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Verlängern bis zum Sankt-Nimmerlein-Tag?

Im Wortlaut von Jan Korte,

Jan Korte, Innenexperte der Bundestags-Linksfraktion, über die angebliche Evaluierung der Anti-Terror-Gesetze

Am Rande des mit »vergifteten Paragraphen« (H.Prantl) gepflasterten Wegs vom klassischen Rechtsstaat in den präventiven Überwachungsstaat sind Kollateralschäden zu besichtigen. Das erst vor kurzem als bürgerrechtliche Sicherung gegen überbordende Grundrechtseingriffe erdachte Instrument der Evaluierung von Gesetzen wurde – kaum dass einer das Wort buchstabieren konnte – schon wieder zur Farce gemacht. Jeweils beteiligt: Union und SPD und – vielleicht nicht ganz so selbstverständlich – die beiden Bürgerrechtsparteien Bündnis 90/DIE GRÜNEN und FDP in jener und dieser Koalition. In das Terrorbekämpfungsgesetz (TBG) wurden als radikalst mögliches Misstrauen der GRÜNEN in Schilys Schnellschuss-Ausnahmegesetze Evaluierungsklauseln aufgenommen. Damit fiel die Zustimmung zu Grundrechtseingriffen von bis dahin unbekannter Dimension ein bisschen leichter und das Zauberwort von der »gesetzlichen Pflicht zur Evaluierung« verlieh dem Werk das Flair des Rückholbaren, des Nicht-ganz-so-Bedrohlichen.

Tatsächlich: 2005 wurden die Befugnisse des Gesetzes evaluiert. Und zwar – Sündenfall Teil 1 – auf eine Art und Weise, die nach Ansicht aller Experten ein Arbeitsbericht, eine Selbstevaluation der Sicherheitsbehörden, ein Tätigkeitsbericht, kurz alles Mögliche war. Nur keine zuvor von den Erfindern behauptete Evaluierung mit kritischem Sinn. Konsequenterweise folgt – der Wahnsinn hat ja Methode – das Terrorbekämpfungsergänzungsgesetz (TBEG). Es versieht die Sicherheitsbehörden mit weiteren Befugnissen und – weil es so gut geklappt hat – der Pflicht zur erneuten Evaluation 2011.

Im Jahre 2011 wird zweigleisig evaluiert. Ein Gutachten, das die Regelungen danach untersucht, ob sie den Zweck des Gesetzes erfüllen, soll von einem zweiten Gutachter, den die Bundesregierung selbst verpflichtet, verfassungsrechtlich bewertet werden. Eben dieser handverlesene Gutachter kommt nun aber zu dem Ergebnis, dass er auf Grund der von Gutachten 1 gelieferten Daten kein qualitativ besseres Ergebnis liefern könnte, als es der Tätigkeitsbericht im Jahre 2005 war. Oder in des Gutachters eigenen Worten: »Der vorliegende Entwurf eines Evaluierungsberichts wird auch in Kombination mit dem vorliegenden verfassungsrechtlich ergänzenden Gutachten dieser Hoffnung (dass die Mängel der Evaluierung 2005 vermieden werden – J.K.) nur beschränkt gerecht. Ein qualitativer Unterschied in der Art des Berichts ist zwischen dem … Evaluierungsbericht vom 24.06.2010 und Bericht aus dem Jahr 2005 nicht zu ersehen.« (Heinrich Amadeus Wolff, Stellungnahme zum TBEG, S. 23)

Und wie die grüne Bürgerrechtspartei 2005 nimmt die FDP 2011 diese Karikatur einer Evaluation fürs Ganze, verlängert pauschal alle wesentlichen Befugnisse des TBEG für weitere vier Jahre und spricht »mutig« von einer Trendwende in der Sicherheitsgesetzgebung. Ach ja. Eingerichtet wurde auch eine unabhängige Regierungskommission. Sie soll die Entwicklung der Sicherheitsgesetzgebung seit dem 11.9.2001 untersuchen. Unverbindlich natürlich.

Neues Deutschland, 1. September 2011