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Untersuchungsausschuss Breitscheidplatz: Es geht um strukturelle Probleme

Im Wortlaut von Martina Renner,

Von Martina Renner, Obfrau der Fraktion DIE LINKE im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Breitscheidplatzanschlag


Die öffentliche Beweisaufnahme zum islamistischen Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz vom 19. Dezember 2016 ist nun vorläufig abgeschlossen. Der Anschlag liegt mehr als 4 Jahre zurück, die Einsetzung des Untersuchungsausschuss bald drei Jahre. In öffentlichen, nichtöffentlichen und als geheim eingestuften Vernehmungen haben wir insgesamt über 140 Zeugen und Zeuginnen zum Sachverhalt vernommen und viele Akten gelesen.

Über die Jahre tauchten dabei immer neue Sachverhalte auf, die zu Beginn des Untersuchungsausschusses nicht im Fokus der Öffentlichkeit standen und von denen auch die Mitglieder dieses Ausschusses überrascht wurden. So tauchten zum Beispiel drei Jahre nach dem Anschlag Videos eines ausländischen Nachrichtendienstes auf, die der BND nicht an die Ermittlungsbehörden weitergeleitet hatte; aber auch mögliche Verbindungen einer engen Kontaktperson des Attentäters zum Anschlagsgeschehen (Ben Ammar); und zuletzt eine unterschlagene Information aus Mecklenburg-Vorpommern, dessen Verfassungsschutz nach dem Anschlag konkret mutmaßliche Hintermänner des Anschlags benannt worden waren. 

Dieser Untersuchungsausschuss ist angetreten, die Fehler der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden vor, aber auch nach dem Anschlag aufzuklären. Wir als Opposition hatten auch das Ziel, mögliche Hintermänner und Auftraggeber des Attentäters aufzuklären, ein möglicherweise bestehendes Netzwerk herauszufinden und damit auch mitverantwortliche Personen zu benennen. 

Das ist uns zum Teil auch gelungen. Zum einen wissen wir nun, dass der Attentäter kein Einzeltäter war. Er war eingebettet in ein Netzwerk aus Islamisten, die europaweit in Verbindung standen und gute Kontakte zum sogenannten Islamischen Staat hatten. Allerdings haben wir diese Kontaktbeziehungen aus eigener Perspektive teilweise nur unzureichend aufklären können. Dies liegt vor allem an der Haltung des Innenministeriums und ihm unterstehender Bundesbehörden. Die Verantwortlichen dort haben bis zum heutigen Tag aus eigenem Antrieb keinerlei Anstrengungen unternommen, die Hintergründe der Tat weiter aufzuklären. Und wenn es in Einzelfällen doch geschehen ist und weitere Nachforschungen angestellt wurden, dann aufgrund von öffentlichem Druck oder hartnäckigem Nachfragen im Untersuchungsausschuss.

Der Ausschuss hat deutlich gemacht: Es geht nicht nur um einzelne Fehler oder die Fehler einzelner Behördenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter. Es geht um strukturelle Probleme in den Behörden. 

Sei es bei der Beurteilung von Radikalisierungsmustern, dem Aufdecken des Waffenhandels und den Beziehungen innerhalb der islamistischen Szene oder beim „systematisch unsystematischen“ Einsatz von V-Personen der Geheimdienste. All das stand im Untersuchungsausschuss auf der Tagesordnung und wird sich auch dementsprechend im Abschlussbericht wiederfinden.    

Selbstverständlich konnten wir diesen Anschlag und alle dazugehörigen Fragen nicht zufriedenstellend aufklären. Das gilt insbesondere gegenüber den Opfern, den Hinterbliebenen und den Angehörigen. Aber ich denke, wir haben insgesamt einen wichtigen Beitrag leisten können. Die Aufklärung eines solchen Anschlags endet nicht mit dem Abschluss eines Ermittlungsverfahrens oder eines Untersuchungsausschusses, sondern wird weitergehen – sei es durch die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten oder von Angehörigen. Und auch wir in der Politik bleiben verpflichtet, eventuellen neuen Hinweisen, die in den kommenden Jahren vielleicht kommen werden, weiterhin nachzugehen. Wir erarbeiten jetzt den Abschlussbericht. Aufgrund der guten Zusammenarbeit der letzten beiden Jahre mit den Fraktionen FDP und Bündnis 90/Grüne werden wir auch gemeinsam ein Sondervotum für den Abschlussbericht verfassen.


Gemeinsame Erklärung mit den Fraktion FDP und Bündnis 90/Die Grünen zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts über die Vernehmung eines Vertrauensperson-Führers des Bundesamtes für Verfassungsschutz: Zeugenvernehmung wäre wichtig für Aufklärung des Breitscheidplatzanschlags gewesen