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Statt Wahlbetrug bei der Rente - Lebensleistung Ost anerkennen

Im Wortlaut von Martina Bunge,

Von Martina Bunge, Verantwortliche der Fraktion DIE LINKE für die Probleme der Rentenüberleitung Ost
 

 

 

Wann kommt endlich die Angleichung der Rente Ost an West? – Diese Frage begegnet einem in Ostdeutschland buchstäblich auf Schritt und Tritt, wenn die Sprache auf die Rente kommt. Anfang der 90er Jahre war von einer Angleichung der Lebens- und auch Einkommensverhältnisse innerhalb von fünf Jahren ausgegangen worden.

Viele sehen in der noch ausstehenden Angleichung eine grobe Ungerechtigkeit. Diese lässt sich auf Euro und Cent festmachen. Wer im Westen 45 Jahre lang ein Durchschnittseinkommen hatte, erhält dafür 1.263,15 Euro Rente. Sein Pendant im Osten kann nur mit 1.121,40 Euro rechnen. Unterm Strich macht das eine Differenz von 141,75 Euro. Das ist nicht gerade ein Pappenstiel, doch es gibt keinerlei Anzeichen, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung hier etwas ändern will.

Wie versprochen, so gebrochen

Kurz vor der Bundestagswahl 2009 aber hatte genau das die Kanzlerin versprochen. Auf dem Seniorentag in Leipzig bezeichnete sie die Angleichung des Rentenwertes Ost an West als eine „Dringlichkeitsaufgabe“ und fügte hinzu, dass „das Thema in den ersten beiden Jahren der nächsten Legislaturperiode erledigt sein wird“.

Diese Zusage von Angela Merkel fand noch Aufnahme in die Koalitionsvereinbarung von Union und FDP: „Wir führen in dieser Legislaturperiode ein einheitliches Rentensystem in Ost und West ein.“ Danach aber war lange Zeit zu diesem Thema nichts zu hören. Gelegentlich hieß es, Qualität müsse vor Geschwindigkeit gehen. Als wären 22 Jahre nicht Zeit genug.

Ausgang des vorigen Jahres schließlich kam Bewegung in die Sache, wenn auch als Rolle rückwärts. Am 16. Dezember 2011 verkündete Christoph Bergner, Parlamentarischer Staatssekretär und Ost-Beauftragter der Bundesregierung, im Bundestag praktisch eine Abkehr vom Koalitionsvertrag und bekannte sich ausdrücklich zu Aussagen in einem Artikel der „Sächsischen Zeitung“ vom gleichen Tag. Im online-Auftritt der Zeitung hieß es:

Die rasche Westrente für Ostdeutsche ist „wenig wahrscheinlich“. Stattdessen setzt die Regierung auf Lohnangleichung.

Die Bundesregierung will offenbar ihr Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag aufgeben, noch bis 2013 ein einheitliches Rentensystem in Ost und West einzuführen. Ihr Ostbeauftragter, Christoph Bergner (CDU), will nach SZ-Informationen heute im Bundestag dafür plädieren, in dieser Wahlperiode keine Eingriffe in das Rentenrecht vorzunehmen. Das jetzige System habe sich bewährt, kein Alternativmodell sei überzeugend, heißt es in Bergners Umgebung…“


Beim Seniorentag im Mai dieses Jahres in Hamburg sagte die Kanzlerin kein Wort mehr zur Rentenangleichung Ost an West; hier bahnt sich ein handfester Wahlbetrug an!

LINKE lässt nicht locker

DIE LINKE unterstützt die Initiative der Gewerkschaften und verschiedener Sozialverbände, die sich unlängst wieder mit dem Hinweis auf die Dringlichkeit an die Öffentlichkeit gewandt haben.

Aus unserer Sicht muss die Angleichung folgende Anforderungen erfüllen: Erstens muss sie so schnell wie möglich beginnen, damit möglichst viele Rentnerinnen und Rentner noch zu Lebzeiten Gerechtigkeit erfahren. Geeignet wäre ein steuerfinanzierter, stufenweise steigender Zuschlag. Zweitens muss sie eine deutliche Verbesserung für alle heutigen ostdeutschen Rentnerinnen und Rentner bringen, ohne die Situation der westdeutschen Rentnerinnen und Rentner zu verschlechtern. Und drittens muss die Höherbewertung der Arbeitsentgelte in Ostdeutschland beibehalten werden. Diese soll einen Ausgleich für die noch immer niedrigeren Löhne im Osten schaffen. Das ist sinnvoll und nicht – wie aus anderen Parteien behauptet wird – ungerecht. Gleiche Arbeit muss wenigstens bei der Rente gleich bewertet werden, auch wenn die gleiche Entlohnung noch aussteht.

DIE LINKE hat wiederholt auf parlamentarischem Wege eine Angleichung des Rentenwertes Ost an West verlangt. Dem Antrag aus dieser Legislaturperiode (Drucksache 17/4192) haben die anderen Fraktionen bereits im Vorjahr (am 26. Mai 2011) die Zustimmung versagt. Ein erneuter Vorstoß – gemeinsam mit der Forderung nach einer grundlegenden Korrektur der Rentenüberleitung – befindet sich noch im parlamentarischen Prozess (Drucksache 17/7034) und garantiert, dass sich der Bundestag in dieser Wahlperiode noch einmal mit der Problematik befassen muss.

