Banksystem droht Insolvenz
Die Finanzkrise verschärft sich und bringt viele Banken an den Rand der Pleite. Der Internationale Währungsfonds schätzt den Abschreibungsbedarf bei Vermögenswerten mit Ursprung in den USA auf 2,2 Billionen US-$ und sieht bei Banken in den USA und Europa einen zusätzlichen Kapitalbedarf von mindestens 500 Milliarden US-$. Das Volumen fauler Wertpapiere und Kredite wird von der Branche in Deutschland auf bis zu 800 Mrd. Euro geschätzt, vom Finanzministerium auf bis zu eine Billion Euro. Die deutschen Banken verfügen über Kapital und Rücklagen in Höhe von 366 Mrd. Euro, bei einer Bilanzsumme von 8090 Mrd. Euro. Finanzkrise und Wirtschaftskrise verschärfen sich gegenseitig und führen damit zu weiteren Wertverlusten.
Billigste Lösung: Überführung in Gemeineigentum
Soll aufgrund der Bedeutung für das Finanzsystem insgesamt der Bankrott einer Bank verhindert werden, so ist die Überführung in Gemeineigentum die billigste Lösung für die Allgemeinheit. Dies ist weitgehend anerkannt. Die Marktwerte der Institute sind gegenwärtig außerordentlich niedrig. Eingepreist ist allerdings noch die Hoffnung, der Staat würde die Verluste teilweise übernehmen. Ohne die bisherigen Staatshilfen würden die Marktwerte noch deutlich niedriger liegen. Die irische Regierung lässt es offen, ob sie Aktionäre der verstaatlichten Anglo-Irish Bank entschädigungslos lässt, wie dies die schwedische Regierung Anfang der 1990er Jahre getan hat. Die Bundesregierung erwägt die Zwangsenteignung der Aktionäre der Hypo Real Estate, sollten sie auf überzogene Entschädigungszahlungen bestehen. Mit einer Überführung in Gemeineigentum sind die faulen Vermögenswerte jedoch nicht verschwunden. Allerdings gehen damit auch werthaltige Vermögenswerte in öffentliches Eigentum über wie auch die zukünftigen Gewinne.
Gegenwehr aus ideologischen Gründen
Aus ideologischen Gründen hat diese Lösung jedoch viele Gegner. So schreibt Christian Schütte in der FTD: „Was die Antwort so schwierig macht, ist, dass eine Verstaatlichung kurzfristig billiger und konsequenter wäre. Die dicke Rechnung käme erst später - durch absehbares Politikversagen.“ Der Economist schreibt am 22.1.2009: „Als kapitalistische Zeitschrift lehnen wir eine gezielte Politik umfassender Verstaatlichung ab“, hält dann jedoch verstärkte öffentliche Beteiligungen für alternativlos. Der Internationale Währungsfonds verlangt am 28.1.2009 „die Anerkennung der Tatsache, dass kurzfristige Maßnahmen mit der langfristigen Vorstellung für das Finanzsystem in Einklang stehen müssen.“ Paul Krugman diagnostiziert eine tödliche Angst vor Verstaatlichung, die daran hindert, das zu tun, was auf der Hand liegt. „Der Staat ist nicht der bessere Banker“, auf diese Formel wird der ideologische Vorbehalt gebracht. Für die positive Aussage, Privatkapitalisten seien die besseren Banker, reicht das Selbstvertrauen im Moment nicht. Neben den ideologischen Vorbehalten stehen auch die wirtschaftlichen Interessen der Anteilseigner der Banken der Überführung in Gemeineigentum entgegen.
Die Alternative ist eine Sozialisierung der Verluste
Als Alternative ist nach wie vor eine Bad Bank im Gespräch. Das ist eine Institution, die den Banken faule Vermögenswerte abnimmt. Am 28.1.2009 forderte der Internationale Währungsfonds dazu auf, diese Idee zu prüfen. Die US-Regierung und Zentralbank bereiten Schritte in diese Richtung vor, daraufhin stiegen die Börsenkurse deutscher Banken deutlich. In Deutschland wurde die Forderung von Bankenvertretern und Politikern der Union vertreten. Trotz zahlreicher öffentlicher Dementi sind die Vorbereitungen im Finanzministerium in vollem Gange. Ausgeschlossen wird derzeit nur, dass es eine einzige Bad Bank geben könnte, und dass dem Steuerzahler sämtliche Verluste angelastet werden.
