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»Wir werden dieses Gesetz ablehnen«

Im Wortlaut von Ulrich Maurer,

Das Rettungspaket der Bundesregierung ist für Die Linke nicht akzeptabel. Ulrich Maurer, Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion DIE LINKE erklärt in der jungen Welt warum.

Am heutigen Freitag wird der Bundestag über das Rettungspaket der Bundesregierung für die Banken, das sogenannte Finanzmarktstabilisierungsgesetz, abstimmen. Wie wird sich die Fraktion Die Linke verhalten?

Wir werden dieses Gesetz aus verschiedenen Gründen ablehnen. Zunächst ist es ein Blankoscheck an die Regierung. Das Gesetz ist äußerst unkonkret. Es gibt der Regierung die Möglichkeit, quasi auf dem Weg von Notverordnungen zu machen, was sie will. Wir haben immer verlangt, daß finanzielle Hilfe für den Bankensektor zur Folge haben muß, daß Aktienpakete in Staatseigentum übergehen. Und zwar nicht etwa irgendwelche stimmrechtslosen Vorzugsaktien, sondern Stammaktien mit tatsächlichem Einfluß. Das heißt, ohne Teilverstaatlichung kein Geld. Aber das will die Regierung keineswegs zusagen. Das Gesetz ist an dieser Stelle äußerst schwammig formuliert. Die Bundesregierung versucht jetzt aus meiner Sicht, irgendwie die Krise auszusitzen. Anschließend soll der Bankensektor so weitermachen können wie bisher.

Das wäre aber auch bei einer Teilverstaatlichung nicht auszuschließen. Es wäre nicht das erste Mal, daß man Banken, die in Schwierigkeiten geraten, verstaatlicht, und, wenn sie saniert sind, für einen Spottpreis privatisiert.

Was man im Moment überhaupt als Leitplanke einziehen kann, ist, daß man sagt, ihr müßt eure Eigentumsrechte abgeben. Natürlich kann eine Regierung anschließend das Staatseigentum wieder verschleudern - das ist eine Frage der politischen Mehrheitsverhältnisse. Zweitens bestehen wir darauf, daß die, die sich vorher dumm und doof verdient haben, jetzt auch angemessen an der Beseitigung dieses Desasters beteiligen.

Das heißt?

Wir fordern eine Vermögensabgabe von Milliardären und Millionären in Deutschland. Das will die Regierung schon gar nicht, sie will die ganzen Lasten der Krise auf die breite Masse der Bevölkerung abwälzen.

Drittens besteht im Moment enorme Gefahr, daß die Realwirtschaft abstürzt. Das zeigt sich ja schon in einzelnen Branchen. Deswegen brauchen wir sofort ein staatliches Konjunkturprogramm in der Größenordnung von mindestens 50 Milliarden Euro. Auch dazu sind sie nicht bereit.

Mehr staatliche Investitionen fordert jetzt sogar der BDI-Präsident.

Es gibt jetzt viele linke Sprüche, auch aus den Reihen der Bundesregierung. Aber in Wirklichkeit versuchen die, die das Heft in der Hand haben, sich nur über die Runden zu retten, damit sie anschließend ihren Finanzkapitalismus weiter fröhlich fortsetzen können.

Oskar Lafontaine hat am Donnerstag gesagt, was die Regierung vorhat, sei »technisch nicht zu beanstanden«. Und Ihre Kollegin Dagmar Enkelmann hat am Dienstag noch geäußert, an der Linken werde das Rettungspaket nicht scheitern ...

Ich war dabei, als Oskar Lafontaine das Gesetz zum ersten Mal in der Hand gehabt, gelesen hat. Er hat zu mir gesagt, das ist unannehmbar. Ich glaube, daß eine Verwechslung entstanden ist zwischen der Frage, daß wir das Verfahren im Bundestag nicht blockiert haben, und unserer Position in der Sache.

Also haben Sie gegen das Hau-ruckverfahren nichts einzuwenden?

Man muß nicht in jede Falle laufen, die das System einem stellt. Wir hätten es ungefähr um eine Woche, vierzehn Tage aufhalten können. Aber sie hätten das genutzt, um zu sagen, Die Linke hat die Finanzmärkte in den Abgrund gestürzt. Jetzt stürzen sie auch so in den Abgrund, aber sie können es uns nicht anhängen.

Gibt es in der Fraktion auch Stimmen, die meinen, man müsse das Gesetz unterstützen?

Ich sehe da niemanden mehr. Wenn man jetzt in Deutschland wirklich Menschen vor noch größerer Massenarbeitslosigkeit und sozialem Abstieg bewahren will, bietet das Gesetz dafür überhaupt keine Antwort. Es dient den Finanzmärkten und dem Finanzkapitalismus dazu, Zeit zu gewinnen und technisch seine Probleme zunächst einmal nicht durchgaloppieren zu lassen.

Fordern Sie jetzt die Verstaatlichung der Banken?

Die Frage, wie zukünftig der gesamte Finanzsektor im Sinne des Allgemeinwohls geregelt werden soll, wird jetzt eine wichtige Rolle spielen in der Programmdebatte der Partei vor dem nächsten Parteitag und fließt ein in die Erarbeitung unseres Bundestagswahlprogramms. Da werden wir uns zu dieser Frage sehr deutlich positionieren.

Interview: Jörn Boewe

junge Welt, 17. Oktober 2008