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Staatstrojaner: Bundesregierung setzt wieder auf Private

Nachricht von Jan Korte,

Die Bundesregierung will bei Spionagesoftware wieder auf private Anbieter zurückgreifen. Der Grund: Die Entwicklung einer eigenen Spähsoftware durch ein von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) angekündigtes Kompetenzzentrum brachte bislang keine Ergebnisse. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf Schriftliche Fragen von Jan Korte hervor.

Dem "Kompetenzzentrum fehle offenbar die Kompetenz“ zitierte tagesschau.de Jan Korte. "Innenminister Friedrich hat die Eigenentwicklung ja als Lösung für die verfassungsrechtlichen Probleme präsentiert. Dass nun doch wieder private Dienstleister mit ins Boot geholt werden, ist nicht nur peinlich, sondern bedarf auch einer politischen Erklärung“, so der Innenpolitiker.

Staatstrojaner mit Vollzugriff

Vor gut einem Jahr hatte der Chaos Computer Club aufgedeckt, dass der unter anderem vom Bundeskriminalamt (BKA) zur so genannten Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) eingesetzte Trojaner der Firma DigiTask GmbH den Vollzugriff auf den Zielrechner ermöglicht und damit gegen die Verfassung verstößt. Die Quellen-TKÜ wird eingesetzt, um zum Beispiel verschlüsselte Kommunikation per E-Mail oder Skype noch vor der Verschlüsselung auf dem Rechner der überwachten Person auszulesen und an die Behörden zu übermitteln.

Das Bundesverfassungsgericht urteilte im Jahr 2008, dass die "heimliche Infiltration eines informationstechnischen Systems“ nur zulässig sei, wenn Vorkehrungen getroffen würden, "um den Kernbereich privater Lebensgestaltung zu schützen". Die Kleine Anfrage "Auskunft über Einsatz staatlicher Schadprogramme zur Computerspionage ('Staatstrojaner‘)" von Jan Korte und der Linksfraktion, brachte zudem ans Tageslicht, dass die Bundesregierung den Funktionsumfang der eingekauften Software überhaupt nicht verlässlich prüfen konnte, da ihr der Quellcode nicht zur Verfügung gestellt wurde.

Trotz aller Abwiegeleien und Relativierungen kündigte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich Ende 2011 die Einrichtung eines Kompetenzzentrums beim BKA zur Entwicklung eigener Spähsoftware an, welches eine datenschutz- und verfassungskonforme Überwachungssoftware selbst entwickeln sollte.

Alter Trojaner wird angeblich nicht mehr eingesetzt

Vor einigen Tagen fragte Korte nach, ob die Bundesregierung mittlerweile alle Funktionen des im Oktober aufgeflogenen Trojaners kenne, ob dieser noch eingesetzt würde und wie es um die Aufklärung der verfassungswidrigen Einsätze stehe. In ihrer Antwort auf die Schriftlichen Fragen geht die Bundesregierung der Frage nach den Funktionen und Einsatzmöglichkeiten des kritisierten Trojaners der Firma DigiTask aus dem Weg. Stattdessen teilt sie mit, dass die Sicherheitsbehörden diesen nicht mehr einsetzen würden. Ersatz sei noch nicht vorhanden: Das von Innenminister Friedrich angekündigte Kompetenzzentrum ist mit seiner Entwicklung offenbar noch nicht vorangekommen und wird dies wohl auch in nächster Zeit nicht tun, denn in der Zwischenzeit wolle man wieder auf ein Produkt privater Unternehmen zurückgreifen.

Auch in Sachen Aufklärung und Transparenz, die unter anderen Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger vergangenen Oktober eingefordert hatte, ist nichts geschehen. Die Bundesregierung gibt in der Antwort unumwunden zu, dass sie keine sicheren Kenntnisse über die Verwendung des zum Teil von ihr zur Verfügung gestellten Trojaners in den Ländern habe. Die Bundesregierung habe allerdings ein ganzes Jahr gehabt, das herauszufinden, kritisiert Korte. "Wenn die Bundesregierung weder von den eigenen Behörden, noch von den Ländern weiß, was mit dem Staatstrojaner ausspioniert und in welchem Umfang er eingesetzt wurde, erweckt das den Anschein, dass ihr der Schutz von Grundrechten ziemlich egal ist."

Staatstrojaner nicht verfassungskonform programmierbar

Die Aufarbeitung des bisherigen Einsatzes von Staatstrojanern ist nicht nur eine politische Notwendigkeit – immerhin steht der Vorwurf im Raum, dass staatliche Sicherheitsbehörden serienmäßig Grundrechte verletzt haben könnten –; sie wäre theoretisch auch wichtig, um solche Fehler bei einer Eigenentwicklung nicht wieder zu begehen. Wegen der kaum möglichen Unterscheidung zwischen dem Belauschen privater Kommunikation und der Beschaffung relevanter Informationen, kann bezweifelt werden, ob dies überhaupt machbar ist. "In der Praxis gehen wir davon aus, dass Staatstrojaner weder verfassungskonform programmiert noch eingesetzt werden können", so Korte. Daher fordert DIE LINKE, auf Staatstrojaner generell zu verzichten.

linksfraktion.de, 15. Oktober 2012