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»Zum Glück sind wir anders«

Interview der Woche von Ulrich Maurer,

Fraktionsvize Ulrich Maurer erläutert, warum die Menschen vor Ort froh sind, dass DIE LINKE im Bundestag vertreten ist, und warum sie sich von den anderen Parteien verlassen fühlen.

Der 1. Mai liegt nur wenige Tage zurück. Wo waren Sie?

Am 1. Mai war ich bei der DGB Kundgebung in Göppingen in Baden-Württemberg. Die IG Metall vor Ort hat sich sehr weit aus dem Fenster gelehnt, in dem sie nicht nur einen Politiker auftreten ließ, sondern auch noch einen von der LINKEN. Aber die Resonanz der gut 600 Teilnehmenden gab ihnen in ihrer Entscheidung Recht.

Welche Bedeutung haben die Themen Mindestlohn und Leiharbeit - zentrale Themen der Arbeit Ihrer Fraktion - in Nordrhein-Westfalen?

Sie sind aktueller denn je. Es kann doch nicht angehen, dass abhängig Beschäftigte, die einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen, dann noch zur ARGE gehen müssen, um so viel Geld zu bekommen, dass sie sich und ihre Familie ernähren können. Wir benötigen schleunigst einen flächendeckenden Mindestlohn, um diesen verheerenden Missstand wieder zu beheben. Leiharbeit muss verboten werden. Wir fordern mit den Beschäftigten gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Alles andere ist Lohndumping von dem Aktionäre und Manager profitieren.

Schenkt man der aktuellen Berichterstattung Glauben, droht der Untergang des Abendlandes, falls DIE LINKE in Nordrhein-Westfalen in den Landtag gewählt wird. Ist DIE LINKE in NRW wirklich so anders?

Sollte das Abendland tatsächlich einmal untergehen, dann wohl eher durch die unsoziale Politik von Merkel, Westerwelle, Rüttgers und Konsorten, aber nicht durch DIE LINKE. Wir wollen einen Politikwechsel. Selbstverständlich gehört dazu dann auch, alternative gesellschaftliche Impulse zu senden. Dass das denen nicht passt, die im Land die Reichen noch reicher und die Armen noch ärmer machen, liegt auf der Hand. Und ja, zum Glück sind wir anders. Ich bin gerade deswegen der festen Überzeugung, dass wir den Einzug in den Landtag schaffen, trotz der emsigen Bemühungen der Meinungsmacher.

Wie kommt es, dass DIE LINKE im Osten durchweg akzeptiert wird - teilweise bei Wahlen das beste Ergebnis erzielt, wie in Sachsen-Anhalt bei den letzten Bundestagswahlen - und im Westen behandelt wird, als hätte man es mit Aussätzigen zu tun? Sind das nur die Medien, oder ist das auch ein bisschen selbstverschuldet?

DIE LINKE ist eine noch sehr junge Partei, und ihre Politikvorschläge sind den meisten Menschen noch zu wenig bekannt. Umso leichter kann sie im Westen verteufelt werden. DIE LINKE im Osten hat als ehemalige PDS ein grundlegend anderes Fundament, regiert mit, ist Volkspartei. Dass man uns als „Aussätzige“ behandelt, hat damit zu tun, dass wir im Gegensatz zu CDU, SPD, FDP und Grünen die Meinung der Bevölkerung vertreten. Das zwingt die anderen Parteien dazu, sich wieder mit den alltäglichen Problemen ihrer Wähler zu beschäftigen, was sie offenkundig verlernt zu haben scheinen. Allein in Nordrhein-Westfalen führen heute schon 130 Kommunen ihre Finanzen mit einem Nothaushalt. Da ist es nicht Sozialismus, Energieerzeuger und Verkehrsbetriebe zu rekommunalisieren, und geplante Veräußerungen von städtischen Wohnungsbau Gesellschaften zu verhindern, sondern es ist volkswirtschaftlich zwingend erforderlich.

Warum ist Hannelore Kraft sehenden Auges in die Ypsilanti-Falle getappt?

Frau Kraft hat mehrfach behauptet, DIE LINKE in Nordrhein-Westfalen sei weder regierungsfähig noch regierungswillig, hat aber eine Zusammenarbeit mit uns formal nie ausgeschlossen, womit sie sich von Andrea Ypsilanti unterscheidet, die DIE LINKE vor der Wahl kategorisch ablehnte. Wenn sie sich an das Wahlprogramm der SPD in Nordrhein-Westfalen hält, wird sie erkennen, dass ein Regieren mit der CDU glatter Wählerverrat wäre. Für ein Bündnis SPD-Grüne reicht es nicht. Und somit muss sie sich mit uns Linken an einen Tisch setzen. Dann wird sie sich hoffentlich an dem Willen der Wähler orientieren und ihre gemachten Aussagen überdenken, und zu dem Schluss kommen, dass DIE LINKE sowohl regierungswillig als auch -fähig ist.

Rot-Grün scheint sich wieder als Alternative zu Schwarz-Gelb zu etablieren. Den Umfragen zufolge wird es für beide allein aber nicht reichen. Mit welchem Kalkül also grenzen sie sich so stark nach links ab?

Ich sehe eher nach den Landtagswahlen in Hamburg und im Saarland eine Tendenz zu Schwarz-Grün als zu Rot-Grün. Die Abgrenzung wird bis zum 9. Mai anhalten in der Hoffnung, DIE LINKE so aus dem Landtag rauszuhalten. Dass das aber selbst die SPD nicht mehr glaubt, zeigte jüngst deren Parteivorsitzender Sigmar Gabriel, als er bei der Bundespressekonferenz sagte: „Wenn die Wahlbeteiligung hoch ist, hat Rot-Rrot-Grün eine Mehrheit.“

Die Bundestagsfraktion war vor kurzem zu einer Klausur tief im Westen. Wie sind sie aufgenommen worden?

Nach der Klausur hatte ich eine Veranstaltung in einer CDU beherrschten Mittelstadt im katholischen Rheinland. Die Sorgen und Ängste der Bevölkerung sind die gleichen, wie überall im Land. Diejenigen, die noch Arbeit haben, haben Angst sie zu verlieren. Diejenigen, die arbeitslos sind, hoffen schnell wieder auch nur irgendeinen Job zu bekommen, da sie wissen, dass Langzeitarbeitslose keine Chance mehr auf dem Arbeitsmarkt haben. Viele sind froh, dass wir im Bundestag vertreten sind und eine so gute Arbeit leisten. Die Menschen vor Ort fühlen sich von den anderen Parteien verlassen, da Politik nur noch vorbei am Wähler, für Großunternehmen gemacht wird. Die Einführung der Hartz-Gesetze, der Rente mit 67, der Studiengebühren und die Beteiligung an Kriegen, begleitet von obskuren Parteispendenpraktiken der Parteien, verstehen die Bürger einfach nicht mehr, weshalb immer mehr uns ihr Vertrauen schenken.

linksfraktion.de, 5. Mai 2010