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»Station 51 – geschlossen!«

Im Wortlaut von Harald Weinberg,

Die Auseinandersetzung für mehr Pflegepersonal an der Berliner Charité geht in die heiße Phase

Am Montag demosntrierten Beschäftigte der Charité, ihre Gewerkschaft ver.di und zahlreiche Unterstützerinnen und Unterstützer vor dem Campus Mitte der Charité für mehr Personal im Krankenhaus.

 

Von Harald Weinberg, gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion

 

Die Tarifbewegung an der Berliner Charité, dem größten Krankenhaus Europas, ist einzigartig. Die Kolleginnen und Kollegen fordern nicht mehr Geld, sondern mehr Pflegekräfte für die Patientinnen und Patienten. Und das mit Nachdruck! Ihr Motto lautet: „Mehr von uns ist besser für alle!“

Schon seit dem letzten Sommer verhandelt die Gewerkschaft ver.di mit den Charité-Managern – bislang ohne Ergebnis. Der Arbeitgeber scheint kein Interesse an echten Verbesserungen zu haben und legte bisher kein belastbares Angebot vor. Deshalb rief ver.di für Montag, den 17.03.2014 zum Warnstreik auf. Tausende Pflegekräfte hatten ihre Beteiligung angekündigt, viele Stationen hätten geschlossen, viele geplante Eingriffe hätten abgesagt werden müssen. Der Arbeitgeber bekam es offensichtlich mit der Angst zu tun und änderte seine Taktik: Er erklärte die Verhandlungen für gescheitert und rief die Schlichtung an. Damit gilt in den nächsten vier Wochen die Friedenspflicht, der Streik musste – vorerst – abgesagt werden.

Das hielt aber das Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus nicht davon ab, am Montag zu einer Demonstration für mehr Pflegepersonal aufzurufen, die von der Charité, am Spitzenverband der Krankenkassen vorbei, zum Gesundheitsministerium führte. Etwa 250 Personen beteiligten sich. Neben Beschäftigten der Charité demonstrierten zahlreiche Medizinstudierende und Unterstützer.  Gewerkschafter aus dem Einzelhandel, aus der Automobilbranche und von der Gewerkschaft Erzeihung und Wissenschaft zeigten ihre Solidarität – sogar ein Gewerkschafter einer südkoreanischen Pflegegewerkschaft war mit dabei. Gemeinsam mit vier Bundestagsabgeordneten und zahlreichen Aktiven war auch DIE LINKE gut vertreten. Wie beim erfolgreichen Streik 2011, in dem die Beschäftigten mit Stationsschließungen ihre Lohnforderung durchsetzten konnten, skandierten die Demonstranten warnend „Station XY – geschlossen!“ viele Stationen nacheinander durch. Die Entschlossenheit der Beschäftigten für mehr Personal zu kämpfen war deutlich zu spüren.

DIE LINKE, ver.di und viele Betriebs- und Personalräte in Krankenhäusern fordern eine bundesweit einheitliche Mindestpersonalbemessung in der Krankenhauspflege, eine gesetzliche Regelung die festlegt, für wie viele Patienten eine Pflegekraft maximal eingesetzt werden darf. Das ist für uns eines der wichtigsten Themen in der Gesundheitspolitik. Denn die auf Fallpauschalen (DRGs) basierende Finanzierung der Krankenhäuser zwingt die Kliniken dazu, immer mehr am Personal zu sparen. Das bekommen die Pflegekräfte zu spüren; kaum ein vergleichbares Industrieland beschäftigt pro Patient so wenige Pflegende im Krankenhaus. Das bedeutet immer schlechtere Arbeitsbedingungen und immer schlechtere Patientenbetreuung. Dabei ist in vielen wissenschaftlichen Studien nachgewiesen, dass weniger Pflegekräfte für die Patienten eine schlechtere Genesung und mehr Todesfälle bedeuten. Umgekehrt sorgt dies auch für immer mehr stressbedingte Krankheiten bei den Pflegenden selbst.

Nun darf man auf die Schlichtungsrunde gespannt sein. Es ist zu befürchten, dass auch hier kein akzeptables Ergebnis herauskommt. Denn die Forderung der Beschäftigten nach einer tariflichen Personalbemessung richtet sich gegen die fatale Logik der Fallpauschalen, in der die Kosten um jeden Preis gesenkt werden müssen.  In diesem perversen Finanzierungssystem bedeutet ausreichend Personal den Verlust der wirtschaftlichen „Wettbewerbsfähigkeit“. Deshalb wird sich die Krankenhausleitung mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln wehren. Es ist an den Beschäftigten, den Betriebswirten im Krankenhaus zu zeigen, dass der wirtschaftliche Schaden eines Streiks noch größer wäre. Wir hoffen, dass sich viele Krankenhäuser diesem Beispiel anschließen und für eine tarifliche Personalbemessung streiten und streiken. Vermutlich wird es erst dann die dringend notwendigen Verbesserungen geben und erst dann wären auch die großen Koalitionen im Berliner Senat und in der Bundesregierung gezwungen, sich ernsthaft mit dem Thema Mindestpersonalbemessung auseinanderzusetzen. Denn von der drohenden Pleite eines kleinen Wald- und Wiesenkrankenhauses würde im Gesundheitsministerium niemand Notiz nehmen; die Charité aber ist „too big to fail“!

DIE LINKE wird im Bundestag und auf der Straße weiter Druck für die Mindestpersonalbemessung machen und die Beschäftigten unterstützen.

linksfraktion.de, 19. März 2014