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Alternativen zu Austeritätspolitik und Bankenrettung

Positionspapier von Gregor Gysi,

6-Punkte-Programm von SYRIZA und DIE LINKE - vorgestellt von Alexis Tsipras, Vorsitzender des griechischen Linksbündnisses SYRIZA, und Gregor Gysi, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, am 22. Mai 2012 in der Bundespressekonferenz

6-Punkte-Programm von SYRIZA und DIE LINKE - vorgestellt von Alexis Tsipras, Vorsitzender des griechischen Linksbündnisses SYRIZA, und Gregor Gysi, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, am 22. Mai 2012 in der Bundespressekonferenz

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1. Sofortiges Ende der „Memoranden-Politik“ und Neuverhandlungen der Kredite:

Die Kredite aus der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) an Griechenland haben sich als Rettungsring aus Blei erwiesen. Die Kreditvereinbarungen – die Memoranden – mit der sogenannten Troika aus EZB, EU-Kommission und IWF verpflichteten die griechischen Regierungen zu drakonischen Spar- und Kürzungsauflagen und zu marktradikalen Reformen – weitgehende Liberalisierung und den nahezu vollständigen Ausverkauf des griechischen öffentlichen Eigentums. Sie haben zu massiven sozialen Verwerfungen geführt, u.a. stieg die Arbeitslosigkeit auf offiziell 22% an; unter jungen Menschen unter 25 Jahren liegt die Arbeitslosenquote heute sogar bei rund 50%. Zudem stürzte die Austeritätspolitik das Land noch tiefer in die Rezession, seit Beginn der Sparpolitik 2010 brach die griechische Wirtschaft fast um 20% ein. So sind die Kredite niemals rückzahlbar.

Aus sozialer Verantwortung und aus wirtschaftlicher Vernunft heraus müssen die aktuellen Kredite (aus dem „Griechenland II-Paket“) neu verhandelt und die Auflagen zu weiterem Sozialabbau und zu Privatisierungen gestrichen werden. Diese Verhandlungen müssen auf Regierungsebene in der Eurozone und EU und nicht auf „technischer“ Ebene zwischen griechischer Regierung und Troika-Vertretern stattfinden.

2. Staatsfinanzierung aus der Abhängigkeit von den Kapitalmärkten befreien:

Die „Memoranden-Politik“ war nicht nur unsozial und wirtschaftlich schädlich. Sie hat darüber hinaus maßgeblich mit dazu beigetragen, dass der Schuldenberg des Landes weiter angestiegen ist: Als Griechenland 2010 unter den „Rettungsschirm“ kroch, lag die Verschuldung bei rd. 130% des Bruttoinlandprodukts (BIP). Bis zum (Teil-)Schuldenschnitt Ende Februar 2012 war der Schuldenstand auf fast 170% des BIP gestiegen.

Neben der Spekulation gegen griechische Staatsanleihen und die durch die Sparauflagen hervorgerufenen Einnahmeausfälle ist für diesen Schuldenanstieg auch die Kreditvergabepolitik im Rahmen der EFSF verantwortlich: Weil die Kreditaufnahme zur Staatsfinanzierung auf dem privaten Kapitalmarkt erfolgt, müssen Staaten bzw. die EFSF Marktzinsen zahlen, die nicht zuletzt durch das Urteil von privaten Rating-Agenturen bestimmt werden. Demgegenüber erhalten private Banken ihr Kapital fast zum Nulltarif über die EZB (allein in diesem Jahr reichte die EZB fast 1 Billion Euro aus Steuergeldern an private Banken und Finanzinstitute aus). Diese Praxis beschert den Banken lukrative Einnahmen auf Kosten der Allgemeinheit.

Die Abhängigkeit der Staatsfinanzierung Griechenlands – und aller anderen Staaten der Eurozone – von den Finanzmärkten muss gebrochen werden. Dazu muss die Staatsfinanzierung künftig über eine öffentliche Bank erfolgen, die Kredite an die Staaten ohne Zinsaufschlag ausgibt und sich bei der EZB refinanziert. Möglich ist auch eine Direktfinanzierung durch die EZB, die allerdings eine Änderung der EU-Verträge und der EZB-Statuten voraussetzt.
Eine Zwischenlösung wäre die – u.a. auch von François Hollande geforderte – Einführung von Eurobonds.

3. Entfesselte Finanzmärkte strikt regulieren und besteuern:

Die Deregulierung der Kapitalmärkte ist eine der tiefer liegenden Krisenursachen, nicht nur in Griechenland.

