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UNMISS: Unauflöslicher Widerspruch eingebaut

Im Wortlaut von Paul Schäfer,

von Paul Schäfer, verteidigungspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE

Als wichtigen Beitrag zur Stabilisierung des entstehenden Staates Südsudan, als logische Fortsetzung der unbewaffneten Beobachtermission UNMIS versucht die Bundesregierung das Mandat zur Beteiligung der Bundeswehr an der neuen UNO-Truppe UNMISS zu verkaufen. Dabei gibt es gravierende Unterschiede, die dazu führen, dass UNMISS für DIE LINKE keinesfalls zustimmungsfähig ist.

Bei UNMIS ging es um den Einsatz unbewaffneter Militärbeobachter der Bundeswehr zur Umsetzung eines umfassenden Friedensabkommens zwischen dem Norden und Süden des Landes. Der relativ friedliche Ablauf der Volksabstimmung über die Abtrennung des Südens wäre ohne diese Mission der Vereinten Nationen nicht möglich gewesen. UNMIS war eine auch friedenspolitisch sinnvolle Mission.

Bei dem jetzt abzustimmenden neuen Mandat UNMISS ist das anders, wie eine kritischen Analyse des nun vorliegenden UN-Mandatsentwurfs zeigt. Auch die jüngsten Eindrücke und Erkenntnisse meiner inzwischen dritten Reise in den Sudan, die ich mit dem langjährigen Chef des Stabes von UNMIS, Peter Schumann, im Mai absolviert habe, werfen Fragen auf und deuten auf Probleme hin:

  • Der Text der Bundesregierung über die Mandatierung des Bundeswehreinsatzes erscheint nahezu unverändert. Bis zu 50 unbewaffnete Militärbeobachter sollen vor allem Beratungs-, Beobachtungs- und Unterstützungsaufgaben wahrnehmen. Richtig wäre gewesen, das gesamte UN-Mandat im Kern auf einen solchen Auftrag zu beschränken: Genaue Beobachtung der Konfliktlagen im Land (Truppenbewegungen, Zunahme von Spannungen etc.), rechtzeitiges Einwirken auf diese Konfliktlagen durch  Präsenz, Gespräche mit der ansässigen Bevölkerung, diplomatische Initiativen gegenüber den Konfliktparteien, De-Eskalation. Das ist das, was meines Erachtens machbar und sinnvoll ist.
  • Der Kontext, in dem dieser Bundeswehr-Einsatz aber nun stattfindet, ist gegenüber dem alten UNMIS-Mandat grundlegend anders. Bisher handelte es sich um einen eher „klassischen“ Blauhelm-Einsatz: Die Stationierung erfolgte im Einklang mit der Regierung des Nord-Sudan und der provisorischen Regierung des Süd-Sudans. Das Mandat stützte sich in der Hauptsache auf Kapitel VI der UN-Charta (Friedliche Streitbeilegung), beinhaltete aber auch eine sog. Schutzkomponente, d.h. bewaffnete Soldaten, die ermächtigt waren, Waffengewalt zur Selbstverteidigung und zur unmittelbaren Nothilfe einzusetzen. Diese Priorität hat sich nunmehr umgedreht. Es geht im Kern um eine Kapitel VII-Mission und dies folgerichtig, weil es hauptsächlich darum geht, die südsudanesische Regierung beim Aufbau des Landes zu unterstützen. Die Aufgabe der UNO-Mission besteht darin, auf umfassende Weise der Regierung in Juba beim Aufbau demokratischer Verhältnisse zu helfen; den Truppen kommt die Aufgabe zu , der Regierung bei der Herstellung von Sicherheit unter die Arme zu greifen. Genau darin liegen die gravierenden Probleme des neuen Mandats.
  • Die UN-Truppenkontingente werden in einem sicherheitspolitischen Umfeld tätig, dass lokal an Bürgerkriegszustände erinnert, dass dadurch gekennzeichnet ist durch gewaltsame Versuche der SPLA (Sudanesische Befreiungsarmee, also das Guerilla-Heer des Südens) –Regierung, abtrünnige Kriegsherrn, Milizen, aber auch unbotmäßige Stämme in die Schranken zu weisen, ja, auszuschalten. Für die Zeit nach der Unabhängigkeitserklärung sind in markigen Worten „Säuberungsaktionen“ angekündigt. Dazu kommen unkontrollierte Gewaltakte disziplinloser, umherziehender SPLA Truppenteile gegen die ortsansässige Bevölkerung. Nur ein Beispiel: In der Provinz Jonglei sind solchen Gewalttaten derSPLA in den letzten Wochen ca. 1.700 Menschen zum Opfer gefallen. Vorausging in diesem wie in anderen Fällen die Aufforderung der SPLA an die Verantwortlichen der UN-Mission sich aus diesen Auseinandersetzungen herauszuhalten (Dieses Muster kennen wir auch aus Darfur, siehe die eingeschränkte Bewegungsfreiheit der UNAMID-Truppe) Dass heißt: Ein wirklicher Schutz der Zivilbevölkerung ist mit diesen militärischen Mitteln nicht möglich! Die UNMISS wird einem unauflöslichen Widerspruch ausgesetzt sein: Sie ist vom Goodwill der SPLA-Regierung abhängig und soll zugleich die Zivilbevölkerung schützen. Das kann einfach nicht funktionieren! Einer der Schlüsselsätze des UN-Mandats lautet, die Truppen sollten die Zivilbevölkerung vor Gewalt schützen, insbesondere wenn die Regierung des Südsudan unfähig oder unwillig sei, dies zu tun. Diese Aussage ist illusionär und sie führt in die Irre. Zugleich werden nicht nur hier, sondern vor allem vor Ort Vorstellungen geweckt, dass die UNO für einen solchen umfassenden Schutz von Zivilisten sorgen könnte. Die Folge dieser Illusion ist, und auch dafür gibt es im Sudan, namentlich in Darfur, bereits Beispiele eine schleichende Diskreditierung der UNO – und genau dies kann nicht in unserem Interesse liegen. Es ist eine wichtige Aufgabe der LINKEN, vor solchen Fehlentwicklungen der UN zu warnen, d.h. auch solche militärisch geprägten Mandate abzulehnen.
  • Das was sich hier als Plädoyer für ein noch robusteres Mandat, bzw. eine noch konsequentere Umsetzung eines robusten Mandats liest, heißt aber in Wirklichkeit, dass wir uns von der Hybris verabschieden müssen, dass man in solchen Bürgerkriegsszenarien von außen und militärisch helfen kann. Es wäre vernünftig gewesen, die UNO beschränkte sich auf eine Beobachtungs- und Unterstützungsmission, die auf diplomatische Mittel der Konfliktbearbeitung setzt. Es wäre vernünftig, die UNO konzentrierte sich darauf, die SPLA-Regierung auf einen Kurs „guter Regierungsführung“ zu bringen, nicht zuletzt durch die harte Konditionierung wirtschaftlicher Aufbauhilfe und es wäre vernünftig, die UNO richtete den Fokus auf die Hilfe beim Aufbau rechtstaatlicher Institutionen. Unabhängige Justiz und eine an Bürgerrechten orientierte Polizei sind dabei unverzichtbare Eckpfeiler.

 

linksfraktion.de, 8. Juli 2011