Überfällig auch: Korrektur der Rentenüberleitung

Unser Credo ist: Gleiche Rente für gleiche Lebensleistung. Das bedeutet auch, endlich die zahlreichen Probleme anzugehen, die Anfang der 90er Jahre bei der Überführung der DDR-Alterssicherung in bundesdeutsches Recht entstanden sind.

Hunderttausende müssen empfindliche Einbußen bei der Rente hinnehmen, weil es zu Ungerechtigkeiten kam, insbesondere durch eine Ignoranz gegenüber DDR-Regelungen und bewusste Diskriminierungen. Bisher war noch keine Bundesregierung willens, dies zu korrigieren. Vorschläge der Linksfraktion – zuletzt gebündelt in einem Paket von 19 Anträgen – wurden jeweils mit großer Mehrheit abgelehnt. Obwohl mittlerweile von etlichen Rednerinnen und Rednern auch aller anderen Fraktionen Handlungsbedarf eingeräumt wird, müssen immer wieder vermeintliche Privilegien in der DDR für die allgemeine Ablehnung herhalten.

Ja, wir sind gegen den Missbrauch des Rentenrechts als Strafrecht und wollen, dass die Wertneutralität des Rentenrechts wiederhergestellt wird.

Aber die meisten unserer Forderungen und Anträge beziehen sich auf Personengruppen, die nicht verstehen können, wenn ihre häufig schwierige soziale Lage derart abgetan wird. Zum Beispiel die Krankenschwestern, denen als Ausgleich für ihre schwere und schlecht bezahlte Arbeit ein Steigerungsfaktor bei der Rente gewährt wurde. Oder die in der DDR geschiedenen Frauen, denen ein Versorgungsausgleich versagt wird und die deshalb häufig auf Grundsicherung angewiesen sind. Oder die ehemals bei Post und Reichsbahn Beschäftigten, denen ihre speziellen, historisch begründeten Altersversorgungen vorenthalten werden. Oder die Ballettmitglieder oder die mithelfenden Familienangehörigen von Handwerkern, Land- und Forstwirten oder die Beschäftigten der Braunkohleveredlung oder die, die im Ausland tätig waren bzw. von dort in die DDR kamen oder die Hausfrauen, die freiwillige Beiträge gezahlt haben.

Ein Vorwurf ist, dass durch eine Korrektur der Rentenüberleitung eine Besserstelllung gegenüber westdeutschen Seniorinnen und Senioren erfolge. Fakt ist: Durch die Liquidierung jeglicher zusätzlicher Versorgungen müssen nicht nur alle vormals im Staatsapparat, bei Parteien und Organisationen, bei Polizei, Armee und Zoll Beschäftigten, sondern auch alle der Intelligenz zugerechneten Personen mit etwa 60 Prozent, im Extremfall mit nur 30 Prozent, der Altersbezüge ihrer Berufskollegen West auskommen.

Frauen besonders von Armutsrenten bedroht

Wenn wir hier von der Rente sprechen, dann geht es nicht nur um die Betagten, die schon „in Rente sind“. Auch diejenigen in Ostdeutschland, die das Alter noch nicht erreicht haben, werden massiv betroffen sein. Viele von ihnen, besonders Frauen, müssen sich auf eine Armutsrente einstellen. Für sie fallen nicht nur die Ansprüche aus DDR-Zeiten knapp aus, weil diverse Zeiten und Lebenssituationen keine Berücksichtigung mehr in der Rente finden. Hinzu kommen die komplizierten Berufswege seit 1990: Durch Arbeitslosigkeit und Niedriglöhne bleiben auch die seither erworbenen Ansprüche häufig im Keller. Wer auf Arbeitslosengeld II angewiesen ist, erwirbt inzwischen gar keine Ansprüche mehr. Und wer im Niedriglohnbereich tätig sein muss, kann ebenfalls nicht mit einer Rente rechnen, von der man leben kann. In meinem Heimatland Mecklenburg-Vorpommern, so ist gerade einer Erhebung des DGB zu entnehmen, arbeitet fast ein Viertel aller Beschäftigten für weniger als 1.379 Euro Brutto. Im Vollzeitjob! Das ist kaum mehr als die Hälfte des derzeitigen Durchschnittsverdienstes in der Bundesrepublik – und bringt deshalb auch nur kaum mehr als die Hälfte der durchschnittlichen Rente. Natürlich der Rente Ost, die wegen der noch immer nicht vollzogenen Angleichung des Rentenwertes um reichlich 11 Prozent niedriger liegt als die Rente West.

Über zwei Jahrzehnte nach der Herstellung der Einheit ist es an der Zeit, die Lebensleistungen der Ostdeutschen endlich anzuerkennen, damit der soziale Friede zwischen Ost und West befördert und ein Leben in Würde im Alter möglich wird.

linksfraktion.de, 16. August 2012