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Ukraine-Krise: Wem nützt es?

Im Wortlaut von Stefan Liebich,

Passanten gehen in der ukrainischen Stadt Lwiw vorbei an einem Plakat, das Obama und Merkel essend und Putin trinkend zeigt, und die Aufschrift trägt »Oder ernährt die Ukraine die Welt?« Foto: ddp images/Sebastian Widmann

 

Von Stefan Liebich, für DIE LINKE Obmann im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages
 

Der US-Handelsbeauftragte Michael Froman sagte kürzlich der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) mit Blick auf die Kontroverse um die Krim, die ja eigentlich zwischen Russland und der Ukraine stattfindet: "Die jüngsten Entwicklungen unterstreichen die Bedeutung der transatlantischen Beziehungen. Aus strategischer und wirtschaftlicher Sicht könnte das Argument für ein Freihandelsabkommen nicht stärker sein." Da werden sich die exportorientierten multinationalen Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks freuen.

Die Europäische Union konnte endlich das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine auf den Weg bringen, dessen Nichtunterzeichnung der Anlass für die Proteste auf dem Kiewer Maidan war. Und der Internationale Währungsfonds IWF setzt im Gegenzug zur "Rettung" der Ukraine vor der Staatspleite mit zwanzig Milliarden Euro für die kommenden zwei Jahren eine neoliberale Politik durch, die Massenentlassungen im öffentlichen Dienst und massive Energiepreiserhöhungen nach sich ziehen wird. Der Vorsitzende der Münchener Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger wird schließlich in der BILD zitiert: "Erst im Zuge der Krim-Krise wird vielen klar: Die NATO war nie überflüssig." Und ruft Putin zu: "Vielen Dank für die Schützenhilfe!"

In der Tat, nicht nur für die meisten Ukrainerinnen und Ukrainer, nein auch für Russland selbst wird das Vorgehen Putins nicht viel bringen. Mögen die Umfragewerte für den Präsidenten auch gestiegen sein und die Freude vieler über die "heimgekehrte" Krim ehrlich sein, die Rechnungen hierfür gehen erst in den kommenden Wochen und Monaten ein. Zahlen werden die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Russland für die Kosten der nunmehr russischen Krim, die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union für die Westeinbindung einer Ukraine, die vor dem Zusammenbruch steht, und vor allem jene Ukrainerinnen und Ukrainer, die jetzt schon kaum wissen, wie sie über die Runden kommen sollen. Die Vermögen der ukrainischen Oligarchen, die bisher jede politische Wende im Land gut überstanden haben, bleiben jedoch unangetastet.

Russlands Interessen an der Ukraine waren auch nie karitativer Natur. Natürlich ging es auch hier um geostrategische Ziele. Putin wollte die Ukraine als Teil seiner "Eurasischen Union" gewinnen, was von dem zu dieser Zeit als Präsidenten wirkenden Viktor Janukowitsch aber abgelehnt wurde, weil er und seine Finanziers sich von der Europäischen Union zunächst mehr versprachen. Aber auch die prestigeträchtige Schwarzmeerflotte, seit der Auflösung der UdSSR ein Zankapfel zwischen Russland und der Ukraine, war ein Argument für Russlands militärisches Vorgehen. Schließlich hat auch Russland massive wirtschaftliche Interessen. Wichtige Unternehmen, vor allem aus dem Rüstungsbereich und unverzichtbare für die russische Armee mit zumeist russischen Direktoren, befinden sich auf ukrainischem Territorium.

Und auch hinter das Argument Russlands, dass man die russischsprachige Minderheit schützen wollte, darf man getrost ein dickes Fragezeichen setzen. Ja, der Umgang mit der russischen Sprache war und ist in der Ukraine eines der wichtigsten Themen der politischen Auseinandersetzung. Es war bezeichnend, dass die neue ukrainische Regierung, die von Julia Timoschenkos Partei "Vaterland" und der rechtsradikalen Partei von Oleh Tjahnybok "Sowoboda" dominiert wird, als eine der ersten Amtshandlungen Russisch als zweite Amtssprache abschaffen wollten. Aber als Kämpfer für Minderheitenrechte und gegen Nationalismus taugt Putins Russland nun wirklich nicht. Wollte er gegen fremdenfeindliche Übergriffe vorgehen, hätte er daheim genug zu tun. Kaukasier sind zum Feindbild geworden, Islamophobie wird kaum entgegengetreten und 131 der 170 Sprachen, die in der Russischen Föderation gesprochen werden, sind nach Angaben der UNESCO gefährdet.

Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität - das ist unser Koordinatensystem, auch in der internationalen Politik. Wir sind weder auf der Seite Putins und schon gar nicht Verteidiger der neuen ukrainischen Regierung. Nicht der Ostauschuss der deutschen Wirtschaft, noch die kommerziellen Interessen multinationaler Konzerne Westeuropas und der USA sind Richtschnur unseres Handelns. Wir unterstützen jene, die für Selbstbestimmung und das Ende von Korruption und Oligarchie auf die Straße gehen. Jene, die sich einer vermeintlichen Lösung von Konflikten mit der Logik des Militärs entgegenstellen, sind unsere Verbündeten. Und das gilt in Brüssel, Berlin und in Washington, aber auch in Moskau.

 

linksfraktion.de, 29. März 2014