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Ein Arbeiter trägt beim Umbau des Plenarsaales des Bundestages einen blau gepolsterten Stuhl © DBT/Achim MeldeFoto: DBT/Achim Melde

Wahlrechtsreform: »Man will die linke Opposition ausschalten«


Nachricht von Dietmar Bartsch, Jan Korte, Susanne Hennig-Wellsow,

Der Deutsche Bundestag ist das größte frei gewählte Parlament weltweit. Eine Wahlrechtsreform zur Verkleinerung ist überfällig, da sind sich alle einig. Darüber, wie diese konkret aussehen sollte, gehen die Meinungen in den Fraktionen jedoch auseinander. Der neueste Entwurf der Bundesregierung sieht unter anderem vor, die sogenannte Grundmandatsklausel zu streichen. Damit würde der erneute Einzug von regional starken Parteien wie der LINKEN oder der CSU in den Bundestag deutlich erschwert. Der Gesetzentwurf soll am Freitag beschlossen werden.

"Ein XXL-Bundestag ist weder finanziell noch qualitativ zu rechtfertigen. Dass die Ampel Anlauf für eine Reform nimmt, ist begrüßenswert", sagt Dietmar Bartsch, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. "Bei dem Weg, den sie beschreitet, geht es aber weniger um eine Reform, sondern mehr um eine Absicherung der eigenen Ampel-Macht.

Ich sage, mit der Demokratie spielt man nicht. Die faktische Abschaffung der Grundmandatsklausel ist ein offener Anschlag auf meine Partei und schadet der ohnehin schwachen Repräsentation Ostdeutschlands. Wir werden den Gang nach Karlsruhe nicht scheuen. Es gibt Alternativen zu den Plänen der Ampel, meine Fraktion hat sie in der Vergangenheit vorgeschlagen."

Im ntv-Gespräch mit Andrea Lindholz betont Bartsch: "Man kann nicht auf diese Art und Weise versuchen, die Opposition mundtot zu machen - und nichts anderes ist dieser Versuch - und ansonsten sagen: Seid mal bitte kompromissbereit. Die Ampel-Parteien kommen mit der Attitüde daher, es gehe um die Begrenzung des Bundestages. Das leuchtet den Menschen ein. Die denken sich, wir könnten nichts dagegen sagen, weil es dann so wirkt, als ob wir gegen eine Begrenzung wären. Das ist nicht in Ordnung. Das muss Auswirkungen haben."

Auch Jan Korte, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion, kritisiert: "Das Wahlrecht der Ampel wird zukünftig relevante Minderheiten und regionale Parteien aus dem Bundestag ausschließen und kann dazu führen, dass zwei Oppositionsparteien diesem Parlament nicht mehr angehören. Dass Regierungen sich Wahlgesetze schreiben, die sie bei der nächsten Wahl bevorzugen, erinnert an Berlusconi, Orban oder Kaczyński. Aber die Ampel wird DIE LINKE nicht aus dem Weg räumen, genauso wenig, wie es die Kohl-CDU geschafft hat."

Susanne Hennig-Wellsow führt aus: "Wenn die 'Grundmandatsklausel' gestrichen wird, kann über die 'Sperrklausel' nicht geschwiegen werden. Denn mit der Streichung kann sich folgendes Bild ergeben: Eine Partei gewinnt 32 Direktmandate, scheitert aber an der Fünf-Prozent-Hürde. Dann würden diese 32 Personen nicht in den Bundestag einziehen, obwohl 32 Abgeordnete 5 Prozent der Mitglieder des Bundestages bei einer Größe von 630 Abgeordneten ausmachen. Erkennbar wäre dies nicht vereinbar mit dem angeblichen Sinn und Zweck der Sperrklausel."

Bislang reichte es aus, Wahlkreisbeste zu sein, um in den Bundestag einzuziehen. Nach dem Entwurf der Ampel könnten durch Zweitstimmen gedeckte Erststimmen von Wahlkreisbesten nicht zum Mandat führen, obwohl die grundlegende Bedingung - die Zweitstimmendeckung - gegeben ist. Es gibt in der Folge nicht eine Bedingung für Wahlkreisbeste, sondern zwei Bedingungen. "Damit ist die Chancengleichheit nicht gewahrt. Weder braucht es die Sperrklausel, um die Handlungsfähigkeit des Parlaments zu gewährleisten, noch ist sie rechtlich zwingend. Im Verfassungsgebungsprozess wurde sie explizit abgelehnt. Wenn die Grundmandatsklausel gestrichen wird, dann müsste auch Sperrkausel fallen."