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Troika-Diktate: Gegen die unsoziale Ruhe hilft nur soziale Unruhe

Im Wortlaut von Andrej Hunko,

Von Andrej Hunko





Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) hat einen weiteren Beleg für das Scheitern des Krisenmanagements in der EU vorgelegt: Eine Studie der UNO-Organisation kommt zu dem Ergebnis, dass seit 2008 die Zahl der Erwerbslosen in der EU um über zehn Millionen gestiegen ist. Die Arbeitslosenrate liegt heute 4,1 Prozentpunkte höher als vor Beginn der "Eurokrise".

Dies ist das direkte Resultat der Kürzungsdiktate der Troika aus Europäischer Zentralbank (EZB), EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds (IWF). Durch die erzwungene Austeritätspolitik und die massiven Kürzungen bei den Sozial- und Gesundheitsausgaben, bei den Löhnen und Gehältern sowie Massenentlassungen vor allem öffentlicher Angestellter hat sich die soziale Lage in den betroffenen Ländern dramatisch verschlimmert. Gleichzeitig verhindern die Ausgabenkürzungen eine wirtschaftliche Erholung und vertiefen die Krise noch weiter.

Angesichts dieser Entwicklung warnt die ILO vor "sozialen Unruhen": In vielen Ländern und in der EU insgesamt ist der Index, den die Organisation zur Messung des Risikos sozialer Unruhen errechnet, in die Höhe geschnellt. Es verwundert kaum, dass insbesondere in Zypern, Griechenland, Portugal und Spanien dieser Wert sehr stark gestiegen ist. Diese Länder sind aktuell von der Kürzungspolitik am stärksten betroffen, wodurch sich die soziale Lage vor Ort enorm verschlechtert hat. Und auch Italien, Slowenien und die Tschechische Republik weisen laut ILO hohe Werte auf – sie könnten die Nächsten sein.

Die  alleinige Warnung vor sozialen Unruhen geht jedoch in die falsche Richtung. Gegen die Troika-Diktate, die Millionen Menschen in die Armut treiben, um die wirtschaftlichen Eliten zu retten, brauchen wir nicht weniger, sondern mehr Unruhe(n): Der unsozialen Ruhe muss Widerstand entgegengesetzt werden. Nur dadurch wird es möglich sein, einen Kurswechsel und eine andere Krisenpolitik durchzusetzen, die sich – wie auch von der ILO gefordert – an den Interessen der Beschäftigten, Erwerbslosen und Rentner/innen orientiert und nicht an jenen der Banken und Konzerne.

"Soziale Unruhen" werden in der Regel negativ besetzt und gezielt mit Gewalt in Verbindung gebracht. Dadurch sollen die Proteste gegen die unsoziale Krisenpolitik delegitimiert werden. Sie können aber auch produktiv sein, wie sich beispielsweise 2009 in Island gezeigt hat. Dort wurde durch friedliche Massendemonstrationen und Blockaden ein Politikwechsel erreicht, der zu einer sozialeren Krisenbewältigung geführt hat.  Auch in der aktuellen Krise ist Widerstand notwendig, um die Entscheidungsträger – allen voran die deutsche Bundesregierung – zum Umlenken zu zwingen und so die dramatischen Folgen der Austeritätspolitik zu vermeiden.

Einen Anfang können die geplanten europaweiten Proteste in diesem Jahr darstellen. Wie in vielen Ländern gibt es auch in Deutschland Aktionstage: Am 31. Mai und 1. Juni ruft das Bündnis Blockupy Frankfurt zum "Widerstand im Herzen des europäischen Krisenregimes" auf. Ziel ist es, als Zeichen internationaler Solidarität das Frankfurter Bankenviertel zu blockieren. Blockieren wir mit, seien wir unruhig.

linksfraktion.de, 9. April 2013