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»Tagelöhnerei« bei H&M muss aufhören

Im Wortlaut von Jutta Krellmann,

Von Jutta Krellmann, gewerkschaftspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Die Liste der Frechheiten, mit denen Beschäftigte im Dumpingbereich des Arbeitsmarktes zu kämpfen haben, ist lang: Befristungen, Leiharbeit, Werkverträge, haufenweise unbezahlte Überstunden. Besonders tödlich für die Planbarkeit und das Familienleben ist das sogenannte Arbeiten auf Abruf.

Mittlerweile haben 1,5 Millionen Beschäftigte laut Erhebungen des DIW-Ökonomen Karl Brenke Verträge, in denen nur die Mindestzahl von zehn, fünfzehn oder zwanzig wöchentlichen Arbeitsstunden festgelegt sind. Ob darüber hinaus gearbeitet werden darf, wird dann kurz vor der nächsten Schickt kommuniziert.

Modegigant H&M: Arbeit auf Abruf wird zur Regel

Rund 13 Prozent der Betriebe mit mindestens 10 Beschäftigten nutzen mittlerweile dieses Mittel (PDF). Und sorgen somit dafür, dass im heutigen Deutschland haufenweise Tagelöhner von der Hand in den Mund leben, in der ständigen Unsicherheit, nächsten Monat genug arbeiten zu dürfen, um die Rechnungen bezahlen zu können.

Besonders ausgeprägt ist diese Form der Ausbeutung beim Modegigant H&M. Inzwischen sind die sogenannten "Flex-Verträge" von der Ausnahme zur Regel geworden. Während im Jahr 2001 noch 22 Prozent der Beschäftigten auf Abruf arbeiteten, sind es 2016 schon 42 Prozent. Nur 26 Prozent sind 2016 in Vollzeit beschäftigt, 2001 waren es noch 48 Prozent.

Dies hat weitreichende Folgen für die Kollegen. Eine Verkäuferin erklärte dem Rechercheplattform Correctiv: "Im Juni habe ich 440 Euro verdient und im August waren es dann über 1000. (..) Ich bin auf die Unterstützung meines Freundes angewiesen, und in Monaten, in denen ich nur wenige Stunden bekomme, außerdem auf den Dispo."

Beschäftigte unter Druck gesetzt

Für die geistige Gesundheit ist diese Beschäftigungsform eine ernsthafte Bedrohung. Laut der Wochenzeitschrift Zeit stimmten in einer internen Umfrage von H&M nur 42 Prozent der befragten Mitarbeiter deutscher Filialen folgender Aussage zu: "An diesem Arbeitsplatz bleibt man psychisch und emotional gesund." Beschäftigte, die sich gegen solche Missstände wehren, müssen aber oft mit Repressalien bis zur Kündigung rechnen.

Die Gewinne von H&M sprudeln dagegen prudeln im Überfluss. Das Unternehmen machte in 2016 mit fast 2,5 Milliarden Euro weltweit satte Gewinne. Die H&M-Aktie zahlt jährlich Dividenden in Höhe von 24 Prozent des Aktienkurses aus. Gerade in Deutschland verkauft H&M mit einem Umsatz von fast vier Milliarden Euro verkauft mehr Waren als in jedem anderen Land.

Der Haupteigentümer des Konzerns, Stefan Persson, ist laut Forbes sogar mit über 20 Milliarden US-Dollar zum weitaus reichsten Mann Schwedens aufgestiegen und belegt inzwischen Platz 43 auf der Rangliste der Reichsten der Welt. Mit den Profiten, die die H&M-Beschäftigten und die der Zulieferer erwirtschaftet haben, leistete er sich laut der schwedischen Zeitung Expressen ein englisches Gutshof samt Dorf, Pub und Brauerei, das er für insgesamt 200 Millionen Pfund erworben haben soll.

Arbeit auf Abruf abschaffen

Diese Schieflage zwischen Arm trotz Arbeit und unfassbaren Reichtum hat längst unerträgliche Ausmaße angenommen. DIE LINKE will deswegen ein neues Normalarbeitsverhältnis, das allen Menschen soziale Sicherheit bietet. Die Löhne müssen für ein gutes Leben und für eine würdevolle Rente reichen. Arbeit muss für alle Menschen sicher und unbefristet, tariflich bezahlt, sozial abgesichert und demokratisch mitgestaltet sein.

Dazu gehört auch, dass Arbeit auf Abruf abgeschafft werden muss. Beschäftigte müssen souverän über ihre Arbeitszeit entscheiden können. Ein bestimmtes, ausreichendes Maß an freier Zeit muss gesetzlich geregelt werden. Sollten Ausnahmen von dieser Regelung im Einzelfall notwendig sein, müssen sie vertraglich festgeschrieben und vor allem zusätzlich vergütet werden.