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Verhängnisvolle Privatisierung

Im Wortlaut,

Hätte Adam Smith, der Vater des Ökonomischen Liberalismus, die Eisenbahn noch erlebt, hätte er sie wahrscheinlich wie die Post im Eigentum des Staates sehen wollen. Die heutigen Neoliberalen überrennen alles, was selbst von Liberalen an ordnungspolitischer Vernunft geäußert wurde. Eine Auseinandersetzung mit dem Privatisierungsproblem ist dringend nötig. Wenn es schon nicht um die ursozialistische Forderung »Was des Volkes Hände schaffen, soll des Volkes eigen sein« gehen soll, so doch zumindest um die Frage, wie die durch das Grundgesetz gebotene Sozialpflichtigkeit des Eigentums zu gewährleisten ist.

Warum sollte die Bahn nicht privatisiert werden? Erstens, weil es zu den Hoheitsaufgaben des Staates gerechnet werden muss, die Mobilität von Menschen und Gütern politisch zu garantieren. Zu diesen Aufgaben gehören eben nicht nur die der allgemeinen Sicherheit, Polizei und Strafvollzug, sondern die Komponenten öffentlicher Daseinsvorsorge wie Wasser- und Abwassersysteme, Energieversorgung und Informationsnetze. Hoheitsaufgaben sind nicht wirklich übertragbar. Auch wenn der Staat öffentliche Unternehmen privatwirtschaftlichem Management überträgt oder sie privatisiert, bleibt er den Bürgern gegenüber in der Verantwortung. Bleibt die Frage, ob private Bewirtschaftung im Vergleich zu öffentlichen Unternehmen nicht effizienter sei. Die reichlichen Erfahrungen ermöglichen ein eindeutiges Urteil: Nein!

Die Bahn sollte zweitens deshalb nicht privatisiert werden, weil dies für die Bürger eindeutig von Nachteil wäre. Zwar wird behauptet, Private trügen im Unterschied zu staatlich eingesetzten Leitern ein ganz persönliches Risiko. Öffentliche Unternehmen seien der Nährboden eines vor allem von den Parteien genährten Filzes, in welchem Korruption und Vetternwirtschaft prächtig gedeihen würden. Aber ist das im privaten Bereich besser? Mussten von den großen Nieten in Nadelstreifen, die wegen Unfähigkeit ihre Unternehmen an den Rand des Ruins führten, dann doch einige abgelöst werden, wurde ihnen das mit millionenschwerer Abfindung versüßt; beim ALG II landete keiner von ihnen.

Was bei öffentlichen Unternehmen zu Recht als Korruption angesehen wird, ist bei Privaten oft übliches legales Geschäftsgebaren. Vor allem: Die Möglichkeiten demokratischer Kontrolle sind im öffentlichen Bereich unvergleichlich besser. Das Muster der Folgen, wie es im Falle der Privatisierung der britischen Staatsbahnen besonders deutlich zutage trat, wiederholt sich sehr präzise immer wieder: Es wird zu einem für die Privaten günstigen Preis ein mehr oder weniger intaktes Unternehmen übernommen, Investitionen werden zurückgefahren, der Kapitalstock veraltet schnell, Havarien häufen sich; die Preise der Güter und Leistungen steigen und ihre Qualität sinkt, manchmal bis unterhalb der Gefahrengrenze; die Löhne stagnieren oder werden gekürzt; nicht sofort, aber bald werden Leute entlassen.

Wenn selbst CDU-Politiker befürchten, dass die Bahnprivatisierung zur Stilllegung vieler regionaler Strecken führt, so stützen sie sich auf eine gerade von ihnen verheimlichte Binsenwahrheit: Die Rentabilitätsmarge privater Unternehmen liegt erheblich über der von öffentlichen Unternehmen. Ein öffentliches (oder genossenschaftliches) Unternehmen lebt mit Gewinn zwar besser als ohne, ist aber mit »schwarzer Null« noch lebensfähig, rentabel; ein Privatunternehmen nicht, weil es den üblichen Tribut an die privaten Eigner leisten muss. Für die Bürger hat die Bahnprivatisierung wie die Privatisierung öffentlicher Unternehmen überhaupt nur Nachteile.

Von Harry Nick

Immer freitags: In der ND-Wirtschaftskolumne erläutern der Philosoph Robert Kurz, der Ökonom Harry Nick, die Wirtschaftsexpertin Christa Luft und der Wissenschaftler Rudolf Hickel Hintergründe aktueller Vorgänge.

Neues Deutschland, 3. August 2007