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Wovon träumt Minister Gröhe nachts?

Im Wortlaut von Cornelia Möhring,


Von Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag


Die von Gesundheitsminister Gröhe als "Großer Wurf für die Hebammen" angekündigte Lösung der Haftpflichtprobleme ist gescheitert. Die Regierung schlägt einen sogenannten Regressverzicht vor. Das bedeutet, dass die Haftpflichtversicherungen der Hebammen den Krankenkassen nicht mehr die Behandlungskosten nach einem Fehler erstatten. Dadurch sollen die Haftpflichtprämien sinken. Diese sind derzeit so hoch, dass viele Hebammen ihren Beruf nicht mehr ausüben können. Doch Gröhes Hoffnungen wurden in der Anhörung am 25. März zum Antrag der Linksfraktion zerschlagen. Der Regressverzicht geht ins Leere. Nach endlosen Palavern und Ablenkungsmanövern stehen die Hebammen erneut bei Null.

Außerklinischer Geburtshilfe droht das Aus

Der Vertreter der Versicherungswirtschaft machte klar, dass der Regressverzicht keineswegs zu sinkenden Prämien führen wird. Nach seinen Worten "bleibt die Marktbelebung aus", denn niemand könne erwarten, dass die Versicherer "verlustträchtiges Geschäft" machen. Katharina Jeschke vom Deutschen Hebammenverband DHV sprach Klartext: "Das Gewinnstreben der Versicherungen wird durch die Hebammen nicht bedient." Sie bezeichnete die angespannte Situation für die Hebammen als "Marktversagen". Ruth Pinno, Vorsitzende vom Bund freiberuflicher Hebammen BfHD, bestätigte, dass trotz Regressverzicht kein Versicherungsunternehmen ein Angebot für Hebammen mit Geburtshilfe erstellen wird. Für die im BfHD organisierten rund 1000 Hebammen läuft die Zeit ab. Zum 1. Juli 2015 stehen sie ohne Versicherung da und dürfen ihren Beruf nicht mehr ausüben. Mitte 2016 endet auch der Vertrag des DHV. Spätestens dann ist die außerklinische Geburtshilfe Geschichte, wenn keine Lösung unabhängig von privaten Anbietern und Interessen gefunden wird. Minister Gröhe kann trotz Teddybärcharme nicht länger verdecken, dass die Große Koalition nicht in der Lage ist, endlich grundlegende und langfristige Änderungen für die Hebammen auf den Weg zu bringen. Die Absicherung der Geburtsrisiken von Mutter und Kind ist durch einen privaten Versicherungsmarkt nicht zu gewährleisten. Die Linksfraktion fordert seit 2010 einen gemeinsamen Haftungsfonds für alle Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer im Gesundheitsbereich. Das Risiko würde sich auf viele Schultern verteilen und die Prämien könnten nachhaltig sinken. Er könnte zum Beispiel durch das Bundesversicherungsamt (BVA) verwaltetet werden und wäre unabhängig von den kommerziellen Interessen der Versicherungsgesellschaften.

Die Gesellschaft will Hebammen

Auch die Hebammen sehen die Politik in der Pflicht, denn die große Solidarität in der Bevölkerung zeige, dass die Gesellschaft Hebammen will. Hebammen üben einen aufsuchenden Medizinalberuf mit einem niedrigschwelligen Zugang zu den Frauen aus. Sie sind Bündnispartnerinnen der Frauen und die am besten geeigneten Fachkräfte für die Betreuung von Frauen in Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett. Sie können erste Ansprechpartnerinnen für Schwangere und die Schwangerenvorsorge sein wie in den Niederlanden. Dieses Verständnis eines neuen Berufsbildes sollte sich auch in der Vergütung niederschlagen. So wie es die Linksfraktion im Antrag: "Zukunft der Hebammen und Entbindungspfleger sichern – Finanzielle Sicherheit und ein neues Berufsbild schaffen" fordert.

Nitya Runte vom Verein "Hebammen für Deutschland" berichtete anschaulich von der Situation auf den Geburtshilfestationen der Kliniken. Die Planstellenschlüssel für angestellte oder Beleghebammen gehen zurück, um Kosten zu sparen. Die Überlastung der verbleibenden Hebammen nimmt zu. Sie müssen eine stetig steigende Geburtenzahl betreuen. Zusätzlich sollen sie die gynäkologische Ambulanz übernehmen oder Kreissäle putzen. Das geht zu Lasten der Qualität und der Betreuung der Wöchnerin. DIE LINKE fordert eine verbindliche bundesweite Personalbemessung in Krankenhäusern – auch für die Hebammen – und eine bedarfsgerechte Krankenhausfinanzierung, damit der vernichtende Wettbewerb und der unverantwortliche Kostendruck der Kliniken beendet wird.

linksfraktion.de, 26. März 2015