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Verhandeln und helfen statt bombardieren

Im Wortlaut von Jan van Aken,

Foto: Uwe Steinert

 

 

Jan van Aken, außenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, über die Folgen eines drohenden Militärschlags der USA gegen Syrien, notwendige Hilfe für die Zivilbevölkerung und zu der Frage, wie die Verantwortlichen für den Giftgaseinsatz bestraft werden

 

Obama und Kerry haben jetzt die Weltöffentlichkeit per Pressekonferenz wissen lassen, dass die US-Regierung ihr Festhalten an einem Militärschlag gegen Syrien auf gesicherte Erkenntnisse ihrer Geheimdienste stützt. Wie glaubhaft ist das?

Jan van Aken: Insgesamt ist die Beweisführung hier sehr viel vorsichtiger und sehr viel dünner als im Jahre 2003.

Nach den USA schickt jetzt auch Russland Kriegsschiffe ins Mittelmeer. Ist nicht eine Art Status quo in der Region zwischen den einstigen Supermächten des Kalten Krieges sogar eine Chance, dass der syrischen Bevölkerung ein Militärschlag von außen erspart bleibt.

Ganz sicher nicht, denn auch wenn Russland jetzt mit Kriegsschiffen nachzieht, wird das die USA nicht von einem Angriff abhalten. Das Schlimme ist, dass die Menschen in Syrien bereits seit zwei Jahren unter diesem schrecklichen Bürgerkrieg leiden. Über einhunderttausend Menschen sind schon getötet worden, Millionen sind auf der Flucht. Ihnen hilft auch kein noch so großes Aufgebot von Kriegsschiffen – sie brauchen Frieden, und den wird es nur über Verhandlungen geben. Weder Bombenangriffe noch Säbelrasseln werden diesen Krieg beenden.
 
DIE LINKE fordert, die Verantwortlichen für den Giftgaseinsatz in Syrien vor Gericht zu stellen. Wie soll das vonstatten gehen?

Momentan weiß niemand, wer für den mutmaßlichen Giftgas-Angriff verantwortlich ist. Ich glaube, dass wird auch erst nach Ende des Bürgerkrieges sicher aufzuklären sein - zum Beispiel weil Beteiligte dann anfangen zu reden oder weil Dokumente auftauchen. Die Schuldigen müssen dann vor Gericht gestellt werden, wenn möglich vor ein syrisches, ansonsten vor ein internationales. Viele Kriegsverbrechen der letzten Jahrzehnte sind erst viel später aufgeklärt und geahndet worden. Wir müssen alles daran setzen, dass auch dieses grausame Verbrechen von Damaskus aufgeklärt wird. 

Und dann? Wie soll ohne militärisches Eingreifen von außen erreicht werden, dass die syrische Zivilbevölkerung nicht länger dem Bürgerkrieg ausgesetzt bleibt?

Andersrum wird ein Schuh daraus: Wie soll den Menschen in Syrien mit Bombenangriffen geholfen werden? Sie leiden seit zwei Jahren unter dem Bürgerkrieg, sie brauchen vor allem humanitäre Hilfe und endlich echte Verhandlungen für einen Waffenstillstand. Wer den Menschen in Syrien helfen möchte, muss den Waffenzufluss beenden und verhandeln. Eine Militärintervention von außen würde den Krieg nur verschlimmern und das Leid der Zivilbevölkerung vergrößern. 

Schon vor über einem Jahr sprach Präsident Obama von der "roten Linie", die im Syrien-Konflikt mit dem Einsatz von Chemiewaffen überschritten sei. Muss man nicht davon ausgehen, dass die USA spätestens zu diesem Zeitpunkt mit der Planung eines Militärschlags begonnen haben?

Natürlich haben die USA, aber auch Großbritannien und Frankreich, schon lange für einen möglichen militärischen Angriff vorgeplant - was aber noch gar nichts darüber aussagt, was sie jetzt wirklich tun werden. Denn auch sie wissen um die Risiken eines regionalen Flächenbrandes, der den ganzen Nahen Osten in einen Kriegsschauplatz verwandeln kann. Und sie wissen auch, dass die dominierenden Rebellengruppen in Syrien nicht die "Guten" sind und ein Sturz Assads auch ein Syrien unter Kontrolle radikalislamischer Gruppen bis hin zu Al Qaida bedeuten könnte.

Ist mit der Stationierung deutscher Soldaten und Partiotsysteme im türkisch-syrischen Grenzgebiet nicht schon längst die Vorentscheidung über eine deutsche Beteiligung an einer Intervention in Syrien gefallen?

Wir haben die Stationierung der Bundeswehr in der Türkei von Beginn an kritisiert, weil damit die Gefahr groß ist, direkt in einen Nahost-Krieg hineingezogen zu werden. Mit der jetzigen Kriegsandrohung ist diese Gefahr immens gewachsen. Deshalb fordern wir ja auch den unverzüglichen Abzug der deutschen Truppen von der syrischen Grenze. Denn eins ist klar: Wenn sie jetzt nicht abgezogen werden, dann kann die Bundeswehr ganz schnell in den Krieg hineingezogen werden. 

DIE LINKE warnt vor einem Überspringen des Krieges auf den Libanon, Jordanien, die Türkei und Israel.

Ja. Es besteht die große Gefahr eines Flächenbrandes in der Region, wenn jetzt von außen bombardiert wird. Auch wenn weder Assad noch der Iran oder die "Koalition der Willigen" unter Führung der USA ein Interesse an einer weiteren Internationalisierung des Krieges haben können, kann sich ganz schnell eine Eigendynamik entwickeln, an deren Ende viele Staaten in der Region in den Krieg verwickelt werden.

In welcher Form könnte eine deutsche Bundesregierung egal welcher Couleur in dieser Situation überhaupt Einfluss auf eine Lösung jenseits von militärischer Gewalt nehmen?

Ganz konkret sind das drei Punkte: Erstens den Waffenzufluß nach Syrien stoppen. Wir wissen, dass Russland Assad und dass Saudi Arabien, Katar und die Türkei die Rebellen massiv aufrüsten - das muss ein Ende haben. Das heisst: Alle deutschen Waffenexporte an diese Staaten stoppen! Zweitens muss den Menschen in Syrien direkt geholfen werden, mit humanitärer Hilfe in Syrien, mit Unterstützung der Flüchtlingslager und einer Aufnahme von syrischen Flüchtlingen in großem Maßstab. Also: Hilfen aufstocken und viel mehr Flüchtlinge aufnehmen! Und drittens muss endlich verhandelt werden. Ohne eine konstruktive Einbindung von Russland und Iran wird es keine Friedenslösung geben. Dafür muss die Bundesregierung sich gegenüber allen Staaten stark machen.

linksfraktion.de, 31. August 2013