Zum Hauptinhalt springen

Versicherte zahlen drauf – Arbeitgeber lassen die Korken knallen

Im Wortlaut von Harald Weinberg,



Von Harald Weinberg, gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
 

Auch diese Bundesregierung setzt den Kurs ihrer drei Vorgängerregierungen konsequent fort. Die Versicherten zahlen zukünftig alle Beitragssteigerungen in der Krankenversicherung alleine, die Arbeitgeber dürfen sich freuen: Sie haben bis mindestens 2017 die Garantie, dass ihre Beitragszahlungen nicht steigen werden. Das sieht der heute durch die Bundesregierung gewunkene Kabinettsentwurf des "Gesetzes zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung" vor. Ein ehrlicherer Name wäre "Gesetz zur Schröpfung der Versicherten und Schonung der Arbeitgeber".

Im alten Konflikt zwischen Arbeit und Kapital hat sich diese Koalition mit Beteiligung der SPD auf die Seite des Kapitals geschlagen. Der Gesundheitsminister versucht dennoch, den Versicherten seine Reform schmackhaft zu machen. Er frohlockt, Millionen Versicherte würden ab 2015 entlastet. Das wird zwar möglicherweise so kommen, ist aber nicht einmal die halbe Wahrheit. Denn zur Wahrheit gehört auch, dass Millionen andere Versicherte nach seiner Reform höhere Beiträge als bislang zahlen müssen. Was die einen weniger zahlen, zahlen die anderen mehr – oder man muss an die Reserven ran. Zur Wahrheit gehört außerdem, dass die Zusatzbeiträge in den Folgejahren für alle ansteigen werden. Es wird nicht einmal bis zum Ende der Wahlperiode dauern, bis auch die 'Millionen', die am Anfang entlastet werden, einen höheren Beitrag zahlen müssen als die derzeitigen 15,5 Prozent. Das verschweigt Gröhe wissentlich.

Was bedeutet das nun für den einzelnen Versicherten? Zunächst wird der Sonderbeitrag abgeschafft, das bedeutet eine Entlastung der Versicherten und eine Belastung der Krankenkassen von rund 10,5 Milliarden Euro. Die Krankenkassen müssen nun selbständig entscheiden, wie hoch der Zusatzbeitrag sein soll, um diese Belastung wieder auszugleichen. Es ist davon auszugehen, dass die Kassen genau diese 10,5 Milliarden Euro über die neuen Zusatzbeiträge wieder erheben werden. Allerdings wird es Unterschiede geben von Kasse zu Kasse. Einige Versicherte werden weniger zahlen, andere mehr – für die gleiche Leistung. Die Arbeitgeber zahlen davon nichts. Die Versicherten werden also 2015 um 10,5 Milliarden Euro mehr belastet als ihre Arbeitgeber. Pro Beitragszahler und Jahr sind dies 210 Euro Mehrbelastung gegenüber dem Arbeitgeber.

Angenommen die finanzielle Situation der gesetzlichen Krankenversicherung verschlechtert sich, wovon alle Experten ausgehen, dann zahlen alleine die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler die Rechnung. Wenn man davon ausgeht, dass die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben im System der Krankenversicherung jedes Jahr um 4 Milliarden Euro zunimmt – eine grobe Schätzung, aber ein realistisches Szenario – dann bedeutet das jedes Jahr eine Mehrbelastung der Versicherten von 80 Euro pro Kopf. 2017 könnten dann die Beitragszahler schon um die 400 Euro mehr zahlen als ihre Arbeitgeber. Spätestens dann werden die günstigsten Kassen bereits höhere Beiträge erheben als über den heutigen Einheitsbetrag der Kassen zu zahlen ist.
Die Bundesregierung spricht naturgemäß nur in besten Tönen von ihrem Gesetz. Aber eine Wirkung scheint sie selbst zu befürchten, nämlich Kassenpleiten. Denn den Geldtopf, der zur Bewältigung von Kassenpleiten eingerichtet wurde, hat sie heute ebenfalls deutlich aufgestockt.

linksfraktion.de, 26. März 2014