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Zwei Gerechtigkeitslücken und ein Sündenfall!

Periodika von Matthias W. Birkwald,

Die sogenannte Mütterrente auf dem Prüfstand

Fast 29 Euro mehr monatliche Rente für jedes Kind, das man – oder meistens frau – vor 1992 erzogen hat. Nicht schlecht. Könnte Mensch meinen. Was hat DIE LINKE denn da noch zu meckern?

Wir wissen: Von Altersarmut sind vor allem Frauen betroffen. Nach der offiziellen Definition der Europäischen Union sind in Deutschland eine Million Männer und 1,5 Millionen Frauen im Rentenalter von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. Das ist jede fünfte Frau in dieser Altersgruppe. Da kommt jede Rentenerhöhung recht. Auch die sogenannte Mütterrente.

Aber in meinem Büro stapeln sich die Briefe und E-Mails. Warum?

Nun, die höhere „Mütterrente“ für die vielen Frauen und die wenigen Männer, die ihre Kinder vor 1992 erzogen haben, hat viele neue Gerechtigkeitslücken aufgerissen.

 

Erstens: Für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, gibt es immer noch ein Drittel weniger Rente als für Kinder, die nach 1992 geboren wurden. Eine völlig willkürliche Entscheidung. Das darf nicht so bleiben!

 

Die zweite Ungleichbehandlung:

Rentenentgeltpunkte sind im Westen immer noch mehr wert als im Osten. Für zwei Kinder erhält man in Dresden 105,52 Euro und in Köln 114,40 Euro. Die Ostkinder sind also 8,88 Euro monatlich weniger wert. 25 Jahre nach dem Mauerfall ist das völlig inakzeptabel!

DIE LINKE sagt deshalb: Jedes Kind muss der Gesellschaft gleich viel wert sein. Unabhängig davon, ob es 1960 oder 2010, oder ob es in Aachen oder in Görlitz geboren wurde. Wir wollen für jedes Kind rund 86 Euro auf das Rentenkonto von Mutter oder Vater haben.

 

Die sogenannte Mütterrente darf nicht aus den Rentenbeiträgen der Versicherten finanziert werden. So haben es CDU, CSU und SPD durchgesetzt. Sie muss aus Steuern bezahlt werden. Warum?

Die Rentenkasse zu plündern ist ungerecht, weil dann die Aldi-Kassiererinnen mit ihren Rentenbeiträgen die gut 28 Euro mehr Mütterrente im Westen bzw. die knapp 26 Euro mehr Mütterrente im Osten für die Mütter von uns Bundestagsabgeordneten und von den nicht arbeitenden Zahnarzt- oder Rechtsanwaltsgattinnen finanzieren. Wir Abgeordneten müssen nichts dafür zahlen. Keinen müden Cent. Das ist der größte Sündenfall des Rentenpakets! Die 6,6 Milliarden Euro fehlen nun für die Bekämpfung und Vermeidung der Altersarmut. Damit könnte man zum Beispiel die Erwerbsminderungsrente deutlich verbessern oder das Rentenniveau anheben. Beides ist dringend nötig!

 

DIE LINKE tritt seit Jahren dafür ein, Elemente des Solidarausgleichs wie die sogenannte Mütterrente auszubauen, damit für die spätere Rente nicht oder unterbewertete Phasen der Ausbildung, der Erwerbslosigkeit, der Kinderbetreuung, der Pflege von Angehörigen oder auch Phasen mit niedrigen Löhnen nicht in die Altersarmut führen.

 

Auch bei der „Mütterrente“ gilt: Manches wird besser, aber nichts wird gut!

Matthias W. Birkwald ist rentenpolitischer Sprecher und Obmann der LINKEN im Ausschuss für Arbeit und Soziales

 

Frauen und Rente

Wie viel Frauen erhalten Mütterrente?

Es profitieren alle Versicherten, die Kinder vor 1992 geboren haben – das sind 2014 gut 9,5 Millionen Mütter und circa 165 000 Väter.

 

Ist die Mütterrente brutto gleich netto?

Die zusätzlichen 28,60 Euro (West) und 26,38 Euro (Ost) für jedes vor 1992 geborene Kind sind Brutto- werte. Sie unterliegen gegebenenfalls einem Abzug von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie der individuellen Besteuerung.

 

Ab welcher Summe gilt eine Rente als Armutsrente?

Dazu gibt es unterschiedliche Schwellenwerte. Der Bruttobedarf, ab dem man „Grundsicherung im Alter“ beantragen kann, lag Ende 2012 durchschnittlich bei 727 Euro. In der Wissenschaft gilt als arm, wer über weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens verfügt. Diese Schwelle lag 2012 für eine Alleinlebende bei 952 Euro. Demnach galten 2012 16,6 Prozent aller Frauen, die 65 Jahre und älter waren, als arm und 13,3 Prozent aller Männer dieses Alters.