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Weiter benachteiligt trotz hoher Erwerbsquote

Nachricht von Sabine Zimmermann,

Noch nie arbeiteten so viele Frauen wie heute, aber weithin werden sie am Arbeitsmarkt benachteiligt. Das ergab die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE im Vorfeld des Internationalen Frauentages am 8. März.

Bundesweit arbeiten inzwischen sieben von zehn Frauen. Die Erwerbsquote lag im Jahr 2011 bei 71,7 Prozent, zwanzig Jahre vorher waren es nur 60,5 Prozent. Besonders starke Zuwächse gab es in den alten Bundesländern, wo die Erwerbsquote von 56,7 auf 70,5 Prozent stieg. Seit der Wiedervereinigung hat die Zahl der erwerbstätigen Frauen um 2,6 Millionen (1991) auf 18,1 Millionen (2011) zugenommen. Die Zahl der erwerbstätigen Männer nahm dagegen in diesem Zeitraum von 21,7 Millionen auf 21,0 Millionen leicht ab.

Aber nach wie vor sind Frauen auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt. Der Verdienstabstand zu den Männern stagniert seit Jahren bei 22 bis 23 Prozent. Sie sind überproportional von Niedriglöhnen betroffen. Etwa jede vierte beschäftigte Frau arbeitete 2010 zu einem Lohn unterhalb der Niedriglohnschwelle von 10,36 Euro in der Stunde (26,5%), bei den Männer betraf dies etwa jeden sechsten (15,8%). Etwa 724.000 erwerbstätige Frauen mussten zu ihrem Arbeitseinkommen ergänzend Arbeitslosengeld II (Hartz IV) beziehen, bei den erwerbstätigen Männern 609.000 (jeweils Juni 2012).

Der Hintergrund für diese anhaltende Schlechterstellung besteht darin, dass der Zuwachs an Frauenerwerbstätigkeit übermäßig in prekärer Beschäftigung stattfindet. Trotz steigender Erwerbstätigkeit nahm über die vergangenen zwei Jahrzehnte die Zahl der Frauen ab, die sich in einem unbefristeten Vollzeitjob befanden von 10,2 Millionen 1991 auf 9,6 Millionen 2011. Ein mehr an weiblich besetzen Arbeitsplätzen gibt es dagegen bei der sogenannten atypischen Beschäftigung, zu denen Minijobs, Teilzeitarbeit, befristete Jobs und Leiharbeit gehören.

Mit einer Quote von 45,1 Prozent arbeiten deutlich mehr Frauen Teilzeit in Deutschland als in der EU mit durchschnittlich 31,6 Prozent. Nach einer Umfrage aus dem Jahr 2011 arbeiten Frauen unfreiwillig Teilzeit, weil keine Vollzeitarbeitsplätze zu finden sind (13%) oder familiäre Verpflichtungen sie daran hindern (51,7%), zu denen auch die Kinderbetreuung gehört. Die Frauen, die wiederum Vollzeit arbeiten, leiden wegen ihrer Mehrfachbelastung überdurchschnittlich unter Stress und Burnout.

Sabine Zimmermann, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, fordert: "So begrüßenswert der Anstieg der Frauenerwerbstätigkeit ist, so wenig dürfen wir hinnehmen, dass Frauen Arbeitnehmer zweiter Klasse sind. Die Regierung hat die Chance verpasst mit der steigenden Frauenerwerbstätigkeit für mehr Gleichstellung zu sorgen. Ihre Arbeitsmarktpolitik ist ein Schlag ins Gesicht aller arbeitenden Frauen. Die Untätigkeit der Arbeitsministerien von der Leyen ist Lobbyismus für die Arbeitgeber, die von den niedrigen Löhnen profitieren.
Statt Minijobs auszuweiten wäre es notwendig diese in reguläre Beschäftigung umzuwandeln und einen allgemein gültigen gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro einzuführen. Von beiden Maßnahmen würden überproportional Frauen profitieren. Zudem müssen die Dienstleistungsberufe, in denen vorrangig Frauen arbeiten, aufgewertet und besser bezahlt werden."

Angesichts der aktuellen Debatte um sexuelle Belästigungen und Gewalt weist Zimmermann zudem auf den engen Zusammenhang zur Arbeitswelt und prekären Beschäftigung hin. In ihrer Antwort räumt die Bundesregierung ein, dass Frauen in prekärer Beschäftigung übermäßig stark davon betroffen sind und sich zugleich wegen den Abhängigkeitsverhältnissen dagegen schlechter wehren können.