Erfahrungen mit bad banks wurden in den Bankenkrisen in den USA Ende der 1980er Jahre und in Schweden und Japan Anfang der 1990er Jahre gemacht. In den USA und Schweden wurden sie nur für Banken eingerichtet, die zuvor verstaatlicht worden waren. Privatbanken gründeten in Schweden ihre eigene Bad Bank, bekamen aber keine öffentliche Finanzierung dafür. Dadurch wurde das Hauptproblem entschärft, nämlich die Bewertung der faulen Vermögenswerte zum Zeitpunkt der Übertragung an die Bad Bank. In Japan wurde zunächst versucht, eine zentrale Bad Bank einzurichten, der gegenüber die Banken für Wertverluste haften sollten. Damit war den Banken nicht geholfen. Später kaufte der Staat den Banken faule Wertpapiere definitiv ab. Die japanischen Rettungsaktionen bis 1998 kosteten umgerechnet 390 Mrd. Euro, nur 53% der Summe erhielt der Staat zurück. Von den 150 Mrd. US$ Verlusten aus der US-Bankenkrise trug 125 Mrd. US$ die Allgemeinheit. Die Schwedische Rettungsaktion kostete zunächst 4 % des BIP, Wertsteigerungen reduzierten die Kosten auf 2 %. Noch besitzt der Staat einen Anteil von rund 20 % an der Bank Nordea, dessen Wert die ursprünglichen Kosten ungefähr aufwiegt. Jede verstaatlichte Bank hatte in Schweden ihre eigene Bad Bank. Der ehemalige Leiter der Bad Bank Securum erklärte jüngst dazu: „Ich halte es für unmöglich, die problembehafteten Papiere vieler verschiedener Institute in eine einzige Bad Bank zu packen.“
Der Vorzug der bad banks wird darin gesehen, dass sich das Management der Ursprungsbank auf das Neugeschäft konzentrieren kann, während das Management der bad bank die faulen Aktiva professionell verwertet. Außerdem soll dadurch sichergestellt werden, dass kein Zwang zu Notverkäufen besteht. Der Spezialisierungsvorteil lässt sich auch erreichen, wenn jede Privatbank eigenständig eine Bad Bank gründet. Dies haben die Genossenschaftsbanken und auch die Dresdner Bank 2003 mit Erfolg getan. Notverkäufe lassen sich verhindern, indem Zentralbanken gegen Sicherheit Liquidität bereitstellen, oder, sollten die Banken nicht mehr über genügend notenbankfähige Sicherheiten verfügen, indem eine öffentliche Kapitalerhöhung durchgeführt wird. Eine Bad Bank nach schwedischem Vorbild kann dagegen nicht die Unsicherheit reduzieren, denn die Verluste der Bad Bank würden ja weiterhin die bisherige Bank belasten.
In der jetzigen Situation geht es jedoch um etwas anderes. Das Eigenkapital der meisten Banken reicht nicht aus, um die bisher aufgeschobenen Wertkorrekturen zu tragen. „Die Bad Bank aber würde zumindest helfen, die Hilfe für die Banken auf eine wirklichkeitsnähere Grundlage zu stellen. Dass so etwas extrem viel kosten würde, liegt auf der Hand.“ (FAZ vom 19.1.2009)
Um das Eigenkapitalproblem der Banken zu lösen, muss eine Bad Bank eine verdeckten Kapitalspritze ermöglichen. „Ein fairer Preis würde in vielen Fällen nahe bei null liegen - dann könnten sie aber auch gleich abgeschrieben werden, der Effekt für die Bilanz wäre derselbe wie beim Verkauf. Wenn die Bad Bank überhaupt einen Sinn machen soll, muss sie also mehr bezahlen, als die Papiere aller Voraussicht nach wert sind.“ (FAZ, 23.1.2009)
Die verdeckte Kapitalspritze erfolgt durch Überbewertung der faulen Aktiva. Diese ist kaum zu vermeiden. Erstens weil die Banken eine realistische Bewertung nicht verkraften würden, zweitens weil der tatsächliche Wert kaum zu ermitteln ist. Schon die Bildung homogener Klassen von Aktiva bereitet nach der exzessiven Finanzinnovation enorme Probleme, heute viel mehr als damals in Schweden. Deshalb lässt sich der Mechanismus inverser Versteigerungen nicht sinnvoll anwenden.
