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V-Mann-Strategie gescheitert

Im Wortlaut,

Fast 100 Spitzel in der NPD

Von René Heilig

Nach der rechtsextremistischen Mordserie wird abermals über ein Verbot der NPD debattiert. Die sei Nährboden, heißt es. Doch da entsteht die Frage: Was ist mit den V-Leuten? An diesen vom Staat bezahlten Neonazis war der Verbotsantrag 2003 gescheitert.
Die NPD hat rund 6600 Mitglieder. Rund 100 davon sind V-Leute des Verfassungsschutzes. Die Zahl liege »im oberen zweistelligen Bereich« und damit noch höher als 2003, als bis zu 15 Prozent der Mitglieder in Landes- und Bundesvorständen der Nationaldemokraten für den Staat spitzelten, berichtet der »Kölner Stadt-Anzeiger«.

Die Vertrauensleute des Bundesamtes und der Landesverfassungsämter gelten offiziell als Haupthindernis eines NPD-Verbotsverfahren. Das Bundesverfassungsgericht hatte ihren Einsatz zum Anlass genommen, das Parteiverbot nicht einmal zu prüfen.

Neonazis bezeichnen seither V-Leute als »Schutzschirm«. Verfassungsschützer argumentieren, dass man die Spitzel nicht abziehen könne, weil man dann nichts über die braunen Machenschaften der NPD und mit ihr kooperierender Kameradschaften erfahren würde. Dabei beachtet kaum jemand den Wert der Insider-Informationen. Der ist zweifelhaft. Denn die Spitzel sind und bleiben Neonazis, die entweder Wichtiges verschweigen oder sich nur wichtig machen, um den Staat abzocken. Nachweislich wurden Geheimdiensthonorare zum Aufbau sogenannter Freier Kräfte genutzt.

Rechtswissenschaftler Günter Frankenberg kritisierte in der ARD-Sendung »Panorama«, das Geld fließe »vom Staat über den Verfassungsschutz und die V-Leute in solche Organisationen hinein, die entweder kriminell sind oder ausländerfeindlich oder rassistisch, antisemitisch oder alles zusammen«. »Steuernde Einflussnahme« ist per Gesetz für V-Leute tabu, die Realität aber eine andere. Zudem wird schon lange nicht mehr garantiert, dass V-Leute keine Straftaten begehen.

Ein weiteres, aktuelles Argument dafür, dass die V-Leute-Strategie des Verfassungsschutzes gescheitert ist, liegt in den terroristischen Strukturen begründet. In die nur wenige Mitglieder umfassenden Zellen kann man keine zusätzlichen V-Leute einschleusen. Der Generalbundesanwalt sieht auch deshalb keine Verbindungen zwischen Verfassungsschutz und »Zwickauer Zelle«. Effektiver als V-Leute wären andere nachrichtendienstliche Mittel, samt Telefon- und PC-Überwachung. Die jedoch wurde bislang noch nie gefordert, wenn es gegen Rechtsaußen ging. Der Grundfehler bisheriger staatlicher Rechtsextremismus-Bekämpfung sei simpel, meint der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele: »Man wollte einfach, dass es nur pathologische Einzeltäter mit rechtsextremistischer Gesinnung gibt, und ordnete sie verharmlosend der allgemeinen Kriminalität zu.«

Neues Deutschland, 18. November 2011