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Von Datenjägern und Sammlern

Periodika,

»Die Bundesdruckerei soll wieder verstaatlicht werden.« Normalerweise sorgt schon das Wörtchen »verstaatlichen« für große Aufregung. Doch diesmal verschwand die Botschaft fast in den Randspalten der Medien. Und so blieben auch die Ränke dahinter im Dunkeln.

Rückblende: Die Geschichte begann 1897 als königlich-preußische Druckerei. Später hieß sie Reichsdruckerei. Seit 1951 firmierte sie als Bundesdruckerei. Wichtiger ist: Dort wurden Patentschriften, Postwertzeichen und Banknoten gedruckt, auch Personalausweise, also Hoheitspapiere. Kurzum: Es ging um Besonderes, und das erforderte stets eine ebensolche Sicherheit.

Bis anno 2000: Da schwangen die SPD und die Grünen das Regierungszepter, und der zuständige Finanzminister hieß Hans Eichel. Der war auf der Jagd nach dem schnellen Geld. Und so wurde die Bundesdruckerei einfach versilbert, sprich: privatisiert. Dagegen regte sich Widerstand. Die Gewerkschaft protestierte. Die Belegschaft demonstrierte. Bezirks-, Landes- und Bundespolitiker intervenierten. Auch ich war dabei. Selbst die FDP müpfte auf. Denn der sensible Berliner Großbetrieb war ja kein Krämerladen. Doch die SPD fegte alle Bedenken hinweg, und die Grünen stimmten zu.
Natürlich fanden sich Käufer. Sie witterten ein Riesengeschäft, weltweit. Das neue Zauberwort hieß: fälschungssichere Dokumente. Dafür gab es einen hartnäckigen Lobbyisten, Otto Schily (SPD), seinerzeit Bundesinnenminister. Im Kampf gegen den Terrorismus hatte er viele Pläne. Einer hieß: Alle Ausweise müssen mit biometrischen Daten ihrer Inhaber versehen werden, vorerst mit Fingerabdrücken. Später sollte die Iris hinzukommen, eine Art Augenabdruck. Wer könnte etwas gegen Pässe haben, die sicherer sind? Natürlich niemand. Mein Bundestagskollege Jan Korte hatte allerdings den Chef des Bundeskriminalamtes (BKA) gefragt: »Wie viele herkömmliche Ausweise wurden in den zurückliegenden Jahren nachweislich gefälscht?« Die protokollierte Antwort lautet: acht! Noch einmal: acht! Dafür also die ganze Aufregung? Wohl kaum.

Die Bundesdruckerei stand im Fadenkreuz zweier Vorhaben. Der Staat wollte möglichst von allen Bürgerinnen und Bürgern immer mehr Daten horten - auch deshalb die neuen Ausweise. Und die Privatwirtschaft erhoffte sich von dem neuen Sicherheitswahn ein weltweites Geschäft - deshalb ihre Gier nach der Bundesdruckerei. Drumherum wurde es noch bunter. Ex-Innenminister Schily (SPD) kaufte sich alsbald in das Netzwerk neuer IT-Unternehmen ein, das sich mit Pässen, E-Cards und mehr eine goldene Nase verdienen will. Und Ex-Staatssekretär Ludger Vollmer (Die Grünen) tat es ihm gleich.

Als Spielverderber erwies sich diesmal der Chaos-Computer-Club (CCC) mit seinen kritischen Computer-Experten und engagierten Datenschützern. Der CCC kopierte mit einfachsten Mitteln die angeblich ach so sicheren Fingerabdrücke, und zwar ausgerechnet die von Innenminister Schäuble (CDU), dem nach Otto Schily schärfsten Vorkämpfer gegen den Terrorismus. Das große Sicherheitsversprechen erwies sich als Farce. Dumm gelaufen. Das noch größere Geschäftsinteresse an persönlichen Daten aber blieb. Und so waren längst auch internationale Finanz-Hasardeure auf der Jagd nach der privatisierten Bundesdruckerei.

Nun soll sie wieder verstaatlicht werden. »Aus Sicherheitsinteressen«, heißt es. Eine selten gute Erkenntnis. Aber was ist mit all den sensiblen Daten, die vordem gehandelt und die weiterhin erhoben werden? Konten-Daten, Gesundheits-Daten, Verbindungs-Daten, Bewegungs-Daten, Sozial-Daten, politische Daten, alles, was niemanden etwas angeht. Meint das Grundgesetz. Und genau das finde ich auch.