Auch die Preisermittlung bereitet Probleme. Dies erklärte Wirtschaftsprüfer Peter Mauritz in der FAZ vom 19.1.2009:
„Allerdings muss man sich als Steuerzahler darüber im Klaren sein, dass die bisherigen Eigentümer ein Interesse daran haben dürften, vor allem solche Wertpapiere zu verkaufen, bei denen weiterer Abschreibungsbedarf, Nachschusspflichten, kurz: weitere Belastungen drohen. (…) Aufgeweichte Bilanzierungsvorschriften haben es den Banken gerade für den Jahresabschluss 2008 erlaubt, Wertpapiere aus dem Umlauf- ins Anlagevermögen umzubuchen. Nun müssen sie nicht mehr zum strengen Niederstwertprinzip oder aktuellen Zeitwert (Fair Value) bewerten. Die Folge ist: Wir reden über Wertpapiere, die - mangels liquider Märkte - in der Bankbilanz zu von Wirtschaftsprüfern mit Hilfe von Modellen nach bestem Wissen als fair vermuteten Preisen angesetzt und testiert werden. Allerdings will sie niemand derzeit zu diesen Preisen kaufen. Dennoch sollten die in den Bilanzen 2008 von Wirtschaftsprüfern akzeptierten Werte die Basis sein. Denn es gibt keine realitätsnäheren.“ Frage: Warum sollte eine \\"Bundes-Bad-Bank\\" diese Werte als Preis akzeptieren, wenn andere Käufer es nicht tun? „Das ist in der Tat ein Problem. Ohnehin muss man unterstellen, dass der Verkäufer besser Bescheid weiß über den Wert von eigenen Papieren als ein möglicher Käufer. Im Moment signalisiert zudem das Fehlen von Käufern, dass zu den von Wirtschaftsprüfern testierten Kursen weiterer Abwertungsbedarf besteht. (…)“
Am Bewertungsproblem scheiterte die Regierung Bush zweimal bei dem Versuch, den Banken faule Aktiva abzukaufen. In Schweden wurden ausgelagerte Kredite um 40-50% abgewertet, in Japan sogar fast um zwei Drittel. Wäre man dort wie vorgeschlagen nach Buchwerten vorgegangen, wäre der Verlust der Bad Bank deutlich höher gewesen.
Bad Bank light
Mit Müntefering und Kauder haben zahllose Politiker und Ökonomen, die dem mainstream zuzuordnen sind, das Konzept einer Bad Bank als Sozialisierung von Verlusten verworfen. Ihre Aufgabe ist daher nun folgende: „Jetzt müssen die Wortkosmetiker ran und den Begriff der „Bad Bank“ anders verpacken. (…) Am Kern der Sache wird das aber wenig ändern.“ (FAZ, 12.12.2008)
Da ist zunächst der Vorschlag von Ausfallbürgschaften, wie in Großbritannien beschlossen. Hier gilt: „Eine faire Gebühr für die Ausfallbürgschaft dürfte (...) kaum billiger für die Banken sein als der Weg, die Papiere entsprechend abzuschreiben.“ (FAZ, 23.1.2009) Die Gebühr muss den wahrscheinlichen Wertverlust ausgleichen, soll sie kostendeckend sein. Sie hätte dann die gleiche Wirkung wie eine Abwertung.
