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»Uns eint nicht nur das Schlechte«

Im Wortlaut von Katrin Werner,

Von Katrin Werner, MdB, aufgewachsen in Mecklenburg-Vorpommern, lebt heute in Trier.
 

 



Vor kurzem attestierte mir sogar eine Trierer Zeitung, dass ich nun wirklich in Trier angekommen sei. In einer Anfrage im Stadtrat verwendete ich das Wort "Rückholung". Richtig wäre natürlich Rücknahme. Dies veranlasst den Volksfreund zu folgendem Kommentar: "Die Linke, deren Zwei-Frau-Fraktion aus 'von weit her Zugezogenen' besteht, ist endgültig in Trier, der Stadt der tückischen sprachlichen Eigenheiten, angekommen.“ Ein großes Lob, aber ehrlich gesagt, habe ich im Gespräch vor allem mit älteren BürgerInnen manchmal noch Probleme den Trierer Dialekt zu verstehen.

Und genauso wie Trier zu meiner Heimat geworden ist, ist Deutschland auch ein Stück weiter zusammengewachsen. Es gibt Straßen in Trier, bei deren Kopfsteinpflaster mich meine Tochter fragt, warum denn das Auto so wackelt und ob man die Straßen nicht ordentlich reparieren könnte. Manchmal liegen mir dann spitze Bemerkungen auf der Zunge, dass ich solche Straßen schon von früher kenne. Dann lache ich, weil ich feststelle, manche Sachen sind in Ost und West so gleich, dass man eigentlich diese Unterscheidung im Kopf gar nicht mehr braucht. Kaputte Straßen können dann wenigstens die Mauer im Kopf kaputt machen. Ein positiver Aspekt der misslichen Straßensituation in Trier.

Prekäre Beschäftigung ist weiblich – in Ost und West

Doch nicht nur Deutschland hat sich geändert. Ich habe mich geändert: Ich komme aus Mecklenburg-Vorpommern, war dort im Schachverein stark aktiv und hatte überhaupt nichts mit Karneval zu tun. Dank meiner Tochter, die in der Kindergarde ist, bin ich im Karnevalsverein, werde zu Ordensfesten eingeladen und bin 2013 sogar beim Rosenmontagszug in Trier mitgelaufen. Auch das hat etwas mit kulturellem Zusammenwachsen zu tun.

Seit 2005 bin ich nun in der Trierer LINKEN aktiv, bin Bundestagsabgeordnete, werde kommunal und in der Landespolitik wahrgenommen. Ich bin eben die Katrin von den LINKEN und nicht ein Ossi. Vielleicht liegt es auch daran, dass sich die Probleme in Deutschland in den Regionen angeglichen haben. Dies sieht man auch beim Thema prekäre Beschäftigung von Frauen:

Prekäre Beschäftigung ist weiblich – in Ost und West. In der ländlichen Region (Kreis Trier-Saarburg) meines Wahlkreises sind 40 Prozent der Frauenarbeitsplätze Minijobs. Diese Zahlen sind fast identisch mit prekär beschäftigten Frauen in Ostdeutschland. Der Kampf für Equal Pay von Frauen und der Einführung eines Mindestlohnes ist somit kein Thema, dass eher Ost- oder Westprobleme entgegentreten will, sonder einem gesamtdeutschen.

Karl Marx in Trier

In meinem Wahlkreis spreche ich immer wieder mit Bürgerinnen und Bürgern, die von Niedriglöhnen leben müssen. Besonders erschreckend ist, wenn alte Menschen keine auskömmliche Rente bekommen und deshalb auf Angebote von Kleiderkammern, Tafel usw. angewiesen sind oder noch einer Arbeit nachgehen müssen. Die Stadt Trier kann zwar in den nächsten Jahren mit einer steigenden Bevölkerungszahl rechnen. Allerdings sind die ländlicheren Regionen in Rheinland-Pfalz auch mit den Problemen von Überalterung und starkem Bevölkerungsrückgang konfrontiert. Das letzte Geschäft schließt, der ÖPNV wird ausgedünnt und viele Häuser stehen leer. Diese Beschreibung passt nicht nur auf Landstriche im Osten der Republik, sondern auch auf Eifel und Hunsrück. Leider sind wir auch auf Grund der sozialpolitischen Probleme zusammengewachsen.

Aber uns eint nicht nur das Schlechte – kulturell sind wir zusammengewachsen: 2013 feiert Karl Marx seinen 195. Geburtstag und in ganz Trier, der Geburtsstadt des großen Philosophen und meiner neuen Heimat, standen um die Porta Nigra, dem römischen Stadttor lauter rote, gartenzwergähnliche Karl Marx-Figuren herum. Und alle Einwohnerinnen und Touristen waren begeistert von dieser Installation. An Karl Marx Geburtstag selbst sprach Gregor Gysi, der Fraktionsvorsitzenden der LINKEN im Bundestag. Das Museum, in der er die Rede hielt, war gefüllt. Alle Trierer wollten Gregor Gysi sehen und applaudiertem ihm, als er forderte, dass es der Uni Trier nicht schlecht zu Gesicht stünde, sie nach dem bekanntesten Sohn der Stadt zu benennen. Und auch wenn es noch viel zu tun gibt, wir sind zusammengewachsen und dass Trier zwei Wahlen hintereinander eine LINKE Abgeordnete nach Berlin entsendet, ist auch ein Ausdruck davon.

linksfraktion.de, 20. Februar 2014