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Was kann DIE LINKE zu einem besseren Europa beitragen?

Im Wortlaut von Gregor Gysi,

Gregor Gysi und Katja Kipping sprachen am 24. März 2015 mit dem griechischen Ministerpräsidenten, Alexis Tsipras, über den Kurs seiner Regierung, um das Land aus der Krise zu führen, die Verhandlungen mit der EU und die Position der Bundesregierung dabei.

 

Von Gregor Gysi

 

Mit dieser Frage unterstelle ich zwei Dinge: Erstens, dass es in Europa echte Probleme gibt und zweitens, dass man etwas dagegen tun kann. Das sind keine Selbstverständlichkeiten. Die tonangebenden Politikerinnen und Politiker sowie die einflussreichen Medien suggerieren oft das Gegenteil.

Dass es mit dem Euro Probleme gibt, liege nicht etwa an einer verfehlten Politik aller Regierungen der Eurozone, sondern lediglich am Unvermögen einzelner, sich an die Regeln zu halten. Nicht „die Regeln" erscheinen so als Problem, sondern die Unfähigkeit einzelner Regierungen, ordentliche Haushaltsdisziplin zu üben.

Ein anderes Beispiel ist die sich täglich aufs Neue abspielende Flüchtlingskatastrophe im Mittelmehr. Natürlich sind alle betroffen, wenn an einem Tag hunderte Menschen umkommen. Aber dass ein Zusammenhang zwischen der Außenpolitik und der kapitalistischen Lebensweise des Westens und massiven Flüchtlingsströmen bestehen könnte, ist selten Thema.

Die Interpretation ändern (nicht die Tatsachen!)

Allein schon durch diese Beschreibungen, die gesellschaftliche Strukturprobleme auf Fehlverhalten oder unbeeinflussbare äußere Konfliktlagen zurückführen, wird der Gedanke, dass eine andere Praxis möglich wäre, schwer artikulierbar. Was kann man gegen „unfähige" Griechen tun? Sind wir hier für Bürgerkriege und Massenverarmung außerhalb Europas verantwortlich?

Deshalb muss man die Beschreibung, genauer: die Interpretation ändern (nicht die Tatsachen!). Dann entsteht erst die Möglichkeit der Politisierung. Im Folgenden möchte ich mich auf das Euro-Problem konzentrieren.

Vermutlich gibt es kein zweites Land der Welt, in dem neoliberale Ideologie so tief sitzt, wie in Deutschland. Das zeigt sich z.B. darin, dass nirgendwo sonst so innig an die ökonomische Neoklassik geglaubt wird wie in Deutschland.

Eine der Grundüberzeugungen bei der Einführung des Euro war es, dass sich im einheitlichen Währungsraum die einzelnen Volkswirtschaften hinsichtlich ihres Wohlstandsniveaus aufeinander zubewegen würden. Dafür sei es ausreichend, wenn die Euro-Stabilitätskriterien erfüllt würden. Nun ist genau das nicht passiert. Die Folgerung der neoklassisch inspirierten Geister: Dann müssen die Stabilitätskriterien verschärft werden.

Deutschland hat sich nie konsequent an die Stabilitätskriterien gehalten

Real ist jedoch etwas anderes passiert. Deutschland hat sich nie konsequent an die Stabilitätskriterien gehalten. Außerdem hat Deutschland durch eine Strategie der Entkopplung von Lohn- und Produktivitätswachstum nicht nur die kapitalistische Ausbeutung im Inneren verschärft, sondern die Lohn-Stück-Kosten auf Kosten seiner europäischen Partner gesenkt und dadurch enorme Exportvorteile erzielt.

Das Problem bei massiven Leistungsbilanzüberschüssen ist: Sie lassen sich nur realisieren, wenn diesen Überschüssen Schulden anderer gegenüberstehen. Daher ist das Gejammer der deutschen Regierung über die Staatsverschuldung im Süden der Europäischen Union (EU) entweder verlogen oder Ausdruck eines Unverständnisses ökonomischer Prozesse.

Euro-Stabilisierung à la Merkel ist ein Unterwerfungsprozess

Wenn die europäischen Eliten, die deutschen insbesondere, das nicht begreifen, werden sie die EU zerstören. Oder sie raffen sich endlich dazu auf, in eine offene Diskussion über die Zukunft der EU einzutreten. Der Wahlsieg der linken Syriza in Griechenland ist das erste Zeichen dafür, dass sich Widerstand gegen das neoliberale Regime formiert.

In Spanien, vielleicht sogar in Irland sind ebenfalls linke Wahlerfolge möglich. DIE LINKE in Deutschland stellt der Austeritätspolitik der Regierung Merkel, die Millionen im Süden Europas in die Armut treibt, ein Europa der Solidarität, des ökologisch nachhaltigen Wachstums, des Friedens, der Steuergerechtigkeit und der sozialen Wohlfahrt gegenüber. Nur so können die Schulden abgebaut werden.

Die Euro-Stabilisierung à la Merkel ist kein technischer Vorgang, sondern ein Unterwerfungsprozess. Das erst einmal deutlich zu machen, ist die nächstliegende Aufgabe der LINKEN in Deutschland.

Dieser Beitrag ist Teil einer Serie anlässlich des 10. Geburtstags der Huffington Post USA. An ihrem Geburtstag blickt die Huffington Post jedoch nicht zurück, sondern nach vorn. Deshalb berichten in dieser Serie Experten von ihren Zukunftsplänen und Hoffnungen für die nächsten 10 Jahre. Hier finden Sie alle weiteren Beiträge dieser Reihe