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Zalando & Co: Politik fördert Tarifflucht im Handel mit Millionenbeträgen

Nachricht von Sabine Zimmermann,

Im Handel blasen die Arbeitgeber zum Angriff auf die Tarifverträge. Einige wollen bestehende Standards massiv absenken, andere entziehen sich den Tarifverträgen direkt. Der Staat fördert dabei die Tarifflucht mit zweistelligen Millionensummen.

Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Frage der Abgeordnete Sabine Zimmermann (DIE LINKE) an die Bundesregierung hervor. Danach wurden Unternehmen aus dem Einzelhandel seit 2003 mit etwa 65 Millionen Euro gefördert, auch dann wenn sie sich nicht an Tarifverträge hielten statt dessen auf Niedriglöhne setzen. Laut Angaben der Gewerkschaft ver.di sind 17 der 20 meistgeförderten Unternehmen tarifvertraglich nicht gebunden. Bekanntestes Beispiel ist der Online-Versandhändler Zalando, der mehrere Millionen Euro bekam, sich aber wie Amazon weigert, nach den üblichen Tarifverträgen zu zahlen.

„Der Staat darf keine Dumpinglöhne subventionieren. Unternehmen dürfen nur dann staatliche Fördermittel erhalten, wenn die Beschäftigten nach Tarifvertrag bezahlt werden Gute Arbeit gehört in die Wirtschaftsförderung.“, fordert Sabine Zimmermann, die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. Sie sieht dringenden Handlungsbedarf: „Die Bundesregierung muss Tarifflucht verhindern, anstatt sie zu fördern. Dafür sind neben einer anderen Förderpolitik auch ein gesetzlicher Mindestlohn und die Erleichterung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen nötig.“

In der Antwort der Bundesregierung sind namentlich die zwanzig meist geförderten Unternehmen des Einzelhandels aufgeführt. Siebzehn dieser besitzen laut ver.di keine tarifvertraglichen Regelungen. Das bekannteste Unternehmen Zalando, das online Schuhe und Mode vertreibt und mit der dem Slogan „Schrei vor Glück“ wirbt, hat in den vergangen sechs Jahren die zweithöchste Fördersumme im Einzelhandel erhalten: knapp 6,6 Millionen Euro. Zalando ist in Deutschland mit mehreren Standorten überwiegend in den neuen Bundesländern vertreten. Im Juni 2012 deckte das ZDF Magazin Zoom die schlechten Arbeitsbedingungen bei Zalando auf. Beschäftige müssen den ganzen Tag stehen, sitzen ist verboten. Außerdem beschäftigt Zalando rund ein Drittel Leiharbeiter, die gerade mal einen Stundenlohn von 7,01 erhalten.

Die meisten Fördergelder im Einzelhandel erhielt die Otto Unternehmensgruppe, die aber tariflich gebunden ist. Gleiches galt nach Angaben von ver.di für die Versandhändler „Josef Witt“ und „Atelier Goldener Schnitt“.

Bei den geförderten Unternehmen ohne Tarifbindung handelt es sich meist um mittelständische Unternehmen in neuen, schnell wachsenden Geschäftsbereichen des Versand- und Onlinehandels. Die Firma „Mister Spex“ zum Beispiel liegt mit 1,2 Millionen Fördergeldern auf TOP 8 und ist mittlerweile nach eigenen Angaben der größte Online-Versandhändler in Deutschland für Markenbrillen. Ein anderes Beispiel ist die Fitnesshotline GmbH aus dem sächsischen Vogtland, die mit Sport- und Nahrungsergänzungsmittel sowie Fitnesszubehör handelt und 925.000 Euro Fördermittel erhalten hat. Auch dort Tarifvertrag Fehlanzeige.
Zimmermann weist darauf hin, dass es gerade bei noch kleinen Unternehmen in neu wachsenden Geschäftsbereichen wichtig ist, frühzeitig eine Tarifbindung herzustellen. Nur so sei zu verhindern, dass in neuen Branchen sich Geschäftsmodelle etablieren, die auf Niedriglöhnen aufbauen. Das sei nicht vertretbar gegenüber den Beschäftigten und auch nicht gegenüber der Gesellschaft, die dann die Niedriglöhne durch ergänzende Hartz IV-Leistungen aufstockt. Deshalb muss die tarifliche Bezahlung ein Kriterien bei der Fördermittelvergabe sein.

Bei ihren Auskünften zur Wirtschaftsförderung bezieht sich die Bundesregierung auf das Förderinstrument der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionale Wirtschaftsstruktur“. Diese ist für strukturschwache Regionen vorgesehen. Die von der Bundesregierung zur Verfügung gestellten Mittel werden dabei zu einem gleichen Anteil durch die Länder kofinanziert. Um die Gesamthöhe der Fördermittel zu bestimmen sind deshalb die in der Anfrage genannten Summen zu verdoppeln.