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Strukturelle Gewalt

Im Wortlaut von Monika Knoche,

Gastkommentar zu Totenkopf-Soldaten in Afghanistan - von Monika Knoche

Die trophäenartige Totenkopf-Präsentation und die sexualisierte Gewaltinszenierung mit entblößtem Glied, die auf den Bundeswehrfotos aus Afghanistan zu sehen sind, zeugen von einem Wesen der Gewalt, das männlichkeitskultischen Ritualen folgt.

Dabei handelt es sich keineswegs um Ausnahmen. Es ist das Training zum Töten, das diese Herabwürdigungen hervorbringt. Niemand soll die Tatsache verharmlosen, daß Gewalt, sexuelle Gewalt, Folter und andere Perversionen zum Wesen der Kriege gehören. Krieg entzivilisiert die Kriegführenden mitunter stärker, als ihnen bewußt ist. Frauen können diese ungeliebten Wahrheiten vermutlich leichter aussprechen.

Es ist ungenügend und zeugt von geringer interkultureller Kompetenz - übrigens auch in bezug auf die eigene Kultur -, wenn jetzt Bestrafung und Verachtung gegenüber den beteiligten Soldaten ausgesprochen werden. Es ist keinerlei Nachdenken darüber zu vermerken, daß Soldaten darauf gedrillt werden, die natürliche Hemmschwelle in bezug auf Gewalt zu überwinden.

In Afghanistan ist das Töten tägliche Realität. Das ist der eigentlich zu verurteilende Skandal. Das Gegenüber nicht mehr als Mensch zu betrachten, als zu achtende Person, ist die Voraussetzung dafür, töten zu können. Entgleisungen sind die logische Konsequenz. In allen Kriegen und in allen Armeen ist Gewalt gegen Unterlegene an der Tagesordnung. Die Decke der Zivilisation ist auch bei uns dünn. All jene, die Männer und Frauen als Soldaten in Kriege schicken, tragen für diese Strukturen Verantwortung. Die deutschen Soldaten in Afghanistan sind keine Sozialarbeiter in Uniform.

Als ich am Donnerstag im Bundestag auf den Zusammenhang von Männerritualen und den Abbau natürlicher Hemmschwellen beim Militär mit den Vorfällen in Afghanistan aufmerksam gemacht habe, hat das vor allem männliche Abgeordneten der Union zu Empörung und Diffamierungen veranlaßt. Offenbar können es manche Männer nicht ertragen, wenn Frauen von Erfahrungen berichten, die sie in der männerdominierten Welt machen. Um eine wirkliche Zivilisierung der Außenpolitik zu erreichen, muß man auch etwas über strukturelle Gewalt und innergesellschaftliche Gewalt wissen.

Die Vorfälle in Afghanistan erfordern darum Konsequenzen auf unterschiedlichen Ebenen. Zum einen muß die Beteiligung der Bundeswehr an Kampfeinsätzen unverzüglich gestoppt werden, wie es die Fraktion DIE LINKE. schon immer fordert. Zum anderen müssen die strukturellen Ursachen behoben werden. Bei der Auswahl, Ausbildung und Betreuung der Einsatzkräfte verletzt die Bundeswehr offensichtlich ihre Sorgfaltspflicht.

Monika Knoche ist stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag und Leiterin des außenpolitischen Arbeitskreises

junge Welt, 30. Oktober 2006