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Start ins »Superwahljahr«

Interview der Woche von Gregor Gysi,

Gregor Gysi, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, hatte zum Jahresauftakt erklärt, dass DIE LINKE zum Motor für den Politikwechsel werden müsse. In zahlreichen Landtagen hat sie in diesem Jahr wieder Gelegenheit dazu. Am nächsten Sonntag wird die Hamburger Bürgerschaft neu gewählt, danach folgen die Landesparlamente in Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und schließlich Berlin. In einige Landtage kann die DIE LINKE erstmals einziehen, in anderen ihre Position stärken.

Gregor Gysi, sind Sie schon aufgeregt hinsichtlich des Auftakts dieser Wahl-Serie am Sonntag in Hamburg?

Gregor Gysi: Nicht aufgeregt, aber zuversichtlich. Ohne eine starke Linke wird es einen wirklichen Politikwechsel nicht geben. Nur ein Beispiel: Nach dem Ende des schwarz-grünen Senats beantragte unsere Fraktion eine Abschaffung der Studiengebühren. Union, FDP, aber auch SPD und Grüne stimmten in namentlicher Abstimmung dagegen. Wirkliche Änderungen in der Bildung, einer deutlichen Reduzierung der Kita-Gebühren, eines Einstiegs in längeres gemeinsames Lernen wird es daher nur mit der Linken geben. Je stärker sie wird, desto größer der Druck für soziale Verbesserungen.

In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz könnte DIE LINKE erstmals ins Parlament einziehen, in Sachsen-Anhalt möglicherweise mitregieren...

Der Einzug der LINKEN in den Landtag von Baden-Württemberg könnte nach allen bisherigen Umfragen das Ende der Unionsherrschaft nach 57 Jahren bedeuten, falls nicht die Grünen mit der CDU koalierten. Das wird noch spannend.
In Sachsen-Anhalt geht es nicht nur ums Mitregieren, sondern ums Regieren. Wenn die LINKE dort vor der SPD stärkste Partei wird, steht die SPD vor der Entscheidung, einen Ministerpräsidenten der LINKEN zu akzeptieren. Oder sie ordnet sich erneut der dortigen CDU unter und bräche alle Wahlkampfversprechen.
Der Einzug in die Landtage von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz wäre auch ein wichtiges Signal nach Berlin, gegen den Afghanistankrieg und für mehr soziale Gerechtigkeit.

... und wie könnte das auch die Bundespolitik verändern?

Wir hätten dann das Fünf-Parteien-System mit einer einzigen Ausnahme – Bayern – in den Ländern komplettiert. Das wird den anderen nicht gefallen, und sie werden versuchen, die LINKE zu schwächen. Das können sie nur, wenn sie die Themen und Fragen der LINKEN selbst aufgreifen und sich korrigieren. Schon allein dadurch verändern wir die Gesellschaft und die Politik.

Die anderen Oppositionsparteien kochen, so scheint es, gern ihr eigenes Süppchen. Könnten neue Konstellationen in den Ländern dazu beitragen, dass die Opposition im Bundestag geschlossener handelt?

Bundes- und Landespolitik sind zwei Paar Schuhe. Zumindest mit der SPD gibt es in Fragen der Bildung, der Förderung erneuerbarer Energien, der Rekommunalisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge größere Schnittmengen. In Hessen und im Saarland waren wir zu einer Koalition mit der SPD bereit. Das es nicht dazu kam, lag bekanntlich nicht an uns, sondern an Abweichlern in der SPD bzw. an den Grünen, die eine Koalition mit der Union bevorzugten.
Im Bund liegen wir mit der SPD und den Grünen viel weiter auseinander. Von der Beteiligung der Bundeswehr am Afghanistankrieg, über Hartz IV bis zur Rente erst mit 67 sind sich Union, FDP, SPD und Grüne völlig einig. So lange SPD und Grüne nicht bereit sind, ihre bisherige Politik zu korrigieren, kann auch nicht gemeinsam agiert werden.

Die Kanzlerin selbst hatte die Landtagswahl in Baden-Württemberg zur Abstimmung über Stuttgart 21 erklärt. Können Wahlen – und es sind ja wahrlich viele in diesem Jahr –weitere Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger ersetzen?

Wahlen als Teil der politischen Willensbildung sind in einer repräsentativen Demokratie von zentraler Bedeutung. Aber ebenso wichtig ist eine Ergänzung, nicht Ersetzung, von Wahlen durch die Stärkung der direkten Demokratie, etwa durch Volksentscheide.

linksfraktion.de, 15. Februar 2011