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Verbales Gleichstellungstraining

Periodika,

Große Worte und nichts dahinter – das ist die allgemeine Einschätzung des Koalitionsvertrages hinsichtlich der schwarz-gelben Gleichstellungspolitik. Tatsächlich ist wenig Fleisch an den Vorsätzen für die nächsten vier Jahre. Weder können Frauen auf eine gerechtere Entlohnung und mehr Präsenz in Führungspositionen hoffen noch Migrantinnen und Alleinerziehende mit einer wirklichen Verbesserung ihrer Lage rechnen.

Abgesehen davon, dass auch im neuen Kabinett nur ein Drittel der Ministerposten mit Frauen besetzt sind, können auch Arbeitnehmerinnen außerhalb der Politik keine gesetzliche Unterstützung für einen leichteren Aufstieg erwarten. Das seit langem von Gleichstellungs- und Sozialverbänden geforderte Quotensystem in Führungsetagen, wie es mittlerweile in Norwegen Standard ist und in den Niederlanden diskutiert wird, lehnt die Regierung in Deutschland ab. Stattdessen soll es einen Stufenplan geben, von dem niemand weiß, was sich dahinter verbergen wird.

Nebulös bleibt es auch bei der Frage der gerechten Entlohnung. Immer noch verdienen Frauen im Schnitt 23 Prozent weniger für die gleiche Arbeit als ihre männlichen Kollegen. Das bleibt auch erst mal so. Denn obwohl dieses Ungleichgewicht allgemein bekannt ist, will die Bundesregierung neue Untersuchungen veranlassen. Kritiker vermuten, dass man das Problem damit auf die lange Bank schieben will. An unkonkretem Prüfen, Fördern, Unterstützen und Werben mangelt es nicht im schwarz-gelben Gleichstellungskatalog. Handfester sind da schon die indirekten Auswirkungen der schwarz-gelben Politik: Ohne einen bundesweiten gesetzlichen Mindestlohn wird sich die prekäre Lage vieler Frauen, vor allem allein-erziehender, kaum verändern. Wird der Niedriglohnsektor – wie zu erwarten – ausgeweitet, trifft dies auch zuerst Frauen am Rande der Armut, die von einem sozialversicherungspflichtigen Job nur träumen können. Gestärkt werden soll statt gleichberechtigter Erwerbsarbeit das Ehrenamt. Auch wenn es begrüßenswert ist, der ehrenamtlichen Tätigkeit einen rechtlichen Rahmen zu geben, legt die unmittelbare Verbindung zu arbeitspolitischen Maßnahmen den Verdacht nahe, dass viele Frauen hier in unbezahlte Projekte abgeschoben werden sollen.

In besonders prekären Situationen leben neben Alleinerziehenden oft Migrantinnen. Die UN forderte deshalb von Deutschland, gegen Diskriminierung und Gewalt in den Familien selbst und in der Gesellschaft vorzugehen. Ihnen solle Rückhalt durch eine bevorzugte Eingliederung in den Arbeitsmarkt gegeben werden. Doch auch hier gab es nur Absichtserklärungen. Ob die angekündigte »Bildungs- und Ausbildungsoffensive« wirklich stattfinden wird, ist mehr als fraglich.

Wirklich konkret wird es im Koalitionsvertrag nur an einer Stelle: Ab 2013 soll es ein Betreuungsgeld von 150 Euro für Kinder unter drei Jahren geben. Doch die Skepsis gegenüber der sogenannten »Herdprämie« ist groß. Statt Frauen wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern, lässt man sie lieber zu Hause bei den Kindern und »entlohnt« das mit einem Taschengeld. Einziger wirklicher Fortschritt ist die angekündigte Reformierung des Elterngeldes. Das derzeitige System benachteiligt Paare, die ihre Kinder gemeinsam erziehen wollen und dafür beide auf Teilzeit umsteigen. Statt der ihnen zustehenden 28 Monate Elterngeld bekommen sie derzeit jeweils nur sieben Monate angerechnet.
Susanne Götze