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»Wir müssen beweisen, dass eine andere Welt möglich ist«

Im Wortlaut von Gregor Gysi,

 

Gregor Gysi spricht im Interview mit KLAR, das wir vorab veröffentlichen, über die neue Rolle der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag und darüber, was von der neuen Regierung zu erwarten ist.

 

DIE LINKE ist jetzt Oppositionsführerin im Bundestag, was bringt das für Veränderungen mit sich?

Gregor Gysi: Wir haben jetzt weniger Zeit. Wenn die Regierung etwas verkündet, müssen wir eine halbe Stunde später dazu Stellung nehmen. Wir konnten  früher immer sagen, wir müssen darüber 48 Stunden diskutieren – das geht nicht mehr. Zudem müssen wir immer nachvollziehbare Alternativen anbieten. Es gibt auch  keine Fragen mehr, vor denen wir uns drücken können. Trotzdem müssen wir uns auf Schwerpunkte konzentrieren. Zudem müssen wir jetzt eine Oppositionsrolle für die gesamte Gesellschaft spielen. Nicht nur für die, die uns gewählt haben, auch für die, die eine Regierungspartei wählten. Denn ein notwendiger Bestandteil der Demokratie ist die Opposition.

Stichwort Alternativen anbieten. Um was geht es dabei?

Gregor Gysi: Wir müssen beweisen, dass eine andere Welt möglich ist. Da wird es wichtig, dass wir nicht nur die Regierung kritisieren, sondern immer Alternativen vorlegen, von denen die Menschen sagen: Ja, so ginge es auch, denn die große Koalition wird eine des Stillstands werden.

Warum des Stillstands?

Gregor Gysi: Was der Regierung fehlt, ist jeder Mumm, und wegen vieler Wahlen werden sie sich blockieren. Sie wollen Edward Snowden nicht in Deutschland vernehmen, weil sie glauben, das störe die Beziehungen zu den USA. Das Betreuungsgeld wird bleiben. Die Maut wird jetzt auf einem versteckten Weg doch kommen. Viele andere Themen werden nicht besetzt, zum Beispiel die Gleichstellung der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften mit der Ehe. Es bleibt bei Rentenkürzungen und bei der Rente ab 67. Auch gibt es keine Lösung, um Altersarmut zu verhindern.

Aber immerhin gibt es Bewegung beim Mindestlohn?

Gregor Gysi: Das ist aber immer noch ein bisschen offen. Machen sie ihn im Osten ernsthaft niedriger als im Westen? Das wäre völlig indiskutabel.

DIE LINKE hat ein 100 Tage-Programm beschlossen und schon fünf Gesetzentwürfe in den Bundestag eingebracht, von denen Millionen Menschen profitieren könnten…

Gregor Gysi: … das spannende ist, bei diesen fünf Gesetzen stimmen wir mit den Grünen und der SPD in der Sache überein, zumindest haben sie  diese Dinge auch im Wahlkampf gefordert. Warum nutzen wir nicht jetzt die Chance, um sie zu beschließen? Es gibt doch noch keine neu gewählte Regierung. Es gibt keinen Koalitionsvertrag, an den die SPD gebunden wird. Nur ihr Wahlprogramm gilt.

Dabei gibt es doch eine rot-rot-grüne Mehrheit, die sogar die Regierung bilden könnte. Aber SPD und Grüne wollten nicht mit der LINKEN. Werden sie das bereuen?

Gregor Gysi: Die SPD dachte immer, DIE LINKE ist ein Problem, das man loswerden muss. Nun hat sie bei der Wahl gemerkt, dass sie uns nicht los wird. Jetzt muss sie darüber nachdenken, ob DIE LINKE ein Gewinn ist, weil sie ihre Möglichkeiten erweitert. Darüber muss in  ihrer Mitgliedschaft gesprochen werden. 40 Prozent der Wählerinnen und Wähler der SPD wollen rot-rot-grün, aber 60 Prozent eben nicht. Dazu braucht man Debatten in den Reihen der SPD, genauso wie in den Reihen der Grünen und auch in unseren Reihen. Deshalb sag‘ ich, dass sich das verändern wird. In vier Jahren wird das gänzlich anders aussehen als jetzt.

Sie haben schon viele politische Ämter gehabt, aber Oppositionsführer wie jetzt noch nicht. Was bedeutet das für Sie?

Gregor Gysi: Ich werde öfter auftreten, auch in den Medien. Zudem: Die Verantwortung ist eine andere, aber: Man geht nicht in die Politik, um es leicht zu haben. Herausforderungen muss man annehmen.