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»Wir brauchen eine Europäische Union der sozialen Rechte«

Interview der Woche von Katja Kipping,

Foto: picture alliance/dpa

 

Katja Kipping, Mitglied der Bundestagsfraktion und Vorsitzende der Partei DIE LINKE, über die Koalition von Union und SPD, das Superwahljahr 2014, Themen, die DIE LINKE setzen will, die europapolitischen Herausforderungen und die Petition gegen die Hartz IV-Sanktionen

Nach den längsten Koalitionsverhandlungen in der Geschichte der Bundesrepublik steht die Große Koalition. Die Kanzlerin spricht von einer Koalition für große Aufgaben, den Menschen soll es 2017 besser gehen als heute. Sie hingegen erwarten eine Koalition des Stillstands. Warum?

Katja Kipping: Soziale Ungleichheit, lahmende Energiewende, kaputt gesparte Kommunen, nichts wird wirklich angepackt. Und so wie sich diese drei Parteien schon jetzt blockieren, wird es so sein, dass die Schuldenbremse das wichtigste Steuerungsinstrument der Großen Koalition wird. Das läuft dann so, dass jeweils der eine Koalitionspartner Profil mit einem Vorhaben gewinnen will, und dann zieht der andere schnell die Schuldenbremse. So wird es laufen, oder besser gesagt, nicht laufen, denn das Ergebnis wird Stillstand sein.

 
2014 wird ein Superwahljahr – die Europawahl, drei Landtagswahlen und sogar elf Kommunalwahlen stehen an. Sprengstoff für die Große Koalition?

Zumindest sind Union und SPD im kommenden Jahr stets gezwungen, gegeneinander Wahlkampf zu machen. Das wird für die Vertrauensbasis in der Koalition nicht förderlich sein und Stillstand befördern, wo wichtige gesellschaftliche Aufgaben anzugehen wären. Aber beide Koalitionspartner sind ja Meister der Inszenierung, wie wir bei den Koalitionsverhandlungen und beim Mitgliederentscheid der SPD gesehen haben. Deshalb werden die Wahlen wohl nicht zum Sprengstoff werden. Es wird viel Tamtam um unbedeutende Fragen gemacht werden. Aber wenn einer der Koalitionspartner oder sogar alle verlieren werden, wird die Nervosität steigen und die Bereitschaft, drängende Probleme zu lösen, sinken.

Welche inhaltlichen Schwerpunkte wird DIE LINKE setzen?

Wir haben gigantische soziale und ökologische Aufgaben zu bewältigen. Riesige Exportüberschüsse verschärfen die Krise in der Europa, steigende Profite, sinkende Reallöhne, erodierende soziale Sicherheit, eine stockende Energiewende, Klimaveränderungen die zu großen Naturkatastrophen führen. Diesen Anforderungen wird die Koalition in ihrem  Koalitionsvertrag nicht gerecht. An diesen Themen werden wir ansetzen. Wir werden deshalb Themen wie Steuergerechtigkeit, Stopp der Leiharbeit, Mindestsicherung, eine Kehrtwende in der Europapolitik, eine friedliche Außenpolitik, den Kampf gegen Rüstungsexporte und eine Energiewende mit sozialem Siegel zu den Schwerpunkten unserer Arbeit machen, weil diese Regierung in diesem Politikfeldern entweder viel zu wenig, völlig Falsches oder einfach gar nichts tut.


Alexis Tsipras, Vorsitzender des griechischen Linksbündnisses SYRIZA, ist kürzlich zum Spitzenkandidaten der Europäischen Linken gewählt worden. Er fordert eine Veränderung der bisherigen europäischen Krisenpolitik, er fordert einen New Deal. Warum braucht Europa einen New Deal?

In Griechenland, Spanien, Portugal haben wir eine riesige Jugendarbeitslosigkeit, teilweise bricht das Gesundheitswesen auseinander – das ist das Ergebnis der Wirtschafs- und Finanzpolitik in Europa. Wir brauchen stattdessen aber eine Europäische Union der sozialen Rechte. Dazu braucht es eine grundlegende Revision der Europäischen Verträge – einen New Deal. Im Mittelpunkt muss ein europäischer Sozialpakt stehen, der europaweite Mindeststandards für Löhne, Renten, Steuern und Sozialleistungen umfasst. Außerdem wollen wir das Steuerdumping innerhalb von Europa durch Mindeststeuersätze für Unternehmen eindämmen. Die Bekämpfung der Banken- und Wirtschaftskrise wollen wir vom Kopf auf die Füße stellen. Hilfsprogramme müssen künftig an vier Bedingungen geknüpft werden: Reiche und Vermögende müssen zahlen, Banken müssen scharf reguliert werden, Rüstungsausgaben müssen auf Null gefahren werden und schließlich muss die Kürzung von Löhnen, Renten und Sozialleistungen ausgeschlossen sein.

Auf die Gegenliebe dieser Bundesregierung dürfte das kaum stoßen. Finanzminister Schäuble möchte weitermachen wie bisher...

Das befürchte ich auch. Aber mit dieser Politik gefährdet er nicht nur den Euro, sondern auch die EU. Eine hochgefährliche Politik.


DIE LINKE hat die Petition von Inge Hannemann zur Abschaffung der Sanktionen und Leistungseinschränkungen bei Hartz IV und Sozialhilfe unterstützt. Die benötigten 50.000 Stimmen wurden in der vergangenen Woche erreicht. Wie geht es jetzt weiter und was versprechen Sie sich davon?

Die Petition fand rund 85.000 Unterstützungen. Damit wird auch DIE LINKE Forderung nach sofortiger Abschaffung aller Sanktionen bestätigt. Wir werden die öffentliche Anhörung nutzen, um das Repressionssystem Hartz IV zu skandalisieren, einen Antrag zur Abschaffung aller Sanktionen einbringen und den parlamentarischen und außerparlamentarischen Druck erhöhen. Grundrechte sind einzuhalten.

linksfraktion.de, 23. Dezember 2013