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Dietmar Bartsch © Marc DarchingerFoto: Marc Darchinger

Unsoziale Klimapolitik stoppen

Im Wortlaut von Dietmar Bartsch, Focus,

Jetzt ist das Klima ein Thema, welches hohes Spaltungspotential für die Gesellschaft hat, weil Menschen, die so schon kaum über die Runden kommen, befürchten, dass das Leben für sie noch teurer wird.

Merkel sagte in der Generaldebatte zum Haushalt 2020: „Wenn wir den Klimaschutz vorantreiben, wird es Geld kosten. Wenn wir ihn ignorieren, wird es uns mehr Geld kosten.“ Wer ist wir? Wer soll die Kosten der Klimakrise tragen?

Regierung setzt unsoziale Klimapolitik fort

Diese Frage ist politisch entscheidend. Die Kosten der Krisen der vergangenen drei Jahrzehnte sind wesentlich kleinen und mittleren Einkommen aufgebürdet worden - ohne den vorhandenen Reichtum in der Gesellschaft deutlich heranzuziehen.

Was wir bisher aus dem Klimakabinett wissen ist: Diese unsoziale Politik wird beim Klimapaket fortgesetzt. Damit muss Schluss sein! Wir brauchen eine Klimareichensteuer, um die notwendigen Investitionen zu finanzieren.

Diese können nicht aus dem aktuellen Steueraufkommen - schon gar nicht unter dem Regime der Schuldenbremse - bezahlt werden. Es gäbe eine weitere Umverteilung von unten nach oben. Stattdessen sollten Millionenerbschaften und Millionenvermögen auch dafür angemessen besteuert werden. Übrigens: Die meisten CO2-Emissionen werden von den Reichsten produziert.

Viele Menschen haben den begründeten Eindruck, dass jahrelang beim Klimaschutz geschlafen wurde und die herrschende Politik jetzt, wo es fünf vor zwölf ist, wieder in die Portemonnaies der kleinen Leute greifen will.

Über 6000 Kilometer Strecke der Deutschen Bahn wurden in den letzten Jahren stillgelegt und die Tickets im Nahverkehr stiegen um 50 Prozent seit 2001. Wer vor diesem Hintergrund das Heizen und Tanken einfach nur teurer machen will, untergräbt die Akzeptanz des Klimaschutzes in der Gesellschaft.

Pendler und Geringverdiener vor Nachteilen beschützen

Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen müssen diejenigen sein, die keine Nachteile von den Klimaschutzmaßnahmen der nächsten Jahre haben sollten. Wer die Menschen mitnehmen und die Gesellschaft nicht auch in diesem Punkt immer weiter auseinander treiben will, muss das politische Signal senden: Diesmal bezahlen es die Reichen und für euch verringern sich die Kosten!

Selbstverständlich ist dies möglich. Laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung werden hierzulande bis zu 400 Milliarden Euro jährlich vererbt. Nicht einmal zwei Prozent werden davon faktisch besteuert. Und wir reden über eine CO2-Bepreisung für Verbraucher, die dann vor allem Pendler und Geringverdiener treffen wird?

Revolution im öffentlichen Personennahverkehr nötig

Wir brauchen Milliarden-Investitionen in den sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft und einen mutigen Preisdeckel bei Bus und Bahn. Wir brauchen eine tiefgreifende Bahn- und Ticketreform und eine Revolution im Öffentlichen Personennahverkehr.

Wenn alle Bürgerinnen und Bürger den ÖPNV für einen Euro am Tag (in Berlin fahren Schülerinnen und Schüler schon heute kostenfrei) nutzen könnten, dann wäre es für viele machbar und attraktiv, das Auto stehen zu lassen.

Dafür müssen Bahn und ÖPNV ausgebaut, sauberer, sicherer und zuverlässiger werden. Das Leben und den Arbeitsweg für Menschen teurer zu machen, die auf das Auto angewiesen sind und es auch in den nächsten Jahren sein werden, ist dagegen falsch und unsozial. Die Grünen nehmen das in Kauf - wir nicht.

Focus,