck und Papier den Vorstoß rundweg ab. Auch in anderen DGB-Einzelgewerkschaften macht sich derzeit großer Unmut breit.

Position des Arbeitskreises:

Die Fraktion DIE LINKE ist für starke Gewerkschaften. Nur mit einer hohen Durchsetzungskraft können insbesondere mit Tarifverträgen die Interessen der Beschäftigten durchgesetzt werden. Zur Durchsetzungsmacht gehört ein geschlossenes und solidarisches Handeln der Beschäftigten. Deshalb ist es wichtig, dass das Prinzip „ein Betrieb, eine Gewerkschaft“ gestärkt wird. Zur gewerkschaftlichen Solidarität gehört auch, dass die Stärkeren mit ihrer Durchsetzungsmacht zugleich sich für die Schwächeren einsetzen.

Der Fraktion DIE LINKE ist es ein vordringliches Anliegen, dass  die Gewerkschaften ihre Handlungsmöglichkeiten verbessern können. Hierzu gehört vor allem die Rückabwicklung der Agenda 2010, insbesondere die strikte Regulierung der Leiharbeit und der befristeten Beschäftigung. Und natürlich die Überwindung von Hartz IV mit seinen repressiven Elementen sowie die Einführung eines gesetzlichen Mindest-lohns. Wir sind auch dafür, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu stärken. Hierzu gehören die Einführung eines Verbandsklagerechts, verbesserte Möglichkeiten zur Erlangung der Allgemeinverbindlichkeit sowie Verbesserungen im Streikrecht (Abschaffung Anti-Streik-Paragraph § 146 SGB III (ehem. § 116 AFG), Möglichkeit zum politischen Streik).

Die Fraktion DIE LINKE lehnt den Vorschlag von DGB/BDA ab. Sie wendet sich insgesamt gegen Bestrebungen, durch Eingriff in das Tarifvertragsrecht oder in das Grundgesetz die Tarifeinheit in den Betrieben wieder herstellen zu wollen. Wir sind der Auffassung, dass dieses sinnvolle historisch gewachsene und praxiserprobte Prinzip – auf der Basis politisch verbesserter Rahmenbedingungen – nur durch die Gewerkschaften selbst durchgesetzt werden kann, nicht aber durch Änderungen des Tarif- und Streikrechts.

Eine Einschränkung des Streikrechts lehnt die Fraktion DIE LINKE ab. Im Gegenteil: Wir brauchen gesellschaftliche und politische Mehrheiten, um das politische Streik-recht auch in Deutschland zu legalisieren.

Vor diesem Hintergrund lehnen wir auch den Vorschlag einer Gruppe um Professor Thüsing ab. Auch hier soll das Streikrecht eingeschränkt werden, was als Kompromiss zwischen den DGB-Gewerkschaften und den Berufsgewerkschaften verkauft wird. Im Unterschied zur Initiative von DGB/BDA wird vorgeschlagen, für den sich überschneidenden Geltungsbereich konkurrierender Tarifverträge das Mehrheitsprinzip auf spezifische Arbeitnehmergruppen (Berufe) anzuwenden und nicht auf den Betrieb im Gesamten. Tarifverträge, die entsprechend dieser Regelung verdrängt werden würden, sollen auch nicht erstreikbar sein. Außerdem soll ein Vorrang des Streikrechts für die Mehrheitsgewerkschaft (hier bezogen auf das Unternehmen oder bei Verbandstarifverträgen auf mehrere Unternehmen) eingeführt werden. Das bedeutet, dass die Minderheitengewerkschaft nur dann streiken darf, wenn dies auch die Mehrheitsgewerkschaft tut oder wenn diese einen Tarifvertrag abgeschlossen hat. Ist im letzten Fall die Minderheitsgewerkschaft im Betrieb gleichzeitig die Mehrheitsgewerkschaft in einer bestimmten Beschäftigtengruppe im Betrieb, für die sie einen Tarifvertrag anstrebt, und hat der Arbeitgeber mit ihnen bis dahin keinen Tarifvertrag abgeschlossen, sollen sie weiter streiken dürfen und der Gleichlauf endet. So lange verhandelt wird, darf nicht gestreikt werden. Auch eine solche Einschränkung des Streikrechts ist mit der LINKEN nicht zu machen.