Die entfesselten Kapitalmärkte müssen auf europäischer Ebene strikt re-reguliert werden; Spekulation gegen Staaten muss verboten werden. Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer kann dabei nur ein erster Schritt sein.

4. Verbleib Griechenlands in einer reformierten Eurozone:

Allen politischen Lippenbekenntnissen zum Trotz wächst innerhalb der Eurozone und der EU der Druck auf Griechenland, aus der Eurozone auszutreten. Auch die Bundesregierung beteiligt sich an diesem Spiel mit dem Feuer: Von Finanzminister Schäuble im griechischen Wahlkampf gestreute Zweifel an der „Euro-Fähigkeit“ Griechenlands oder die von Kanzlerin Merkel erhobene Forderung, die Neuwahlen im Juni an ein Referendum über Griechenlands Verbleib in der Eurozone zu knüpfen, gehen in diese Richtung. Damit setzt sich auch die Bundesregierung erneut über den Willen des griechischen Volkes hinweg: Verschiedene griechische Umfragen ergaben, dass rund 80% der Griechinnen und Griechen einen Verbleib in der Währungsunion wünschen; nur rd. 13% wollen eine Wiedereinführung der Drachme.

Ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone hätte für das Land desaströse soziale und wirtschaftliche Folgen: Für das Land wäre es unter derzeitigen Umständen fast unmöglich, sich zu finanzieren; eine wettbewerbsfähige Industrie, die von einer abgewerteten Drachme profitieren könnte, ist nach rd. zwei Jahrzehnten der Deindustrialisierung nicht vorhanden. Der Euro selbst käme ins Wanken. Auch Deutschlands Wirtschaft litte darunter. Anstatt Griechenland aus der Eurozone zu drängen, ist eine Reform der Währungsunion zu einer integrierten Wirtschafts- und Steuerunion notwendig. Dies ist auch mit Blick auf die anderen „Krisenländer“ wie z.B. Portugal dringend nötig.

5. Konjunktur- und Aufbauprogramme anstatt weiterer Spardiktate:

Die Austeritätspolitik hat Griechenland immer tiefer in die Krise und die Schuldenfalle getrieben.

Um dringend notwendige Konjunkturanreize zu schaffen und einen nachhaltigen Wiederaufbau der griechischen Wirtschaft zu ermöglichen, sind keine Spardiktate, sondern gezielte Förderprogramme zur Stärkung der Binnennachfrage und öffentliche Investitionen in den Bereichen Infrastruktur, Bildung und Forschung sowie Innovation notwendig. Kurzfristig können hierzu nicht abgerufene Mittel aus den EU-Fördertöpfen – Sozialfonds, Regionalfonds, Kohäsionsfonds – bereitgestellt werden. In der laufenden Förderperiode stehen Griechenland noch 13 Mrd. Euro zur Verfügung, die noch nicht abgerufen wurden. Hierzu müssen Sondervereinbarungen zur Kofinanzierung getroffen und institutionelle Hilfen gegeben werden, um sicherzustellen, dass Griechenland diese Mittel auch abrufen kann. Nur bei einer solchen Politik kann Griechenland die Kredite zurückzahlen.

6. Krisenprofiteure zur Kasse: Einkommensmillionäre besteuern, Kapitalflucht und Steuerhinterziehung wirksam bekämpfen:

Nicht nur dem griechischen Fiskus gehen jährlich mehrstellige Milliardenbeträge durch Kapitalflucht und Steuerhinterziehung verloren. Die Summe privater Vermögen – in der Hand weniger Superreicher – entspricht in Griechenland, Deutschland und der EU insgesamt in etwa der Höhe der öffentlichen Verschuldung.

Um  wirtschaftliche Wiederaufbauprogramme und öffentliche Investitionen zu finanzieren, müssen Einkommensmillionäre und insbesondere Kapitalvermögen stärker besteuert werden. Nach Möglichkeit durch eine EU-weite Millionärssteuer und eine Vermögenssteuer zur Krisenfinanzierung.

Darüber hinaus müssen wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Kapitalflucht ergriffen werden. So ist zum Beispiel die Steuerpflicht an die Staatsbürgerschaft zu binden, unabhängig vom Wohnort und dem Ort des aufbewahrten Vermögens. Für Griechenland bedeutet dies, dass EU-Hilfen zum Ausbau der Steuerbehörden notwendig sind. Die im Rahmen der derzeitigen „Memorandums-Politik“ verordneten Reformen des Steuersystems sind hierzu in keiner Weise ausreichend. Sie werden darüber hinaus durch die Einsparvorgaben konterkariert.