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Wem gehört das ZDF?

Im Wortlaut von Kathrin Senger-Schäfer,

Medienkolumne

Von Kathrin Senger-Schäfer

Zeit zum entspannten Fernsehen habe ich kaum noch, seit ich mich als medienpolitische Sprecherin der Linksfraktion quasi beruflich mit dem Fernsehen beschäftige. Dafür erlebe ich seit Beginn der Arbeit im Bundestag live ein Medien-Drama, das an Spannung nichts zu wünschen übrig lässt.

Es startete im Herbst mit der Diskussion um die Zusammensetzung des Fernseh- und Verwaltungsrates des ZDF. Erinnern wir uns: Am Anfang stand der rüde Zugriff des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch auf die Personalpolitik des ZDF, der die vom Intendanten vorgeschlagene Verlängerung des Vertrags mit Nikolaus Brender als Chefredakteur ablehnte. Der Sender galt schon immer als »Schwarzfunk«, also CDU-nah. In der Ära Brender ist er keineswegs zum »Rotfunk« mutiert, aber offensichtlich fanden sich Koch und Co. nicht mehr wunschgemäß repräsentiert. Dank der bisherigen Zusammensetzung der Rundfunk- und speziell der ZDF-Gremien, denen sowohl die Ministerpräsidenten der Länder selbst als auch eine Überzahl von ihnen direkt bestimmten Personen angehören, konnte bei der gegenwärtigen CDU-Mehrheit Koch seine persönliche Antipathie gegen unabhängige Journalistinnen und Journalisten durchsetzen. Das hat zu einem Sturm der Entrüstung in der demokratischen Öffentlichkeit geführt. Brender muss trotzdem Ende des Monats gehen.

Man kann Koch in gewissem Sinne beinahe dankbar sein, denn mit seinem skandalösen Eingriff hat er deutlich gemacht, dass die Rundfunkfreiheit als eine der wichtigsten Grundlagen der Demokratie gefährdet ist. Das Grundgesetz fordert aus gutem Grund die Staatsferne des Rundfunks. Von den 77 Mitgliedern des ZDF-Fernsehrates gelten jedoch über 50 als deutlich staatsnah. Immerhin sah sich Kurt Beck, der nicht nur SPD-Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz ist, sondern bereits seit vielen Jahren auch Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder und Chef des Verwaltungsrates des ZDF, gezwungen, endlich konkrete Vorschläge zu seit langem geforderten Änderungen in der Zusammensetzung der Gremien zu erarbeiten. Ende Februar wurden sie der Rundfunkkommission vorgelegt.

Danach soll es im ZDF-Fernsehrat statt bisher drei künftig nur noch einen Vertreter des Bundes geben, im 14-köpfigen Verwaltungsrat keinen mehr. Aus den im Bundestag vertretenen Parteien sollen statt bisher zwölf nur noch sechs Vertreter im Fernsehrat sitzen, ausgerichtet übrigens an der Fraktionsstärke, was Linkspartei und Grüne ganz beiläufig ausschließen würde. Verbände und Organisationen wiederum sollen ihre (derzeit 25) Vertreter selbst bestimmen dürfen - bisher wurden auch sie von den Ministerpräsidenten ausgewählt. Und last not least soll der Intendant den Chefredakteur künftig selbst benennen können.

Wie zu erwarten, gab es keine Einigung. Rheinland-Pfalz und Hessen sollen nun bis Ende März für alle einen gemeinsamen Vorschlag erarbeiten. Das wird ein schwieriges Unterfangen, zumal beide darauf achten werden, dass ihre Parteienpolitik nicht wirklich gefährdet wird. Die Linksfraktion unterstützt deshalb nach wie vor den von den Grünen initiierten Normenkontrollantrag zum ZDF-Staatsvertrag an das Bundesverfassungsgericht, der prüfen soll, ob das Prinzip der Staatsferne gewahrt ist.

Darüber hinaus braucht es aber eine grundsätzliche Neugestaltung der Gremien. So sind etwa Migrantinnen und Migranten bisher überhaupt nicht vertreten, ebenso Non-Government-Organisationen wie Greenpeace oder Attac oder Vereinigungen von Schwulen und Lesben. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss die veränderte Vielfalt der Gesellschaft widerspiegeln, ein Ort der öffentlichen Diskussion, der demokratischen Selbstverständigung sein und darf niemals zur Beute von Parteien werden. Denn er gehört uns allen.

Neues Deutschland, 15. März 2010