Zum Hauptinhalt springen

Wie aus Grau Buntes wird

Periodika,

Auch in Ihrem zweiten Dokumentarfilm geht es wieder um das Thema Wohnen. Wie kam es zu der Idee für den neuen Film?

Matthias Coers: Bei Aufführungen von »Mietrebellen« im Ruhrgebiet habe ich Mitstreiter des Netzwerks Recht auf Stadt – Ruhr getroffen, die auch für ihre Region an einem Film zum Thema interessiert waren. Wir haben uns zusammengetan, denn mich interessiert ohnehin viel mehr, mit anderen zusammen-zuarbeiten, anstatt über andere zu arbeiten. Im Film geht es ums Wohnen, um die Angst vor Verdrängung und um das soziale Miteinander in sogenannten abgehängten Regionen.

Die Arbeitslosigkeit im Ruhrgebiet ist hoch, die Resignation auch. 

Wie gehen Sie damit im Film um?

Die Menschen stemmen sich gegen dieses Gefühl von Wertlosigkeit, schaffen das aber nicht allein. Insofern sind viele Projekte, die im Film vorgestellt werden, eine Antwort auf das Ohnmachtsgefühl, dass sich nichts verändern ließe. Wenn durch gemeinsame Anstrengung etwas neu entsteht und man sich sozial engagieren kann, wertet das den Alltag vieler Menschen auf. Man trifft sich, redet miteinander und hilft sich. Da machen Akademiker genauso mit wie Arbeiterinnen und Arbeiter oder Migranten. Darüber hinaus sorgen solche Projekte für mehr Attraktivität im städtischen Raum.

Der Arbeitsalltag im Ruhrgebiet ist über Jahrzehnte von Stahl und Kohle geprägt gewesen. Spielt Arbeitsumbruch im Film eine Rolle?

Es beschäftigt die Menschen enorm, wie und ob sie anders arbeiten und leben können. Aber auch die Wohnungsfrage bleibt ein wichtiges Thema. Während die ältere Generation die klassische Schwerindustrie kennt, suchen sich die Jüngeren neue Wege, um in ihrer Region überhaupt leben zu können. Es geht darum, Möglichkeiten zu finden und zu schaffen, die eigenen Talente zu entwickeln.

Wie fielen die Reaktionen der Zuschauer bei der Filmpremiere 

und den ersten Vorstellungen aus?

Bei den Aufführungen im Ruhrgebiet gab es wirkliche Begeisterung. Aber auch internationale Reaktionen haben mir gezeigt, wie wichtig so ein Blick auf alter-native Ansätze ist, die ansonsten in den Medien nur randständig behandelt werden. Insofern ist dieser Film ein Mutmacher für alle, die sich gesellschafts-kritisch engagieren und sich für eine alternative Stadtpolitik einsetzen. Das Publikum reicht von normal interessierten bis hin zu engagierten Menschen, aber auch Wissenschaftler und Lokalpolitiker zeigen Interesse.

 … und die Reaktionen im Ruhrgebiet?

Die Leute fühlen sich ernst genommen. Bei der Filmpremiere in Duisburg stand ein älterer Herr aus dem Publikum auf und sagte: »Das ist der Film, auf den wir hier 20 Jahre gewartet haben.« Er bezog sich auf die Erfahrungen nach dem Strukturwandel und den Bedeutungsverlust einer ganzen Region. Aufgefangen und verändert werden kann das nur durch das gemeinsame Engagement derjenigen, die dort leben. Etliche Menschen, die in unterschiedlichen Projekten arbeiten, haben sich sehr für den Film bedankt und sich in ihrem Engagement bestätigt gefühlt.

 

Das Gespräch führte Frank Schwarz