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Terrorlisten abschaffen!

Im Wortlaut von Ulla Jelpke,

Brüsseler Spitzen

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat vergangenen Donnerstag entschieden, dass die Arbeiterpartei Kurdistans PKK und der aus ihr hervorgegangene Volkskongress Kurdistan Kongra-Gel von der Terrorliste der EU gestrichen werden müssen. Die Europäische Union habe die Aufnahme der Organisationen in die Liste in den Jahren 2002 und 2004 nicht ausreichend begründet, rechtfertigte das Gericht seine Entscheidung mit Verfahrensfehlern.

Praktische Folgen wird das Urteil nicht haben. Denn schon längst hat das hinter verschlossenen Türen tagende Gremium des EU-Rats eine von dem Urteil nicht berührte Neufassung der Liste beschlossen, die weiterhin die PKK und Kongra-Gel enthält. So ist das aktuelle Urteil lediglich eine weitere Ohrfeige für die »schwarzen Listen« und ein erneuter Beweis für Rechtsverletzungen im so genannten Anti-Terror-Kampf.
Auch der Sonderermittler des Europarats, Dick Marty, hatte vergangenen November harte Kritik an den willkürlichen Terrorlisten geübt und mehr Rechtsschutz für die Betroffenen eingefordert. Denn schon ein vager Verdacht reiche aus, um als unbescholtener Bürger auf die Terrorlisten zu kommen - mit gravierenden Folgen wie der Sperrung der Konten und der Unterbindung aller Geschäftsbeziehungen der Betroffenen.

Die Listen mit rund 50 als »terroristisch« eingestuften Organisationen und ebensovielen Einzelpersonen waren nach den Anschlägen vom 11. September 2001 vom Rat der Europäischen Union eingeführt worden. Allein außenpolitische Interessen der EU-Staaten entscheiden darüber, ob eine Gruppierung als terroristische oder Befreiungsbewegung eingestuft wird. So finden sich auf der Liste neben Al Qaida auch die vor ihrem Verbot mit zahlreichen Bürgermeistern im spanischen Baskenland präsente Partei Batasuna und die von einem Großteil der Palästinenser bei der letzten Wahl unterstützte Hamas.

Neben der Beschlagnahme von Geldern dient die Aufführung auf den Terrorlisten der Stigmatisierung von Konflikt- und Bürgerkriegsparteien. Dies erschwert Friedenslösungen etwa in Kurdistan und dem Nahen Osten, auf Sri Lanka oder in Kolumbien. Die Bundesregierung ist daher aufgefordert, sich von der Praxis der »schwarzen Listen« zu distanzieren.

Zusätzlich zu den Terrorlisten besteht in Deutschland seit 1993 das PKK-Verbot. In den letzten Wochen wurden deswegen wieder mehrere Kurden verhaftet und Kulturvereine durchsucht. Regelmäßig kommt es zu Polizeiübergriffen auf friedliche Demonstrationen, nur weil dort Bilder des in der Türkei inhaftierten kurdischen Politikers Abdullah Öcalan gezeigt werden. Organisationen, die wie der Kongra-Gel für eine politische Lösung der kurdischen Frage im Rahmen einer demokratischen Föderation eintreten, werden verfolgt und kriminalisiert.

In den letzten Monaten ging die türkische Armee gegen Kurden im benachbarten Irak vor. Bei den Newroz-Festen vor drei Wochen wurden in der Türkei drei Menschen von der Polizei erschossen und Hunderte verhaftet.

Ein Ende des PKK-Verbots in Deutschland ist notwendig, um hier lebenden kurdischstämmigen Bürgerinnen und Bürgern eine demokratische politische Betätigung zu ermöglichen. Dies wäre ein Beitrag zu einer friedlichen Lösung der kurdischen Frage auch in der Türkei.

Von Ulla Jelpke

Neues Deutschland, 11. April 2008