Zu den Antworten im Einzelnen:

Erwerbstätigkeit

  • Die Zahl der erwerbstätigen Frauen ist innerhalb der vergangenen zwanzig Jahre deutlich gestiegen von 15,4 Millionen im Jahr 1991 auf 18,1 Millionen 2011. Im Gegensatz dazu hat die Zahl der erwerbstätigen Männer leicht abgenommen von 21,7 Mio. 1991 auf 21,0 Mio. 2011 (S. 4, Tabelle 1)
  • Frauen leiden besonders unter Stress und psychischen Belastungen
  • Die Branche „Gesundheit und Sozialwesen“ (Beschäftigungsanteil Frauen 78%) zeichnet sich durch besonders hohe psychische Belastungen aus (S.9)
  • Bei einer Erwerbstätigenbefragung 2011/12 gaben von den vollzeitbeschäftigten Frauen 48% an, der Stress am Arbeitsplatz hätte innerhalb der letzten zwei Jahre zugenommen. Bei den vollzeitbeschäftigten Männer n44 Prozent (S.10).
  • Frauen sind auch eher von Burnout betroffen. Von den Vollzeitbeschäftigten gaben 23 Prozent der Frauen, aber nur 13 Prozent der Männer „eine körperliche und emotionale Erschöpfung“ an (S. 11 oben)
     

Zuwachs atypischer Beschäftigung

  • Der Beschäftigungszuwachs von Frauen in den vergangenen zwei Jahrzehnten beruht auf einem starken Zuwachs sogenannter atypischer Beschäftigung, zu der Minijobs, befristete Beschäftigung, Teilzeitarbeit und Leiharbeit gehören.
  • Zwischen 1991 und 2011 nahm die Zahl der Frauen in abhängiger Beschäftigung (ohne Selbständige) von 13,4 Millionen auf 15,1 Millionen zu. Die Zahl der Normalarbeitnehmerinnen, also der Frauen mit einer unbefristeten Vollzeitstelle, fiel aber in dieser Zeit von 10,2 Millionen auf 9,6 Millionen. Die Zahl der atypisch beschäftigten Frauen stieg von 3,2 Millionen auf 5,6 Millionen. (Anlagetabelle zu Frage 9, S.1)
     

Verfestigte Verdienstunterschiede

  • Der Gender Gap, also die Verdienstlücke zwischen Mann und Frau hat sich trotz steigender Erwerbstätigkeit der Frauen nicht verringert. Nach den letzten Erhebungen stagnierte der Verdienstunterschied 2011 bei 22 Prozent. Auf diesem Niveau hatte schon 2002 gelegen nachdem er 1999 bereits einmal bei „nur“ 19 Prozent lag (S.20, Tabelle 12)
  • Die Bundesregierung erklärt den Verdienstunterschied im wesentlichen aus drei Ursachen: 1: häufigere Erwerbsunterbrechung, 2. Einseitige geschlechtsspezifische Verteilung auf bestimmte Berufe und Branchen, 3. Schlechterbewertung typischer Frauentätigkeiten (S.20)
     

Niedriglohn

  • Nach letzten Erhebungen arbeiteten 26,5 Prozent aller Frauen zu einem Niedriglohn im Vergleich zu 15,8 Prozent der Männer! (S.24) - in sieben der zehn Branchen mit den niedrigsten Stundenlöhnen stellen Frauen die Mehrheit der Beschäftigten, umgekehrt in acht der zehn Branchen mit den höchsten Stundenlöhnen die Minderheit (S. 26 Tabelle 16)
  • Im Juni 2012 bezogen 724.507 erwerbstätige Frauen zugleich ergänzende Arbeitslosengeld II-Zahlungen (Hartz IV), bei den erwerbstätigen Männern 609.317 (S.26 unten)
     

Unfreiwillige Teilzeit

  • 2011 arbeiteten in Deutschland 45,1 Prozent der beschäftigten Frauen in Teilzeit und damit deutlich mehr als im Durchschnitt der EU mit 31,6 Prozent (S.16)
  • 13% aller teilzeitbeschäftigten Frauen haben keine Vollzeitstelle gefunden, in den neuen Bundesländern sagen dies sogar 38% (S.14)
  • jeweils ein Viertel der teilzeitbeschäftigten Frauen sind wegen „Betreuung von Kindern“ (25,7%) bzw. persönliche oder familiärer Verpflichtungen (25,8%) Teilzeit beschäftigt (S.15, Tabelle 9)
  • die große Masse der Frauen würde gern länger arbeiten. 1,7 Millionen Frauen arbeiten nur bis zu zehn Stunden in der Wochen, 3,3 Millionen zwischen 11-20 Stunden. Diese würden im Schnitt wöchentlich gern 4,6 bzw. 3,2 Stunden mehr arbeiten (S.13, Tabelle 8)
     

Prekär beschäftigte Frauen sind besonders von sexueller Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz betroffen

  • Nach einer Untersuchung des Bundesfamilienministeriums aus dem Jahr 2004 gaben 22 Prozent aller befragten Frauen an schon einmal am Arbeitsplatz (sowie Schule und Ausbildung) sexuell belästigt worden zu sein (S.30)
  • Die Bundesregierung räumt ein, dass bestimmte Gruppen von Frauen, etwa „aufgrund einer besonderen Abhängigkeitssituation innerhalb der betrieblichen Hierarchie“ oder „aufgrund einer besonders prekären Ausbildung- und Beschäftigungssituation“ besonders „von sexueller Belästigung oder sexueller Gewalt betroffen und zugleich hinsichtlich der Abwehr solcher übergriffe faktisch in einer schlechteren Position“ sind. „Das Bestehen solcher Zusammenhänge kann […] grundsätzlich als gesichert angesehen werden.“ (S.30)
  • Statt explizit prekäre Beschäftigung zu bekämpfen, verweist die Bundesregierung lediglich auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) (S.30) - was richtig und wichtig ist aber eben bei weitem nicht reicht.