Zum Hauptinhalt springen

Steinmeier hat damals gelogen

Interview der Woche von Norman Paech,

Herr Paech, hat Steinmeier gelogen, als er sagte, dass Deutschland nicht aktiv am Irak-Krieg beteiligt war?

Damals schon, heute offensichtlich nicht mehr. Denn er bestreitet nicht mehr, dass die zahlreichen Meldungen der beiden BND-Militärs von Bagdad über Pullach zum CENTCOM der USA in Doha (Katar) gegangen sind. Er hält sie nur entgegen der eindeutigen Einschätzung der US-Militärs für militärisch bedeutungslos. Fragt sich nur, wem man mehr glauben soll, dem Zivilisten Steinmeier oder den US-Generälen und hohen Militärs, die die Meldungen des BND ausgewertet haben.

Mal angenommen, Steinmeier kann geglaubt werden, dass er tatsächlich die Anweisung gegeben hat, keine kriegswichtigen Informationen weiterzugeben: Dann gab es mindestens ein Kommunikationsproblem innerhalb des BND, oder zwischen Regierung und Nachrichtendienst hinsichtlich der Frage, ob und was an die USA weitergegeben werden darf und soll. War das Schlamperei oder Absicht? Oder Inkompetenz?

Steinmeier war Chef des Kanzleramts und Geheimdienstkoordinator. Er hat die Idee des BND-Präsidenten Hanning, zwei Mitarbeiter zur Informationsbeschaffung nach Bagdad zu senden und Informationen weiter an das CENTCOM zu liefern, gebilligt. Er war dafür verantwortlich, dass die offizielle Politik, sich nicht an dem völkerrechtswidrigen Krieg zu beteiligen, nicht durch den BND unterlaufen wird. Faktisch hatten nur zwei der sechzehn von uns vernommenen Zeugen, die an der Weitergabe der Meldungen beteiligt waren, Kenntnis von den Arbeitsvorgaben. Sie existierten auch nur mündlich und ihre Einhaltung wurde weder von Steinmeier noch von Hanning kontrolliert: offensichtlich eine Mischung aus Schlamperei und Absicht.

Wenn Steinmeier gelogen oder auch nur toleriert hat, dass während seiner Zeit als Kanzleramtsminister und Geheimdienstkoordinator entgegen der öffentlich ausgegebenen Haltung, Deutschland sei gegen den Krieg, BND-Mitarbeiter aktiv an Kriegshandlungen beteiligt waren: ist er dann als Kanzlerkandidat haltbar?

Das Problem ist, dass die Medien nicht nur diese jetzt offensichtliche Unterstützung des Krieges, sondern die bereits schon früher eingeräumte Unterstützung durch die Gewährung der Überflugrechte, die Aufklärung durch AWACS-Flugzeuge und den Schutz der Nachschubbasen in Deutschland als unvermeidbaren Schönheitsfehler in der notwendigen Bündnistreue einstufen. Ich sehe das anders, aber ich wähle auch nicht den Kandidaten.

Fischer und Steinmeier ziehen sich darauf zurück, die amerikanischen Generäle hätten gelogen. Halten Sie das für möglich und was wäre das Motiv dahinter?

Die Betroffenen und ihre Medien verbreiten die Vermutung, dass die Amerikaner jetzt nachtreten, weil sich die Deutschen damals weigerten, sich offen an dem Krieg zu beteiligen - ein Beitrag zum Wahlkampf. Das ist Unsinn. Wahrscheinlicher ist, dass mit dem Untergang der Ära Bush die Militärs freier in ihren Auskünften sind. Das Thema ist erst durch unseren Untersuchungsausschuss wieder in die Öffentlichkeit gekommen und gab den Anlass für die Recherchen des SPIEGELS. Im nächsten Jahr haben wir die Militärs in den Ausschuss eingeladen, um ihre Aussagen zu überprüfen.

Lässt sich die Grenze zwischen Beteiligung und Nicht-Beteiligung am Krieg überhaupt so klar ziehen, wie von den beiden behauptet?

Ich traue in dieser Frage auf jeden Fall mehr den am Krieg und der Auswertung der Meldung beteiligten US-Militärs als deutschen Zivilisten fern des Kriegsgeschehens. Schließlich haben die USA den beiden deutschen Militärs hohe Orden für wertvolle Dienste gegeben.

Ist der Untersuchungsausschuss eigentlich ein hilfreiches Instrument für die Klärung der Rolle Deutschlands im Irak-Krieg?

Ohne die Arbeit des Untersuchungsausschusses wäre die deutsche Beteiligung im Nebel der Vermutungen und Abwiegelungen geblieben. Jetzt ist sie bewiesen. Die politischen Konsequenzen sollten die Verantwortlich ziehen. Wir haben immer noch große Hürden der Beweiserhebung zu überwinden, die uns von der Regierung und den beiden Koalitionsparteien im Ausschuss selbst aufgebaut werden. Die drei Oppositionsparteien waren daher gezwungen, sowohl gegen die Regierung wie gegen den Ausschuss selbst Klage beim Bundesverfassungsgericht und beim Bundesgerichtshof zu führen. Die Entscheidungen stehen noch aus.

www.linksfraktion.de, 22. Dezember 2008