Auf Anregung von Steffen Kampeter prüft das Finanzministerium den Einsatz des Instruments der Ausgleichsforderung, das bereits 1948 und nach der Wiedervereinigung zum Einsatz kam. Der Staat würde in diesem Falle die faulen Aktiva kaufen und mit langfristigen Staatsschuldtiteln zahlen. Zudem soll der Staat an zukünftigen Gewinnen der Bank beteiligt werden. Dies ist hinreichend verwirrend, um eine verdeckte Kapitalspritze durchzuführen. Die Beteiligung an den zukünftigen Gewinnen lässt sich freilich durch Überführung in Gemeineigentum am besten umsetzen. Die entscheidende Frage der Bewertung bleibt ungelöst. Elegant ist es, die für die Rettungsaktion notwendige Staatsverschuldung gleich bei der begünstigten Bank zu platzieren. Entsprechend erhöht sich deren Liquiditätsbedarf. Das Problem ließe sich dadurch lösen, dass die Ausgleichsforderungen von der Zentralbank rediskontiert werden. Dann ist die Kreditvergabe an den Staat, die durch die Ausgleichsforderung erzwungen wird, jedoch keine Leistung der begünstigten Bank mehr, sondern der Zentralbank. Schließlich kann als Vorzug dieser Lösung betrachtet werden, dass die Geschäftsbank zunächst weniger abschreiben muss, in den folgenden Jahren dafür jedoch weniger Rendite erzielt, weil die Ausgleichsforderung niedrig verzinst wird. Der gleiche Effekt lässt sich jedoch erreichen, indem man flexible Bilanzierungsregeln erlässt, wie bereits geschehen.
Eine andere Erwägung ist, die Aktiva länger als drei Jahre beim SoFFin zu parken. Dies kann unterschiedliche Wirkungen haben. Entweder die Banken sind weiterhin gezwungen, diese Aktiva letztlich zurückzunehmen und Wertverluste selbst zu tragen. Dann müssen diese Risiken in der Bilanz berücksichtigt werden, das Insolvenzproblem ist dadurch nicht gelöst. Die Rücknahmeverpflichtung müsse nämlich wie eine Eventualverbindlichkeit behandelt werden. Oder die Operation erlaubt den Banken, die Verlustrisiken für ein paar Jahre in der Bilanz unberücksichtigt zu lassen. Dann ließe sich der gleiche Effekt durch flexiblere Bilanzierungsregeln erzielen. Die dritte Möglichkeit schließlich ist, dass die Banken an Wertverlusten zwar beteiligt werden, ein Teil der Wertverluste aber der Allgemeinheit angelastet wird.
Ähnlich verhält es sich mit der Idee, für einzelne Banken jeweils eine Bad Bank zu schaffen und diese über den Soffin mit Eigenkapital oder mit Bürgschaften zu versorgen. Sofern die jeweilige Bank für die Verluste ihrer Bad Bank haftet, wird dadurch ihre Bilanz nicht entlastet, es sei denn, dies ermöglicht ihr, diese Risiken für ein paar Jahre nicht zu bilanzieren, obwohl sie dafür einstehen muss. Dies scheint der HSH Nordbank vorzuschweben, die mit einer Bad Bank ihre Kernkapitalquote anheben möchte. In die gleiche Richtung zielt Rüttgers, der vorschlägt, durch eine Bad Bank die Risiken zu „bündeln, ohne dass sie die Bilanz runterreißen.“ Oder die Banken sollen doch von der Haftung für ihre bad banks entbunden werden, womit die Verluste auf die Allgemeinheit übertragen werden. Eine solche Operation ist für die Schweizer Bank UBS bereits durchgeführt worden, in den USA für die Citigroup und die Bank of America.
Frank Bsirske bezeichnete ein solches Vorgehen als \\"Trick 17\\", dass der Staat \\"Milliarden in eine oder mehrere ausgegliederte Schrottbanken investieren\\" solle, ohne Einfluss auf die Geschäfte der lukrativen Mutterbanken nehmen zu können.
Da der Bankenkrise nicht durch nachsichtige Bilanzierung beizukommen ist, fasst Christian Schütte treffend zusammen: „Ob die Problempapiere nun künftig vom Staat versichert oder gleich aufgekauft werden, ob sie in einer einzigen großen Bad Bank oder in vielen bankspezifischen Müllhalden abgelagert werden - im Kern bleibt es stets dabei, dass die Verlustrisiken der Bankaktionäre sozialisiert werden.“
Von Herbert Schui
www.linksfraktion.de, 29. Januar 2009
Warum eine Bad Bank light teurer ist als Vergesellschaftung
Im Wortlaut
von
Herbert Schui,