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Wer rot sieht, sieht richtig: Sömmerda

Periodika,

Bodo Ramelow kommt gern nach Sömmerda. Am 29. März dieses Jahres erwarteten ihn viele Linke im schmucken ›Bertha von Suttner‹-Bürgerzentrum. Zugegeben, als er noch nicht im Bundestag saß, sondern als Fraktionsvorsitzender im Erfurter Landtag Politik machte, war er öfter in der thüringischen Stadt. Schon damals eilte Sömmerda ein besonderer Ruf voraus. Die Stadt wird seit acht Jahren vom linken Bürgermeister Wolfgang Flögel regiert und auch im Stadtrat haben die Linken seit 2004 die absolute Mehrheit. So ist es nicht verwunderlich, dass sich der Bundespolitiker Ramelow gern mit dem Kommunalpolitiker Flögel zum Erfahrungsaustausch trifft. Wolfgang Flögel hat seine Stadt geprägt, deren Erfolge inzwischen selbst ein CDU-Wirtschaftsminister preist. Sömmerda - so das Credo seines Bürgermeisters - ist nicht nur eine erfolgreiche Industrieansiedlung. Die Stadt profiliert sich auch besonders als soziale Kommune. Ein mutiges Ziel, denn hier gibt es nicht weniger Probleme und Sparzwänge als in anderen ostdeutschen Kommunen. Die Arbeitslosigkeit ist zwar von über 20 auf 15,4 Prozent gesunken, aber noch immer ist jede und jeder Arbeitslose ein Schicksal und ein Problem, um das gerungen werden muss. Die Bürgerinnen und Bürger spüren, dass ihrem Stadtvater der wirtschaftliche Aufschwung und das soziale und kulturelle Angebot der Region gleichermaßen am Herzen liegen. Seit Jahren leistet sich die Stadt Einrichtungen, die andere Kommunen längst der Privatisierung preisgaben oder ganz und gar schließen mussten.
Wolfgang Flögel ist ebenso stolz auf das Historisch-Technische Museum, das die Stadt gerade gegründet hat, wie auf die Erste Thüringer Ludothek, in der Spielzeugforschung, Ausleihe und Begegnungsstätte für Kinder unter einem Dach vereint sind. »Die Politische Zielsetzung einer Kommune ist entscheidend«, sagt das Stadtoberhaupt und erklärt, warum sich seine Stadt auch sechs städtische Kindergärten, eine Musikschule, eine Bibliothek, Bürgerzentren, ein Schülerfreizeitzentrum, einen offenen Jugendtreff leistet und eine Volksschwimmhalle subventioniert.
»Es gibt Pflicht- und freiwillige Aufgaben einer Kommune. Die freiwilligen zu erfüllen bedeutet für Lebensqualität zu sorgen.« Egal ob Kaninchenzüchterverein oder Top-Manager - herzlich und immer ein offenes Ohr für Anliegen und Sorgen seiner Bürger, so beschreibt ihn jeder hier. Flögel ist handfest, hat Visionen für seine Stadt und überzeugt damit auch politische Konkurrenten.
Ein wenig Genugtuung schwingt schon mit, wenn Bodo Ramelow und Wolfgang Flögel gemeinsame Erlebnisse von den Anfängen der »linken Herrschaft« in Sömmerda erzählen. Es sei ein Märchen, dass sich Investoren im Falle von roten Regierungen zurückziehen würden. Georg Erdrich, Unternehmer aus dem württembergischen Renchen-Ulm, baute 2002 in Sömmerda ein Werk für Umformtechnik mit 450 Arbeitsplätzen. Er schwärmt von der unbürokratischen Zusammenarbeit mit der linken Stadtverwaltung genauso wie von seinen hoch motivierten Mitarbeitern in Thüringen. Doch auch Firmen, wie zum Beispiel Fujitsu-Siemens, haben dazu beigetragen, dass die Stadt wirtschaftlich vorankommt.
Ein rotes Wunder in Zeiten von Resignation? Wohl eher nicht. »Bürgernahe Politik steht und fällt immer mit den Personen, die für sie einstehen«, sagt Bodo Ramelow. Wolfgang Flögel ist der lebendige Beweis dafür. Seine private Telefonnummer steht im Übrigen immer noch im öffentlichen Telefonbuch. Anruf genügt, und Nachmachen lohnt sich!